Der gemeine Kasten

Helga Fredebold Rössing, den 01.01.2018

Schon zur Lutherzeit gab es den gemeinen Kasten, so wurde er genannt. Dabei wurde das Wort gemein nicht im Sinne von niederträchtig gebraucht wie heute, sondern es stand für allgemein, der Gemeinde- oder Allgemeinheit gehörig.

In diesem Kasten wurde das Geld für die Versorgung der Armen und Kranken in der Gemeinde gesammelt, denn es gab noch keine Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Jede Gemeinde musste für ihre Armen selbst aufkommen, für die Menschen, die alters- oder krankheitshalber nicht arbeiten konnten. Betteln in den Nachbargemeinden war verboten. Aber wo das Geld aufbewahren? Man hatte ja noch kein Bankschließfach. Als der sicherste Ort erschien die Kirche.

Diese Armenkästen hatten je nach Größe der Gemeinde drei oder vier Schlösser. Der Rössinger Armenkasten hatte drei. Der stabile hölzerne Kasten auf vier Beinen hat am Deckel zwei eiserne Riegel für Vorhangschlösser und vorn in der Mitte ein weiteres normales Schloß. Für jedes Schloß dieser Armenkästen gab es nur einen Schlüssel. Damit kein Unbefugter den Kasten öffnen und sich den Inhalt aneignen konnte, wurden sie an unterschiedlichen Orten aufbewahrt. Einen Schlüssel hatten die Altar- oder Altermänner, das war der Kirchenvorstand. Einen weiteren hatte der Gemeinderat und den dritten die Bauerschaft und nur gemeinschaftlich konnte man den Kasten öffnen und über das Geld verfügen.

Im Jahre 2016 wurde der Rössinger Armenkasten auf Kosten der Kirchenstiftung schön restauriert und der schäbig gewordene weiße Anstrich entfernt. Er steht nun wieder in unserer Kirche und wartet auf Spenden. Das Geld muß nicht mehr ausschließlich für das tägliche Brot unserer Alten und Kranken verwendet werden, sondern kann auch für andere Bedürftige und sonstige diakonische Projekte der Kirchengemeinde eingesetzt werden. Auf jeden Fall bleibt es in Rössing und wird nicht abgeführt wie das Geld aus dem Klingelbeutel, das für überörtliche Zwecke der Diakonie verwendet wird. Und drei Schlüssel brauchen wir auch nicht mehr.

Über das Alter unseres Armenstocks geben die Inventarbücher unserer Kirchengemeinde Auskunft.

In dem Inventarbuch von 1896 wird ein Armenstock ohne jede weitere Anmerkung aufgelistet. Dagegen findet sich im Inventarbuch von 1902 auf Seite 13 unter der Nummer 50 die Eintragung:”Ein Armenstock mit 2 Vorhangschlössern.” Daneben steht unter der Spalte Bemerkungen die Notiz: “alt, schon 1734 erwähnt.” Und das ist natürlich ein ganz wichtiger Hinweis. Denn dann ist der Armenkasten jetzt, im Jahre 2018, schon 284 Jahre alt, und damit schon 34 Jahre älter als unsere Kirche, die erst 1750 erbaut wurde. Das bedeutet, dass dieser Kasten bereits in dem alten Vorgängerbau unserer Peter- und Paulskirche Dienst getan hat und sicher 300 Jahre und wahrscheinlich noch viel älter ist.