Mühlengeschichte in Rössing

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Mühlengeschichte aus Rössing und Calenberg

von Helga Fredebold

Wo der Rössingbach am Schloß vorbeifließt, an der romantischsten Stelle des Dorfes, steht die ehemalige Wassermühle der Freiherren von Rössing. Diese Ecke hieß bei den Rössingern allgemein der Malerwinkel. Leider sind die Bilder, die hier entstanden sind, wohl alle in Privathand und der Allgemeinheit nicht bekannt.

Bis zum Jahre 1911 klapperte hier wirklich noch die Mühle am rauschenden Bach, wie es in dem alten Volkslied heißt. Bis dahin wurden, wie in alten Zeiten, die Mühlsteine von einem Wasserrad getrieben. Dann folgte das Maschinenzeitalter und seit dem 1. Juli 1966 wird dort kein Mehl mehr gemahlen. Wenige Jahre wurde sie noch als Schrotmühle betrieben und dann ganz stillgelegt.

Wasser- und Mühlenrechte

Mühlen- und Wasserrechte, jegliche Nutzung von Naturkräften, hatten die Territorialfürsten und die Bischöfe schon immer an sich gezogen, die damit adelige Geschlechter oder verdiente Gefolgsleute belehnten. So waren sicher auch die Mühlen- und Wasserrechte der Herren von Rössing Teil der ihrer Güterbelehnung im Mittelalter, denn sie gehörten von jeher zu ihren Privilegien. Selten betrieben die Belehnten die Mühlen selbst, sondern verpachteten sie langfristig an Müllerfamilien.

Voraussetzung für das Betreiben der Mühle war das Anstauen des Rössingbaches. Und das geschah vermutlich schon vor, oder spätestens beim Bau der ersten Burg- anlage oder eines sogenannten festen Hauses im Jahre 1342. Der aufgestaute Rös-singbach, der Teich und ein Grabensystem mit einer Wasserkunst speisen auch heute noch den Schloßgraben des Herrenhauses.

Und ebenso lange haben die Rössinger nach Überlieferung schon ihr Getreide auf der Herrschaftsmühle gemahlen.

Kleiner Wasserlauf

Der Rössingbach ist nur ein kleines Flüßchen, er kommt aus dem Hildesheimer Wald, aus der Nähe von Sorsum und wurde früher Dude genannt. Auf der Flurnamenkarte von Alt-Calenberg, die das Landschaftsbild um 1700 zeigt, wird er allerdings in seinem unteren Teil, bevor er in einen alten Leinearm floß, als Rössinger Mühlenbache bezeichnet.

Sein geringes Gefälle forderte ein unterschlächtiges Wasserrad, das heißt, wenn das Schütt gezogen wurde, traf das unten austretende Wasser auf den unteren Teil des Laufrades und setzte es in Bewegung. Wenn der Unterschied zwischen Ober- und Unterwasser größer war, wurden oberschlächtige Wasserräder verwendet. Dabei traf das Wasser von oben in die Schaufelräder und die Energieausnutzung war wesentlich höher, wie zum Beispiel bei der großen Calenberger Leinemühle.

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Rössing wird welfisch

Nach der Hildesheimer Stiftsfehde 1523 wurde das Bistum Hildesheim zerschlagen und das Dorf Rössing und das Adelige Gut gehörten nun nicht mehr zum Stift Hildesheim, sondern wurden dem welfischen Amt Calenberg zugeordnet. Außerdem erwarb der Welfenherzog Erich der Ältere 1538 vom Kloster Helmarshausen die Pfandschaft über das halbe Dorf Rössing, Amt- Calenbergischen Teils, während das andere halbe Dorf nach wie vor der Patrimonialgerichtsbarkeit der Herren von Rös sing unterstand.

Konkurrenz in der Nachbarschaft

Das friedliche Mühlengehen der Rössinger nahm ein Ende, als 1586 dicht bei der Feste Calenberg die große Leinemühle erbaut wurde.

Die Amtmänner auf dem Calenberg wollten nun ihre Amtsuntertanen in Rössing unter Androhung von hohen Strafen, wie Verlust ihres gesamten Viehs, dem Mahl- zwang auf der Calenberger Leinemühle unterwerfen, während die Gutsleute des Adeligen Gerichts weiterhin auf ihrer alten Mühle mahlen lassen durften. Aber der weite Weg brachte viel Erschwernis für die Leute mit sich. Die Herren von Rössing klagten mehrmals beim Herzog und bekamen auch Recht. Sie wehrten sich, weil ihre eigene Mühle schon vor der großen Leinemühle bei Schulenburg bestanden hätte und durch Entzug der Mahlgäste ihrer Mühle Verluste drohten, das wollten sie verhindern.

Der Mühlenstreit

Das Amt Calenberg wurde angewiesen, den Rössingern ihre Mahlfreiheit zu lassen. Am 17. April 1651 wurden dem Amtmann Strickmann 30 Goldflorin Strafe angedroht, wenn er die Leute weiter bedrängte, zahlbar zur Hälfte an den Fiskus und zur Hälfte an den Kläger Ludolph von Rössing. Dessen Klagen beim fürstlichen Hofgericht hatten mehr Erfolg als die Beschwerden der Bauern, die dem Amtsgericht in Calenberg unterstanden.

Aber 75 Jahre später war es mit dem Frieden wieder vorbei. Wieder wurden vom Calenberger Licentschreiber Hamelmann in Rössing, unter Androhung von Strafen bei Nichtbefolgung, die Mahlzettel auf die Calenbergische Zwangsmühle ausgestellt

Aber auch 1726 wurde gerichtlich verfügt, den Rössingern Freiheit bei der Wahl der Mühle zu lassen.

Doch weiterhin standen die Rössinger Bauern unter dem Druck der Beamten auf dem Calenberg. Dazu mag beigetragen haben, daß die Herren von Rössing selbst sich zu dieser Zeit vorwiegend auf ihren Besitzungen im Halberstädtischen und im Osten des Stiftes Hildesheim aufgehalten haben und ihre Rechte vor Ort nicht mit dem nötigen Nachdruck durchsetzten.

1771 verpflichtete sich der Rössinger Mühlenpächter Matthaei, den Rössingbach flußabwärts bis zur Gemeindegrenze „im Holze“ räumen und begradigen zu lassen und ein steinern Gewölbe (Brücke) zum Lühn (Flurbezeichnung) zu bauen, was er auch tat. Aber dann errichtete der Amtmann Rumann ein Schütt auf Calenberger Gebiet, mit dem er den Rössingbach stauen konnte, und bei der nächsten Schneeschmelze standen die dortigen Rössinger Felder unter Wasser. Aber alle Eingaben nützten nichts. Da die Rössinger nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit protestiert hatten, wurde die Klage abgeschmettert.

Der Mühlenzwang der Calenberger Mühle

Eine Urkunde vom 6. September 1741 belegt, welche Ausdehnung dieses Zwangsgebiet hatte und mit welchen Befugnissen ein Amtsvogt ausgestattet war. Diese Urkunde wird unter der Nummer 407 im Archiv des Obergutes Lenthe aufbewahrt. Sie betrifft das Amt Calenberg, das von Lenthe im Norden, bis Holtensen im Süden, von Rössing im Osten bis Bantorf im Westen reichte. Auch Rössing ist hier unter den 44 Zwangsdörfern aufgeführt. Aber es waren auch Ausnahmen vom Mahlzwang möglich und Rössing gehörte offensichtlich zu diesen Ausnahmen, aber die Amtleute hielten sich nicht daran, sondern handelten in eigener Machtvollkommenheit, was die ständigen Differenzen zur Folge hatte.

Im Erbenzins vergeben

Die Rössinger Mühle war verpachtet oder im Erbenzins vergeben. Den Müllern ging es in der Regel recht gut. Sie lebten von der Metze, ihrem Anteil am gemahlenen Korn und waren ein geachteter und wohlhabender Berufsstand.

Bei der Allodifizierung der von Rössingschen Güter, das heißt bei der Umwandlung von Lehnsbesitz in erbliches Eigengut durch Ablösung des Zehnten und der bäuerlichen Hand- und Spanndienste Mitte des 19. Jahrhunderts, wurde die Mühle von der Familie von Rössing zurückgekauft. Es gehörten dazu ein Wohnhaus, eine Scheune, Back- und Waschhaus, Pferde-, Kuh- und Schweinestall und 26 Morgen Land. Die Mühle wurde aber weiterhin verpachtet. Von 1911 bis zum Ende 1966 war sie im Besitz mehrerer Generationen der Müllerfamilie Brünig.

Die Pacht wurde zum Teil noch in Naturalien entrichtet und es mußten Eier und unter anderem drei Schweine abgeliefert werden. Beim letzten Pächter waren es nur noch einige Gänse, alle übrige Pacht wurde in Geld entrichtet.

Beginn des Maschinenzeitalters

1911 wurde die Mühle mit Einführung der Elektrizität modernisiert. Statt des Mühlrades wurde eine Wasserturbine eingebaut und im Maschinenhaus eine Dampfmaschine, die später durch einen Dieselmotor ersetzt wurde. Gemahlen wurde mit Mühlsteinen und 1923 ereignete sich ein schrecklicher Unfall in der Mühle. Ein Lehrjunge hatte trotz Verbotes bei laufendem Getriebe gefegt. Seine Kleidung wurde von der Maschine erfaßt und der Junge vollständig zerrissen.

Erst 1938 wurden ein Walzenstuhl und ein Plansichter zur Klassifizierung der Mehltypen eingebaut. Gemahlen wurden Roggen- und Weizenmehl, sowie Futterschrot aus Gerste und Hafer. Während der Kriegs- und Nachkriegszeit wurden auch Haferflocken, Grieß und Graupen hergestellt, was zwar verboten, aber allgemein üblich war, um die Not zu lindern, denn die Menschen litten Hunger.

1947/48 wurden der Maschinenpark und das Mühlengebäude bachabwärts auf den heutigen Umfang vergrößert.

So lange, wie die Landwirtschaft noch mit Pferden und nicht mit Treckern betrieben

wurde, war am Rosenberg, dem heutigen Kurt-Schumacher-Platz, das Ufer des Rö

ssingbaches abgeflacht und der Mühlenkolk wurde als Pferdeschwemme genutzt.

Die Mühlenpächter hatten die Pflicht, das Schütt bei Regengüssen rechtzeitig zu regulieren. Als im Frühjahr 1947 nach dem strengen Winter das Tauwetter einsetzte, konnte das Schütt durch das Eis nicht mehr rechtzeitig hochgezogen werden. und das ganze Wohnhaus und die Mühle wurden unter Wasser gesetzt. Um solche Katastrophen in Zukunft zu verhindern, wurde im Garten bachaufwärts ein Damm errichtet.

Durch das reichhaltige Angebot an Lebensmitteln in den 1960er Jahren erfolgte eine Veränderung der Eßgewohnheiten. Brot bildete nicht mehr das Hauptnahrungsmittel für die Menschen und die kleineren Getreidemühlen hatten keine Überlebenschance. 1966 wurde die Mühle stillgelegt und nur noch kurze Zeit als Schrotmühle genutzt.

Das leere Gebäude wurde viele Jahre von der Tanzgruppe „Deutsche Jugend in Europa“ benutzt und in den 1990er Jahren für Wohnzwecke umgebaut.

Calenberg und die große Leine Mühle

Das erste Mal hören wir von einer Mühle auf dem Calenberg bei dem heutigen Ort Schulenburg an der Leine, als Conrad von Saldern am 24. November 1363 seinen Anteil an der Pfandschaft des Schlosses Calenberg mit Mühle, Zoll, Leuten, Gericht und Jagd an Herzog Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg verkauft.

Damals waren die 1290 erbaute Turmburg und der Pallas, in den alten Akten häufig als Schloss bezeichnet, noch nicht von dem großen Wall und Graben umgeben, von dem heute noch Reste vorhanden sind, und die heute als Alt-Calenberg bezeichnet werden. Diese entstanden erst zwischen 1504 und 1512/14, als Herzog Erich I von Calenberg Burg und Schloß zu einer wehrhaften Feste ausbaute. Dabei wurden große Anstrengungen unternommen, um die Mühle, die vor der Burg lag, in die Festungsanlage mit den Wällen zu integrieren, denn die Mühle war bei Belagerungen wichtig. Sie lag keinesfalls an der Stelle an der Leine, wo später die große Leinemühle erbaut wurde, deren Gebäude auf dem Merianstich von 1653 Schloß und Ampt Calenberg an der Leina im rechten Bildviertel deutlich zu erkennen sind.

Der Historiker Eckard Steigerwald schreibt in seiner Broschüre von 1990 „Die Feste Calenberg“: Auch wenn es kaum vorstellbar ist, die Strömungsverhältnisse müssen an der Mühle bei Anlage der Festung so gewesen sein, daß sie mit Wasserkraft betrieben werden konnte.

Bei dem Begriff Calenberg handelte es sich nicht um einen alten Gerichtsbezirk der Reichsverfassung, sondern um eine junge Bildung, die erst mit dem Schlosse entstanden ist. Seit der ersten Verpfändung gleich nach dem Bau des Schlosses bis ca. 1400, als es in die eigene Verwaltung der Welfenfürsten übernommen wurde, gehörte zu Calenberg herrschaftliches Eigen- und Zinsland, von dem Zins und Dienste auf der Burg eingefordert wurden.

Dabei ist nicht ganz klar, ob es sich um einen geschlossenen Bezirk oder um Streubesitz handelte. Auf jeden Fall war er Mittelpunkt einer Wirtschaftsverwaltung und der Burgbezirk hatte die Tendenz zu wachsen. Später wurde der Begriff Calenberg auf das ganze Fürstentum übertragen und die Fürsten, von Erich I (1495 – 1540) bis Georg Wilhelm (1648 – 1675), haben Calenberg als Stammschloß ihres Hauses betrachtet und gepflegt.

Die Wissenschaftler vertreten die Ansicht, daß das Schloß Calenberg auf einer Insel angelegt wurde, die von zwei Leinearmen umflossen wurde, die lange Zeit gleichzeitig Wasser geführt haben. Der östliche ist der ältere und die sogenannte Alte Leine ist ein Rest davon. Die Flurnamenkarte von Alt-Calenberg zeigt den Leineverlauf um 1700. Es ist deutlich zu sehen, daß ein oberhalb der Calenberger Mühle abzweigender Leinearm den um das Schloß herumführenden Wallgraben speiste und über den sogenannten Mühlenstrang eine Wasserverbindung zur heutigen Alten Leine herstellte. Die Wassermenge war wohl durch ein Wehr regulierbar. Nach dem Abriß der Feste zwischen 1680 und 1720 wurde die Verbindung zur Leine unterbrochen. Der Wall wurde teilweise abgetragen und der Graben aufgefüllt, die Wasserläufe im Umfeld verändert, was eine Rekonstruktion heute sehr erschwert. Der Wallgraben und der Mühlenstrang fielen seitdem trocken, nur bei Hochwasser erkennt man manchmal die alten Wasserläufe.

Jedenfalls muß es mit dieser Mühle auf der Burg immer wieder Probleme gegeben haben, so daß zusätzlich mit Pferdekraft eine Göpelmühle betrieben werden mußte.

In der Schloßbeschreibung von 1584 werden auf dem Calenberg eine Roßmühle und eine Mehlmühle genannt, in der von 1585 Roßmühle und Mühle, und 1639 und 1665 heißt es nur noch: Eine alte Mühle.

Die Juliusmühle

Nachdem Herzog Erich der Jüngere von Calenberg 1584 ohne Leibeserben verstorben war, erbte sein Vetter Herzog Julius zu Wolfenbüttel das Herzogtum Calenberg. Dieser gab zwei Jahre später, im Jahr 1586 den Auftrag, eine neue Mühle direkt an der Leine zu bauen. Diese moderne Mühle hatte mehrere Mahlgänge, neben der Getreidemühle auch eine Öl- Säge und Bokemühle zum Flachsbrechen und wurde nach ihm Juliusmühle genannt. Sie war sehr groß und leistungsfähig und in der Tat jünger als die kleine Mühle der Herren von Rössing.

Sie war herrschaftliche Bannmühle und ihrem Mahlzwang unterstanden über 40 Dörfer.

Wie bei den herrschaftlichen Mühlen üblich, wurde auch die Juliusmühle von Pächtern betrieben. Den Pächtern waren aber nur die eigentlichen Mühlenräume verpachtet, in denen sich die Mahlgänge befanden. In den großen Kornböden darüber

wurde der Kornzehnte gelagert und von einem Rentmeister verwaltet.

Moderne Zeiten

Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Aufhebung der bäuerlichen Lasten erfolgte, entfielen die Ablieferung des Zehnten, die Hand- und Spanndienste und auch der Mahlzwang. Das Einzugsgebiet der großen Mühle verkleinerte sich erheblich.

Das führte zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Pächter, da die großen Kapazitäten der Mühle nicht mehr ausgenutzt werden konnten.

Unternehmerischer Wagemut

Ernst Malzfeldt, der 1854 schon die Innerstemühle bei Sarstedt aus königlich-hannoverschem Besitz gekauft hatte, übernahm 1871 von dem hochbetagten Pächter die Calenberger Mühle. Diese war inzwischen nicht mehr königlich-hannoversch, sondern gehörte seit dem Krieg von 1866 dem preußischen Fiskus, denn aus dem Königreich Hannover war 1966 eine preußische Provinz geworden. Ernst Malzfeldt hoffte, die Mühle käuflich erwerben zu können, um dann die notwendigen, umfangreichen Investitutionen vorzunehmen. Doch die Hoffnung. auf einen Kauf zerschlug sich.

Aber er erneuerte die veralteten Anlagen trotzdem und ersetzte die uralten Wasserräder durch den Einbau von Turbinen, errichtete neue Mühlengebäude und baute moderne Müllereimaschinen ein.

Der wirtschaftliche Erfolg gab ihm Recht. In zäher Arbeit hatten Ernst Malzfeldt & Söhne die Mühle zu einem sehr leistungsfähigen Betrieb ausgebaut.

Arbeitsordnung von 1892

Ein kleiner Ausschnitt aus einer Arbeitsordnung von 1892 gibt einen Einblick in den damaligen Arbeitsalltag, der in einer Getreidemühle von harter Knochenarbeit geprägt war.

Arbeitszeit war 6 Tage, von morgens 6 Uhr bis abends 19 Uhr, 13 Stunden, auch am Sonnabend. Nach Abzug von insgesamt zwei Stunden Pause waren das 11 Stunden reine Arbeitszeit täglich.

Pausen von 8 bis 8.30 Uhr

12 bis 13.00 Uhr

16 bis 16.30 Uhr

Wörtlich hieß es:

Für alle Zeitbestimmungen ist die Uhr der Dorfkirche zu Schulenburg maßgebend. Der Mahlbetrieb läuft in Tag- und Nachtschichten. Der Schichtwechsel für Tag- und Nachtschicht findet für die Müller morgens um 3 Uhr und nachmittags um 15 Uhr statt, für die Arbeiter morgens um 6 Uhr und nachmittags um 18 Uhr. Notwendige längere Arbeitszeit oder Sonn- und Festtagsarbeit im gesetzlich zulässigen Rahmen ist einzuhalten. Verspätungen bei Beginn der Arbeitszeit werden mit 10 Pfennig für jede angefangene halbe Stunde geahndet.

Bei Eintritt in die Firma erhält jeder Arbeiter die mehrere Seiten lange, IX Artikel umfassende Arbeitsordnung ausgehändigt, die er bei seinem Ausscheiden wieder abzuliefern hat. Jeder Arbeiter ist verpflichtet, der gemeinsamen Ortskrankenkasse Schulenburg und Umgebung beizutreten und die berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften einzuhalten.

Mit dieser Arbeitsordnung war den Betreibern der Mühle ein freizügiges Arbeiten und Wirtschaften möglich,

Seit 1871 haben drei Generationen Ernst Malzfeldt & Söhne die Mühle immer wieder vergrößert. Wann dann die Familie Bremer die Mühle übernahm, war nicht zu ermitteln. Aber sie arbeiteten auch mehrere Generationen mit großem wirtschaftlichen Erfolg.

Der Gleisanschluß

Die Mehle waren von hoher Qualität und fanden guten Absatz in Niedersachsen und den Verbrauchergebieten im Norden und Westen. Mit der im Mühlenbetrieb nicht benötigten Wasserkraft wurde elektrische Energie erzeugt und an das Überlandnetz abgegeben. Das geschieht auch heute noch und ist ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor für die jetzigen Eigentümer.

Um die gewichtigen Getreide- und Mehlsäcke vor allem über weite Strecken zu transportieren, führte ein Bahnanschluß vom Bahnhof Nordstemmen fast bis zur Calenberger Mühle nach dem kleinen Ort Lauenstadt. Mehl und Futtermittel mußten mittels einer Kettenbahn vom Mehllager auf der Mühleninsel über die Laufbrücke, den Verbindungsweg über den Fluß der Turbinenzuläufe, zum Eisenbahnschuppen in Lauenstadt befördert werden, wo der Umschlagplatz war. Man nannte diesen winzigen Ort, unmittelbar bei Calenberg gelegen, auch Flohagen, weil er nie mehr als 7 Häuser hatte und sprach scherzhaft vom Lauenstädter Güterbahnhof.

Die Gleisanlage mußte streckenweise von der Mühle gewartet werden. Zwischen Lauenstadt und Rössing führten die Schienen durch das Hochwassergebiet unter den Eschen, und jedes Mal wurden bei Hochwasser Schwellen freigespült. Die Instandsetzung war kostspielig und langwierig. Außer der Calenberger Mühle benutzten noch die Schulenburger und Jeinser Kohlenhändler und Landwirte den Gleisanschluß zur Anfuhr von Kohlen und Düngemitteln.

Etwa 20 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich der Güterverkehr der Mühle von der Schiene auf die Straße verlagert. Der Fuhrpark war vergrößert worden und die Gleisanlage wurde abgerissen.

Am Zielort mußte die Belieferung der einzelnen Kunden sowieso motorisiert vorgenommen werden. Zum Schluß kam die Knochenarbeit, der Transport der Zweizentnersäcke auf dem Rücken der Transportarbeiter in die Mehlkammern der kleinen und größeren Bäckereien.

Kriegs- und Nachkriegszeit

Kriegsbedingt waren etliche notwendige Verbesserungen und Modernisierungen in der Mühle aufgeschoben worden. Als nach dem Krieg der Betrieb wieder aufgenommen wurde, gab es viele Handwerker und Arbeitskräfte, aber wegen Materialmangel konnte doch so manches nicht in Angriff genommen werden. Die Arbeitsplätze, wo Lebensmittel hergestellt oder verarbeitet wurden, waren sehr begehrt. In den Hungerzeiten fiel in einer Mühle immer etwas ab.

Das Wichtigste war vor allem, daß die Bevölkerung etwas zu essen hatte, es wurde also Getreide gemahlen. Auslandsgetreide wurde in Bremen von Überseeschiffen gelöscht und lose in Waggons geladen. Neben Weizen wurde auch Mais als Brotgetreide geliefert. Den kannte man in Deutschland bisher nur als Futtermittel. Mais ist härter als unser Brotgetreide und ließ sich ohne Vorbehandlung auf den herkommlichen Mühlen nicht vermahlen und der Maschinenpark mußte umgestellt werden. Der Mais mußte einer Wärmebehandlung von 40 Grad unterzogen werden, bevor er gemahlen werden konnte. Für die Bäcker war es ein Kunststück, mit Maismehl ordentliches Brot zu backen. Im Anschnitt sah es gelb aus wie Kuchen mit ganz viel Eiern, aber leider schmeckte es nicht so. Trotzdem war die Bevölkerung froh über das Maisbrot, denn die Lebensmittelrationen waren klein, in der schlechtesten Zeit bis 1948 zur Währungsreform, waren es nur 1000 Kalorien pro Tag.

Dass von den Amerikanern Mais als Brotgetreide nach Deutschland geliefert wurde, war angeblich ein Mißverständnis. Der deutsche Verhandlungspartner, der die Gespräche über die Hilfslieferung von Brotgetreide führte, sprach von Korn, womit er Roggen als unser übliches Brotgetreide meinte, im Gegensatz zu Weizen. Aber die Amerikaner kennen keinen Roggen, und corn ist für sie Mais, den auch sie als Futtermittel verwenden. Und so bekamen wir ganze Schiffsladungen von Mais

Not macht erfinderisch und so schildert ein ehemaliger Mitarbeiter der Calenberger Mühle noch so manches aus diesen Jahren, was den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Franz Huber war seit 1945 als gelernter Müller bei der Mühle tätig, und hat einen ausführlichen Bericht über diese Zeit geschrieben.

Die Mühleninsel

Die Mühle wurde 1586 auf einer hochwassergeschützten Insel der Leine angelegt. Aber sie umfaßte nicht nur das Mühlengrundstück, sondern es gab eine ganze Reihe weiterer alter Flurstücke, von denen die jeweiligen Mühlenpächter einige erwarben. So gab es noch die Schradersche Anbauerstelle, den Mühlengarten, die Kleine Mühlenmarsch und jenseits der Leine die Große Mühlenmarsch. Von dem eigentlichen Mühlengrundstück mit dem Kraftwerk ist aber dabei nie die Rede.

In einer kleinen Chronik über die Calenberger Mühle, vermutlich verfaßt von einem Mitglied der Familie Bremer wird berichtet, daß es der Familie Bremer gelang, die Mühle während des Krieges von der Regierung zu kaufen.

Dem widersprechen die Grundbucheintragungen im Grundbuchamt Springe. Im Grundbuch ist in den Eintragungen, die das eigentliche Mühlengrundstück betreffen, nie von der Familie Bremer die Rede. Als Eigentümer wird dort bis 1993 nur genannt.

FIRMA ERNST MALZFELDT & SÖHNE

SCHULENBURG / LEINE

Dies ist nur so zu erklären, daß die Familie Bremer die Firma Ernst Malzfeldt & Söhne aufgekauft hat und unter dem Firmennamen Malzfeldt & Söhne weiter betrieb. Sie wurde Eigentümer der Mühle, ohne selbst mit ihrem Namen im Grundbuch zu erscheinen.

Daß das einst blühende Unternehmen die Krisenzeiten in den 1980er Jahren nicht überlebte, hat sicherlich mehrere Ursachen und entbehrt auch nicht einer gewissen Tragik. Die Mühle hatte zum Schluß sieben Anteilseigner. Sie wurde an die Bremer Rolandmühle verkauft und noch kurze Zeit als Mehlmühle weiter betrieben. 1987 hörte die Calenberger Mühle auf Getreide zu mahlen, sie wurde stillgelegt und eine 400jährige Mühlentradition ging zu Ende.

Frischer Wind in alten Mauern

1988, ein Jahr später, beginnt in der Region Hannover, in Calenberg, unter der Führung von Stephan Rettenmaier, dem Sproß einer erfolgreichen schwäbischen Unternehmerfamilie von Weltformat, die Produktion von Faser-Granulaten für den Straßenbau, als Zusatz für den sogenannten Flüsterasphalt.

In der Calenberger Mühle stehen die Räder nicht mehr still, sie mahlen nun Kunststoffe statt Getreide.

Anfangs galt das Interesse der süddeutschen Unternehmer mehr der Energiegewinnung durch Wasserkraft, aber unternehmerischer Erfindergeist sah noch andere Möglichkeiten in der traditionsreichen Mühlenanlage Calenberg. Unter ihrem Geschäftsführer Stephan Rettenmaier expandiert die Firma JRS Prozeßtechnik (Josef Rettenmaier Senior) mit viel Erfolg und versucht, sich über den Inselbereich hinaus auszudehnen. Laut Zeitungsbericht wird der Erwerb der Mühlenmarsch angestrebt, wozu allerdings die Umwidmung der bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche zu Industriegelände notwendig ist.

Quellen:

Pfarrarchiv Rössing: Fasc.1 A. 110, Mühlenstreitigkeiten zwischen der Rössinger und Calenberger Mühle

Persönliche Berichte der Rössinger Müllerfamilie Brünig, der letzten Mühlenpächter:

Hannoversche Allgemeine Zeitung , Landkreis-Zeitung Süd, vom Mittwoch, 30. Juli 1986

Seite 4: Heinz Koberg: Der Mühlenzwang der Calenberger Mühle

NHSA Hannover : Sudendorf, Urkundenbuch der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg, Band III, Nr. 206. .Seite . 133/4 vom 24. November 1363

Werner Spieß: Die Großvogtei Calenberg, Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1933

Eckard Steigerwald: Historiker. Die Feste Calenberg, Broschüre des Rotary-Clubs, ca 1990

StA Wf, I Alt 30, Nr. 494 NHSA Cal Br 2 Nr. 335

Flurnamenlexikon und Flurnamenkarte von Alt-Calenberg, Hrsg. Landkreis Hannover 1987

Bearbeitet von Heinz Weber

Dr. Allheidis von Rohr und Dr. Edgar Kalthoff:Calenberg, „Von der Burg zum Fürstentum“.

Hannover 1979, Hrsg. Hist. Museum

Franz Huber, Schulenburg/Leine, Königsberger Str. 8

Calenberger Mühle, Ernst Malzfeldt & Söhne und Familie Bremer :Copy-Druck, Privatbesitz

Die Holzmüller“Geburtstagsbuch für Josef Rettenmaier zum 80. Geburtstag am 4. Juli 2004

Der Dorfladen in Rössing

Springer Jahrbuch 2015

Helga Fredebold

Zur Geschichte des neuen Dorfladens in Rössing Rnah: Tante Emma war gestern

Als das letzte Lebensmittelgeschäft in der Kirchstraße Nr.10 am 31. Januar 2012 geschlossen wurde, hatte Rössing außer der Schlachterei von Wolfgang Meyer, Bahnhofstr. 9 und einer Bäckereifiliale von Oppenborn aus Schulenburg im gleichen Hause, kein weiteres Geschäft mehr im Ort, wo man den täglichen Bedarf an Lebensmitteln decken konnte.

Im März 2012 unterbreitete Tita Frfr. von Rössing, unsere Ortsbürgermeisterin, uns

ihre Idee mit der Gründung eines neuen Dorfladens auf genossenschaftlicher Basis.

In ihrer mitreißenden Art gelang es ihr, die Dorfbewohner von dem Projekt recht schnell zu überzeugen. Im Oktober wurde eine GmbH gegründet, deren Gesellschafter die Dorfbewohner sind, durch Zahlung einer Einlage von mindestens 100 EU pro Anteilschein. Diese werden treuhänderisch von einem Treugeberbeirat verwaltet. Es wurde eine Summe aufgebracht, die für den Umbau, die Einrichtung und den ersten Wareneinkauf reichte.

Der Ausbau des letzten „Gemischtwarenladens“ in der Kirchstraße 10 wurde mit Elan in Angriff genommen. Unermüdlicher Einsatz, viel Idealismus und finanzielle Zuwendungen der Bevölkerung führten zum Ziel. Da man sparsam mit dem Geld umgehen wollte, wurden auch gebrauchte Materialien verwendet, aber dadurch verzögerte sich die Fertigstellung, so dass man die angepeilten Termine nicht ganz einhalten konnte.

Endlich war es so weit. Am 16. Mai 2014 wurde der neue Dorfladen eröffnet. Mit der Namensgebung Rnah, R – für Rössing und –nah für Nahversorger, haben die Rössinger nicht nur bewiesen, dass sie nicht nur zu einer aussergewöhnlichen Gemeinschaftsleistung fähig sind, sondern dass sie auch einen ganz besonderen Sinn für Humor haben.

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Wenn die Rössinger Männer nun in Zukunft zu Rnah gehen, dann hat das absolut nichts Anrüchiges an sich, sondern sie gehen ganz brav einkaufen.

Denn dieses zentral gelegene Haus in der Kirchstraße Nr.10 hat Tradition, schon seit über 100 Jahren werden in diesem Haus Lebensmittel verkauft.

Die Kirchstraße Nr. 10 hat die alte Hausnummer 112. Was es mit den alten und neuen Hausnummern auf sich hat, ist den älteren Dorfbewohnern oft noch bekannt, aber den jüngeren kaum, wenn sie in alten Familienpapieren darauf stoßen. Die alten Hausnummern sind die Versicherungsnummern der ersten Brandkasse, die König Georg III, König von England und Kurfürst von Hannover etwa 1760 zwangsweise einführte, damit bei den zahlreichen Bränden, die häufig ganze Dörfer einäscherten, die Bevölkerung nicht total verarmte. Diese Versicherungsnummern der Brandkasse wurden die Hausnummern. Sie mußten deutlich sichtbar außen am Hause angebracht werden, damit man das Haus im Notfall auch schnell fand und jedes neu erbaute Haus erhielt die nächst höhere Versicherungs- bzw. Hausnummer, in Rössing waren es 191.

Erst als nach dem Zweiten Weltkrieg etwa 1950 für die Unterbringung der vielen Vertriebenen aus den verlorenen Ostgebieten ganze Neubauviertel entstanden, wurden Straßennamen eingeführt und jede Straße bekam eigene Hausnummern, die mit Nr. 1 begannen.

Das Haus Nr. 112, (Kirchstraße Nr. 10) wurde zwischen 1867 und 1878 von Friedrich Haller erbaut, der darin einen „Galanteriewaren und Hokenhandel“ betrieb. Es ist etwa 140 Jahre alt und hatte aber sicher schon einen Vorgänger. Friedrich Haller gehörte zu der Familie Haller, die im „Adeligen Krug“, der später „Gasthaus zum Löwen“ hieß, Kirchstraße 21, eine Gastwirtschaft und einen Getreidehandel betrieb. Man erkennt es noch an der Dachgaube, wo früher die Kornsäcke hochgezogen wurden.

Friedrich Haller verkaufte einmal das, was wir heute als Kurzwaren bezeichnen, also normalen Nähbedarf wie Steck- und Nähnadeln, Nähgarn, Zwirn und Knöpfe. Aber darüber hinaus führte Friedrich Haller Galanteriewaren, das sind Tressen, Spitzen, Bänder, Paspel, Schmuckelemente für den gehobenen, eleganten Zierrat für festliche Damenkleider oder Hüte. Die Kleider wurden damals noch zu Hause von der Hausfrau oder einer Hausschneiderin angefertigt, die von Haus zu Haus zog, und da bestand Bedarf für solche Artikel. Die ersten Kaufhäuser, die auch fertige Damen- oder Kinderkleider anboten, entstanden erst später, etwa um 1900 in Berlin.

Und „Hokenhandel“ war eigentlich ein „Kiepenhandel“, und der Betreffende hatte eine Konzession, dass er über Land fahren und seine Waren auch in andern Orten anbieten durfte.

Wie lange genau Friedrich Haller seine Galanteriewaren dort verkaufte, wissen wir nicht. Aber schon vor über 100 Jahren, im Reichsadressbuch von 1908, wurde in diesem Haus ein Georg Beneke als Inhaber eines Gemischtwarenladens aufgeführt. Dieser Georg Benecke war allerdings kein Verwandter von der Familie Beneke, die heute im Loderwinkel 3 wohnt.

Unter einem Gemischtwarenladen verstand man aber nicht nur Lebensmittel, sondern eigentlich war es schon ein Supermarkt im Kleinen, nur mit einem völlig anderen Angebot als heute. Zucker stand im Sack herum. Mehl, Nudeln, Graupen und Sago wurden lose in Schubladen aufbewahrt und auf einer Tafelwaage mit kleinen Gewichten in Papiertüten abgewogen, nichts war fertig abgepackt. Außerdem gab es Kernseife, Schmierseife, Soda zum Geschirrabwaschen, Schuhkrem und Zündhölzer, Maggi, das aus einer großen Flasche abgefüllt wurde und Glaszylinder für Petroleumlampen und dazu das notwendige Petroleum. Denn elektrisches Licht gab es erst nach 1911 in Rössing und noch längst nicht für alle Haushalte. So lange hatte man auf dem Lande nur Kerzen oder Petroleumlampen als Beleuchtung, daher die vielen Brände durch offenes Licht.

Oft wurden diese Geschäfte auch Kolonialwarenläden genannt, weil sie Kaffee, Kakao, Tee oder auch Reis und andere Waren verkauften, die aus den überseeischen deutschen oder ausländischen Kolonien stammten.

Allerdings hatte Georg Beneke auch 1908 schon Konkurrenz im Dorf. Außer ihm gab es noch drei andere „Gemischtwarenläden“, wie sie sich damals nannten. Das waren

Nolte, in der Kirchstraße 2, später war der „Konsum“ in diesem Laden, danach Ruhkopf. Außerdem gab es Runne, Kirchstraße 14, und Speckesser in der Langen Straße 12, den später die Tochter Frau Petsch von ihren Eltern übernahm.

Wie weit sich diese Geschäfte von einander unterschieden, oder ob alle das gleiche Angebot hatten, können wir heute nicht mehr feststellen.

Jedenfalls existierten sie alle noch nach 1945.

Pläne im Zweiten Weltkrieg

Im Kriegsjahr 1940 kam ein Auswärtiger ins Spiel, Wilhelm Moldenhauer aus Nordstemmen. Seine Vorfahren betrieben seit 1887 im Stammhaus in Nordstemmen, in der Hauptstraße Nr. 113 einen Gemischtwarenladen und einen Hokenhandel in der Umgebung, wo man die Waren bestellen konnte, die dann in die anderen Dörfer ausgeliefert wurden. 1935 übernahm Wilhelm Moldenhauer in der dritten Generation die Firma in Nordstemmen.

Er wollte das „Überlandfahren“ aufgeben, aber trotzdem das Geschäft ausweiten. Er plante die Gründung einer Filiale und kaufte im Kriegsjahr1940 in Rössing das Haus von Georg Beneke, Kirchstraße Nr. 10. Aber der Krieg machte alle Pläne zunichte. Er mußte Soldat werden und kehrte aus Stalingrad nicht zurück.

Nachkriegszeit

Nach dem Krieg war das Haus mit Flüchtlingen und Vertriebenen vollgestopft, wie alle Häuser in dieser Zeit. Im Gemischtwarenladen von Georg Beneke im Erdgeschoß verkaufte Frau Härke Milch, die lose ausgeschenkt wurde. Sie wohnte Kirschenbrink 5. Ihr Schwiegersohn Karl Richter war Milchfahrer und seine Frau Marla, geb. Härke wurde von der Gemeinde als Leiterin der Gemeinschaftsküche Ende 1946 fest angestellt und half beim Milchverkauf mit aus.

Bis zum Herbst 1947 war die Einwohnerzahl in Rössing von 1168 vor dem Krieg auf 2390 gestiegen, und Frau Härke wollte im Dorf eine zweite Milchverkaufsstelle einrichten, denn Tetrapack und H-Milch waren noch unbekannt. Doch das wurde von der Gemeinde nicht für erforderlich gehalten. Um eine schnellere Abwicklung zu ermöglichen, sollte Frau Härke ihr Personal aufstocken. Später errichtete sie dann die „Milchhalle“ an der Feuerwache, die inzwischen zu einer „Pizzabäckerei“ umfunktioniert wurde.

Erika Moldenhauer, als Kriegerwitwe mit zwei kleinen Kindern, konnte die Pläne ihres gefallenen Mannes mit einer Filiale in Rössing vorerst nicht verwirklichen.

Aber sie packte beherzt an, resolut war sie, und erweiterte in den folgenden Jahren das Nordstemmer Geschäft räumlich, personell und leistungsmäßig bedeutend.

Als dann im Jahr 1949 die Wohnungskommission in Rössing in ihrem Haus in der Kirchstraße 10 Räume für ein Gemeindebüro beschlagnahmen wollte, was sich aber zerschlug, bekam sie unter großen Schwierigkeiten die Räume für die Einrichtung eines Kolonialwarengeschäftes frei und ein Geschäftsführer, bzw. Pächter stand auch schon bereit, Hermann Raupach, den viele im Dorf noch kennen.

Im Juli1946 war seine Frau Edith Raupach mit vier Kindern als Vertriebene aus Neuhammer Kreis Bunzlau/Schlesien in Wohnräume im Geschäftshaus der Familie Moldenhauer in Nordstemmen eingewiesen worden. Ein paar Wochen später kam der Familienvater Hermann Raupach aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurück, glücklich, daß er seine Familie wiedergefunden hatte. Er bekam auch gleich Arbeit bei „Landmaschinen-Müller“, die im gleichen Hause wohnten und nach drei Jahren wurde er als Verkäufer im Moldenhauerschen Laden eingestellt, als Vorbereitung für die Übernahme der Rössinger Filiale.

Hermann Raupach war gelernter Bäckermeister und Konditor und hatte in Schlesien schon seit 1930 eine Bäckerei mit Kolonialwarengeschäft betrieben. Er pachtete ab Januar 1950 den Moldenhauerschen Laden in Rössing. Die Familie mit inzwischen fünf Kindern bekam erst im Mai 1951 In Rössing Wohnraum durch Tausch zugewiesen, aber der Betrieb ließ sich sehr gut an.

Erneuter Wechsel

Inzwischen wuchsen die beiden Kinder von Frau Moldenhauer heran und der Sohn Peter machte eine kaufmännische Ausbildung mit der Absicht, das Geschäft in Rössing zu übernehmen.

1959 war es so weit. Familie Raupach hatte noch nicht mit so einem schnellen Wechsel gerechnet und davon war wohl auch bei Abschluss des Pachtvertrages nicht die Rede gewesen. Aber Raupachs hatten schon Pläne für den Neubau eines Hauses mit Laden in der Bahnhofstraße Nr.12, die nun schnellstens realisiert werden mussten. Noch im gleichen Jahr 1959 zog die Familie um und Hermann Raupach eröffnete dort selbst ein Lebensmittelgeschäft. Anfangs waren sie freie Händler, schlossen sich aber später der „Rewe-Gruppe“ an.

Viele Jahrzehnte versorgten er und seine Frau und später Tochter Renate Böger, geb. Raupach, die Bewohner vor allem in den ringsum entstandenen Neubaugebieten mit den Dingen des täglichen Bedarfs.

Aber die steigende Mobilität der Dorfbewohner änderte auch ihr Einkaufsverhalten. Die Supermärkte, die in den umliegenden größeren Orten allmählich entstanden, zogen viele Kunden ab. Als Renate Böger das Rentenalter erreicht hatte und kein Pächter zu finden war, gab sie das Geschäft am 30. April 2008 auf. Für die Rössinger war es ein herber Verlust. Denn Renate Bögers Laden war nicht nur ein Geschäft, in dem man seine Einkäufe tätigte, sondern auch ein sozialer Treffpunkt. Dort traf man seine Nachbarn, konnte mal ein paar Worte wechseln und Frau Böger hatte für jeden ein offenes Ohr und ein freundliches Wort.

Junge Leute am Ruder

Als Peter Moldenhauer am 14. März 1959 das Geschäft von seiner Mutter in der Kirchstraße übernahm, hatte er große Pläne gehabt. Fünf Monate dauerte der Umbau zu einem modernen Selbstbedienungsladen. Während dieser Zeit fand der Verkauf in der ersten Etage statt, bis am 20. August 1959 die Eröffnung des neuen Geschäftslokals erfolgte. Er führte den Laden etwa zwei Jahre. Aber dann entdeckte er, dass so ein Lebensmittelgeschäft auf dem Dorfe doch nicht sein Lebensziel wäre und er begann ein Studium.Frau Erika Moldenhauer führte nun zusammen mit Ingrid Schwick, einer Kusine, die schon seit 1954 bei ihr arbeitete und ihre „Rechte Hand“ im Geschäft war, den Nordstemmer und den Rössinger Laden bis etwa 1973 weiter.

Die Lichter gehen aus

Dann wollte sich Frau Moldenhauer zur Ruhe setzen und das Rössinger Geschäft wurde geschlossen. Die Geschäftsräume In Rössing ließen sich als Ladenlokal nicht wieder vermieten. Da schloss Frau Moldenhauer für die Räume einen fünfjährigen Mietvertrag mit der Gemeinde Nordstemmen ab, die darin einen Kinderspielkreis einrichten wollte. Aber diese Pläne zerschlugen sich, weil die erforderlichen Umbauarbeiten zu teuer geworden wären. Eine andere Nutzung ergab sich nicht, so blieben die Räume fünf Jahre ungenutzt und die Gemeinde mußte fünf Jahre die Miete dafür bezahlen.

Neuanfang

Erika Moldenhauer verkaufte nun das Haus Kirchstraße 10 in Rössing an Frau Ingrid Borsum, die dort im November 1978 einzog und am 1.März 1979 wieder ein Lebensmittelgeschäft eröffnete. Familie Borsum hatte das Grundstück daneben dazugekauft um den Laden zu vergrößern, und die Außenfront wurde neu gestaltet.

Wenn man so lange ein Geschäft hat, erlebt man auch allerlei. Ein treuer, wenn auch nicht unbedingt der Lieblingskunde, war Friedel Koch, Hofbesitzer und Sattler in der Kirchstraße Nr. 12. Viele Ältere unter Ihnen werden sich noch an ihn erinnern, und an seine häuslichen Verhältnisse und seine Viehhaltung. Er war nicht verheiratet und lebte allein. Er hielt sich immer gern lange im Laden bei Frau Borsum auf. Er suchte Gesellschaft, redete viel mit den anderen Kunden und wenn er dann endlich ging, mußte erste einmal die Türe weit aufgerissen und gelüftet werden, damit wieder frische Luft in die Räume kam.

Von 13 bis 15 Uhr war Mittagspause und der Laden geschlossen. Als Frau Borsum einmal das Geschäft um 15 Uhr wieder öffnen wollte, stand schon ein Mann mitten im Laden mit einer Bierflasche in der Hand, da hatte sie vergessen, die Tür abzuschließen. Aber es war ja gut ausgegangen.

Ein anderes Mal ging es nicht so glimpflich ab. Während der Urlaubszeit, als Familie Borsum verreist war, wurde eingebrochen. Aber die Täter hatten es nur auf die Zigaretten und Alkoholika abgesehen, alles andere hatten sie nicht angetastet. Aber der sonstige Sachschaden schlägt ja auch zu Buche.

20 Jahre lang hielt Frau Borsum die Stellung in ihrem Selbstbedienungsladen. Aber für die kleineren Lebensmittelmärkte wurde es immer schwieriger. Die großen Supermärkte mit ihrem „Rundum“-Angebot machten ihnen das Leben schwer.

Frau Borsum meldete das Geschäft nach 20 Jahren zum 31.Mai 1999 ab und verkaufte das Haus per 1. Juni 1999 an Frau Gudrun Akthar, die dort seitdem ein kleines Gemischtwarengeschäft betrieb. Wegen des umfangreichen Ausbaus der Kirchstraße 2008/9 war ihr Geschäft über ein Jahr lang praktisch nicht mit dem Auto und zu Fuß nur unter Schwierigkeiten zu erreichen. Es gelang ihr nicht, die Durststrecke zu überwinden und das Angebot war wohl auch nicht so das Richtige. Jedenfalls schloss sie das Geschäft am 31. Dezember 2011.

Ein neuer Dorfladen

Nun bemüht sich die Dorfgemeinschaft, in dem Hause Kirchstraße Nr. 10 einen „Dorf- Laden“ auf genossenschaftlicher Basis in Gang zu bringen, Rnah nicht nur anzuschieben, sondern sie auch am Laufen zu halten. Es ist schon sehr viel Arbeit geleistet. Aber auch in Zukunft ist freiwilliger Einsatz in der Geschäftsführung, beim Treugeber-Beirat und bei der Vertretung der Anteilseigner nötig, damit das Projekt auf Dauer den Erfolg hat, den wir uns alle wünschen.