Das Bierbraurecht in Rössing

Seit „ondencklichen“ Zeiten gilt herrschaftliches Bierbrau-Recht

Springer Jahrbuch, Helga Fredebold

Schon im 12. Jahrhundert fand das in Rössing hergestellte Bier in einer Hebeliste des Klosters Helmarshausen an der Diemel eine frühe schriftliche Erwähnung. Das Kloster Helmarshausen besaß in Rössing eine bedeutende Fronhofswirtschaft und wenn der Abt dreimal im Jahr nach Rössing kam, um die Abgaben einzusammeln, mußte er hier drei Tage mit 12 Knechten und ihren Pferden beherbergt und mit Met und Bier versorgt werden.

Bier spielte in der Ernährung, bevor man Tee und Kaffee oder Kaffeersatz kannte, eine viel wichtigere Rolle als heute. Und zwar weniger als Genußmittel, sondern als täglicher Durstlöscher neben Milch und Buttermilch, denn das Brunnenwasser war meist ungenießbar.

Durch Zufall würziges Bier

Die Qualität dieses Bieres war aber kaum mit der heutigen zu vergleichen. Im Museumsdorf Cloppenburg wird die Herstellung eines solchen einfachen Dünnbieres beschrieben:

In ein halb Meter hohes, nach oben verjüngtes Faß mit Spundloch über dem Boden werden 10 Pfund gesäuertes Schwarzbrot zu einem Viertel mit warmen und zu drei Viertel mit kaltem Wasser übergossen. Nachdem das Fass luftdicht verschlossen und der Aufguss zwei Tage gegärt hat, kann gezapft werden.

So oder ähnlich durfte auch hier die hochmittelalterliche Braukunst ausgesehen haben.

1516 erließ der Bayerische Landtag sein berühmtes Reinheitsgebot, dass außer Wasser, Hopfen und Gerste keine weiteren Zutaten zur Bierherstellung verwendet werden dürften.

Im Calenbergischen wurde der Ruf des Bieres erst besser, als Cord Broyhan 1526 in Hannover zum ersten Mal durch Zufall ein würziges Bier von guter Qualität herstellte, als er versuchte, ein Hamburgisches Bier nachzubrauen. Er war Brauknecht in Hamburg gewesen und sein Broyhan-Teiken (Zeichen) kennt jeder Hannoveraner.

Auch Ihnen ist der Hahn nicht neu, der Broyhan ist’s von Gildebräu.

1546 gründeten hannoversche Bürger die Gildebrauerei, in der bis zum Jahre 2002 der Broyhan gebraut wurde. Dann wurde das Unternehmen an den internationale Konzern InBev verkauft, und seitdem schwebt über der Zukunft dieses althannoverschen Traditionsbieres ein großes Fragezeichen.

Strenges Bier- und Schankrecht

Schon früh hatten die Landesfürsten die Brauhoheit an sich gezogen. Brau- und Schankrecht waren besondere Privilegien und wurden von den Welfenfürsten streng geregelt.

In einem fürstlichen Dekret von 1643, also unmittelbar, nachdem für die welfischen Lande der 30jährige Krieg durch den Separatfrieden von Goslar zu Ende gegangen war, wurde noch einmal darauf hingewiesen, dass „eigenmächtiges Bier- und Broyhanbrauen zu feilem Kauf auf den Doerffern“ verboten ist.

Es wird verwiesen auf den Gandersheimer Landtsagabschied von 1601, weil bei diesen „schnoeden und zerruetteten Kriegslaeuften, da fast alle gute Polizey und Ordnung aus der Acht gesetzet worden, das Winkelbrauen zu feilem Kauff haeufig eingerissen.“

Porst, ein schädliches Kraut

1710 wurde den Pächtern des Brauwesens bei strenger Strafe verboten, beim Anbrauen des Bieres „ein gewisses Kraut namens Post (auch Porst oder Rausch genannt) zuzusetzen, weil es dem Getränk eine ungemeine und schadhafte Stärke giebet.“

Wer als Brauknecht (ohne Wissen des Brauherren) diesem Verbote zuwider handelte, sollte mit ewiger Landesverweisung bestraft werden.

Wir, Georg Ludewig von Gottes Gnaden Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg / des Heiligen Römischen Reichs Ertz=Schatzmeister und Churfürstfügen hiermit zu wissen; Demnach Uns mißfälligst vorkommen, was gestalt hin und wieder in Unseren Landen bey Anbrauung des Biers ein gewisses Kraut / Post benahmt, von betrügerischen eigennützigen Leuten häuffig gebraucht werde, welches von der Eigenschaft seyn soll, daß es dem Geträncke eine ungemeine und schadhaffte Stärke gebe und auch diejenige, so nur in geringer Quantität davon genossen, schleunig berausche; Wir aber solchem Unwesen also länger nachzusehen und desto weniger gemeinet, als dadurch dem menschlichen Cörper leichte Ungelegenheit zugezogen, auch sonst allerhand Unfall und Böses verursachet werden kann. Als ordnen und wollen wir hiemit und in Krafft dieses, daß

I kein Brauer sich unternehmen solle, solches Kraut, oder wodurch sonst dem Bier eine ungewöhnliche Stärcke gegeben wird, unter einigerley Vorwandt zu kauffen,oder in seinem Hause finden zu lassen, bei fünffzig Thaler Straffe. Würde sich aber

II jemand gelüsten lassen, solches ins Bier zu geben , und er dessen über kurtz oder lang überführet werden, soll derselbe ohne eintziges Nachsehen, und etwan anzunehmende Entschuldigung, auf Zeit Lebens der Brau=Gerechtigkeit verlustig erkläret, auch überdem, wann dadurch jemand an seiner Gesundheit gelitten, ohnausbleiblich am Leibe gestraffet, und zu Ersetzung alles sonst dadurch erwachsenen Schadens angehalten werden. Sollte aber

III jemand sein Brauwesen oder Brau=Gerechtigkeit verpachtet haben, und es sich finden solte, daß es mit seinem Wissen und Genehmhaltung nicht geschehen, so hat obermedlte Straffe an ihn nicht statt, der Pächter aber soll nebst Privirung der habenden Pacht, und Ersetzung des etwan entstandenen Schadens, mit einer ansehnlichen Geldbusse, auch wohl dem Befinden nach Leibes=Straffe beleget, und auf Zeit=Lebens zu keinem Brauwerck wieder gelassen werden. Würde auch

IV ein Braumeister/Brauknecht, oder ander desBrauherrn domestique sich unterstehen, dergleichen ohne Wissen und Verlangen des Brauherrn vorzunehmen, soll derselbe mit ewiger Landes-Verweisung, diejenigen aber, welche sich durch Anreitzungen der Brauherren dazu verleiten lassen, mit zehn=tägiger Gefängnüße bestrafft werden. Und damit dieses desto besser zu jedermanns Wissenschaft kommen möge, soll es nicht allein gewöhnlicher Orten öffentlich angeschlagen und von den Cantzeln verlesen, sondern denen Brauern, Braumeistern, Brauknechten, auch andern, welche zum Brauen berechtigt, davon ein Exemplar zugestellt und bei allen und jeden Zusammenkünfften der Brauer deutlich und vernehmlich hergelesen werden. Befehlen demnach allen und jeden, welche in Unserm Nahmen zu gebieten und verbieten haben, daß sie sich darnach gebührend achten, deßfalls fleißige Auffsicht führen, und öffters visitiren lassen, auch gegen die Contravenienten ihres Ambts gebührend pflegen sollen. Uhrkundlich haben Wir dieses Eigenhändig unterschrieben und mit Unserm Churfürstl. Geheimbten Cantzley=Secret bedrucken lassen. ^

Hannover, den 20. Augusti 1710,

LS Georg Ludewig/ Churfürst

1723 wurde die Verordnung noch verschärft. Übeltäter sollen angezeigt werden und der Denunziant 20 Taler Belohnung erhalten. Sein Name soll verschwiegen, und der Täter mit Festungshaft betraft werden.

Das Erntebier

Zwar durfte auf den Kot- und Meierhöfen, soweit sie über 12 Morgen bewirtschafteten, zwischen dem 24. Juli und dem 25. August das Erntebier für die Leute gebraut werden, aber die Menge war genau vorgeschrieben. Nach einem fürstlichen Erlaß von 1713 durfte nicht mehr Bier als von einem halben Himpten Malz gebraut werden, die Menge pro Morgen war auf anderthalb Stübchen (1 Stübchen 3,89 Liter) begrenzt. Alle vier Monate sollten die Licentinspektoren auf den Höfen kontrollieren, ob nicht zu viel Bier gebraut wurde.

Alle, die berechtigt waren, ihr „Hausgetränk“ licentfrei zu brauen, wie Prediger, Schulbediente, Voigte oder Förster, sollten sich bei Strafe unterstehen, etwas davon zu verkaufen oder anstatt Bezahlung für Handwerkerrechnungen oder Spinn- und Arbeitslohn abzugeben. Das „versellen“ (verkaufen) war allein den „Krügern“ vorbehalten.

Das Nebeneinander zweier Herrschaftsbereiche im Dorfe prägte nicht nur seine Geschichte, sondern war auch die Ursache für die Existenz zweier Krüge in Rössing.

Da war auf der einen Seite das Gut der Herren von Rössing, die gleichzeitig Grundherr, Leibherr und Gerichtsherr ihrer Gutsuntertanen in einer Person waren, eine Konstellation, die heute von jedem Gericht als Befangenheit abgelehnt würde. Sie waren seit „ohndencklichen“ Zeiten mit dem herrschaftlichen Privileg des Braurechts, des „Jus braxandi“ ausgestattet, was ihnen 1676 noch einmal ausdrücklich bestätigt wurde.

Der licentfreie „Adelige Krug“, wo das Bier gebraut wurde, befand sich nahe dem Schloß, an der Ecke „Unter den Eichen“, heute Kirchstraße 21 (früher Hausnr.97). Ein Gewölbekeller aus Bruchsteinen mit in die Wand eingelassener Lichtnische und einem schmalen Außenschacht liegt in der Mitte des Gebäudekomplexes und dürfte der älteste Bauteil des Kruges sein. Der gutseigene Hopfengarten am Jägerweg lieferte den notwendigen Hopfen und bis vor einigen Jahren soll man dort noch verwilderte Hopfenpflanzen gefunden haben. Als der „Adelige Krug“ 1981 seine Pforten für immer schloß, hieß er allerdings „Zum goldenen Löwen“ und war schon lange nicht mehr im Besitz der Herren von Rössing.

Blutige Schlägerei

Aber vorher war er Schauplatz mancher tragikomischen Geschichte. So ist es heute noch aktenkundig, dass 1648 des „Junkers Hofmeister, der in Junkers Kneipe gesessen und gesoffen hatte“ vom Calenberger Amtsvoigt „gefenglich“ weggeführt werden sollte, weil er dem Krüger von Jeinsen, der mit seinem Wagen und einem Pferd über des Junkers frisch gepflügtes Land gefahren war, um dem Calenbergischen Wegezoll zu entgehen, nach landesüblichem Brauch ein Pferd gepfändet hatte. Des Junkers Krüger mit dem bloßen Degen und sein Hofgesinde griffen ein und es gab eine blutige Schlägerei, die vor dem fürstlichen Hofgericht noch ein Nachspiel hatte, denn die Angelegenheiten der Adelligen Herren wurden vor dem Hofgericht verhandelt und nicht vor dem Amtsgericht wie bei dem Normalbürger.

Im Jahr 1767 vergab A.F. von Rössing „wegen des hiesigen geringen Brauwesens

seine Braurechte gegen Zahlung von zwei Louisdor (zehn Reichstalern) jährlich an die Calenbergische Amtsbrauerei. Der „Adelige freie Krug“ wurde an Erich Garben verpachtet, der jährlich zwei Reichstaler Erbenzins dafür zahlte.

In der napoleonischen Zeit wurde unter anderem auch die Patrimonialgerichtsbarkeit der Herren von Rössing aufgehoben. Aber bei der nachfolgenden Restitution wurde ihnen 1848 die niedere Polizeigewalt wieder übertragen. Wohl um Gewissenskonflikte zu vermeiden, holte man sich für dieses Amt einen Ortsfremden von weither aus dem Emsland. Zu seinen Aufgaben gehörte vor allem:

das Aufsichtführen im Kruge und im Holze, auf Sittlichkeit und gute Ordnung ein wachsames Auge richten und vor allem im Adeligen Wirtskruge nachsehen, dass kein schlechtes Gesindel aufgenommen und beherbergt werde. Verdächtige ohne Pass sind zu arretieren und keine verbotenen Spiele zu dulden. Nach 10 Uhr abends sind keine Gesellschaften im Kruge oder sonst polizeiwidrige Zusammenkünfte zu gestatten. Beim Krüger sind Masse und Gewicht der Krugnahrung zu kontrollieren und ob die diesbezüglichen Polizeigesetze befolgt werden.

Offenbar war abends um 22 Uhr bereits Polizeistunde.

Gesellschaftlicher Wandel und dörfliche Vergnügen

Zum Kruge gehörte eine kleine Landwirtschaft etwa in der Größe einer Köthnerstelle, (ca. 20 Morgen), dazu Stall und Scheune. Im nördlichen Teil wurde ein Saal angebaut, in dem man bei Renovierungsarbeiten die Jahreszahl 1854 entdeckte. Nun gab es auch Tanzvergnügen dort und hier fanden die Gemeinderatssitzungen statt, später im Wechsel mit dem andern Dorfkrug „Rodewald“.

Der Krug hieß nun Brandscher und dann Kreipescher Krug. Von 1880 bis 1971 befand sich das Gasthaus im Besitz der Familie Haller und ihrer Nachfahren, die dort außerdem einen Getreidehandel betrieben. Über dem Saal war der Kornboden, was man noch an der Aufzuggaube erkennen kann.

Nach der Heirat einer Haller-Tochter im Jahr 1913 betrieb das Ehepaar Haller-Caspaul die Gaststätte gemeinsam, und in den 1930er Jahren wurde sie verpachtet. Der Pächter Heise war Mitglied der SA und in der NS-Zeit wurde sie Stammlokal der SA. Darauf folgte der Pächter Willenbrink, und als 1951 die Familie Georg Hübner aus Löwenberg in Schlesien den Betrieb pachtete, gehörten auch Fremdenzimmer und eine Kegelbahn dazu. Das Gasthaus hieß nun „Zum goldenen Löwen“. Außer Kegeln, Tanz und sonstigen Vergnügen fand dort auch Turnunterricht für die Kinder statt.

1971 konnten Hübners den Betrieb kaufen, aber schon 10 Jahre später starb Georg Hübner und seine Witwe veräußerte das Grundstück mit den Gebäuden. Seit 1981 ist es nur noch Wohnhaus und im Besitz von Dr. Gerhart Unterberger.

Der zweite Dorfkrug

Da Rössing neben dem Adeligen Gut eine zweite Verwaltungseinheit hatte, nämlich die calenbergische Vogtei Rössing, war es folgerichtig, daß es auch einen zweiten Dorfkrug gab. Dieser mußte sein Bier von der herrschaftlichen Amtsbrauerei beziehen und war einer der 20 Zwangskrüge im Amt Calenberg.

Von 1768 bis 1802 hatte der Köthner Hans Heinrich Blume, Rössing Nr. 15, jetzt Lange Straße 7, die „Krugnahrung“ vom Amte Calenberg gepachtet, was alle vier Jahre meistbietend erfolgte. Als im Jahre 1802 der 24jährige Sohn Johannes Heinrich Julius Blume in Vertretung seines todkranken Vaters zur Versteigerung erschien, ließ er sich in seiner jugendlichen Unerfahrenheit auf 48 Reichsth. hochtreiben. Als nach einem halben Jahr der Vater starb, bat er in einem flehentlichen Brief den Amtmann um Reduzierung des Pachtgeldes auf 20 Rthl. jährlich, wie sie der Vater zuletzt bezahlt hatte.

Der Krug in Jeinsen bezahle nur 18 Rthl. und habe doch viel mehr Passage durch reisende Gäste, was er nicht zu erwarten habe. Sein Vater habe sein bescheidenes Vermögen auch nicht im Kruge, sondern als Alleininhaber des Garn- und Hokenhandels verdient und sei zudem durch einen Banquerotteur in Hildesheim darum betrogen worden.

Aber das Amt wollte die Pacht nicht senken, sondern ihn allenfalls nach einem Jahr aus dem Vertrag entlassen. Doch weil der junge Mann nicht wußte, wie er sonst seine unmündigen Geschwister versorgen sollte, und das Haus mit allem Inventar zur Wirtschaft eingerichtet war, führte er den Krug weiter, ging dabei in Konkurs und verkaufte Haus und Grundstück an Schlachter Schreyer in Jeinsen. 1806 ging dann beides in den Besitz des jüdischen Kaufmanns Nathan Schay-Neuberg aus Sarstedt über, der den Hokenhandel von Vater Blume weiter führte.

Wechselnde Pächter

Die Kruggerechtigkeit im Dorf wechselte nun ständig. Seit 1806 mußte der Köthner Conrad Köhler 60 Rthl. Pacht zahlen. Nach seinem Tode bewarb sich der Köthner Heinrich Blume (Haus Nr. 46) darum und 1816 war Conrad Brandes Krugpächter. Eingaben wegen zu hoher Pachtsummen schmetterte das Amt einfach ab und warf den Pächtern „schlechte Wirtschaft“ oder „Liebe zum Trunke“ vor. Dazu muß gesagt werden, dass die französische Besatzung hohe Kontributionen verlangte und das Dorf durch den großen Brand von 1808, der das halbe Dorf in Schutt und Asche legte, zusätzlich verarmt war. So lag das Krugwesen ziemlich darnieder.

Als um 1860 der Rodewald-Dettmersche Hof, die Doppelköthnerstelle 39/40 neu gebaut wurde, pachtete die Familie für die mehrjährige Bauzeit das gegenüberliegende

Haus Nr. 37, das die Kruggerechtigkeit innehatte. Beim Umzug in den Neubau wurde die Konzession mitgenommen und die Familie Rodewald betrieb neben ihrer Landwirtschaft über 100 Jahre eine renommierte Gastwirtschaft, die 1898 durch einen großen Festsaal erweitert wurde. Dort verkehrten hauptsächlich die Bauern und Handwerksmeister und viele große Hochzeiten fanden dort statt. Eine Kegelbahn war ein weiterer Anziehungspunkt.

Ab 1. Januar 1965 war die Gaststätte an Annie und Wilhelm Biermann verpachtet, bis sie 1979 geschlossen wurde. Damit ging wieder ein Stück Rössinger Tradition zu Ende.

Inzwischen hatte sich in der Langen Straße 22 noch eine Gaststätte etabliert, der eine Postagentur angegliedert war. Sie wurde von Familie Reitzig betrieben und war das Vereinslokal des 1897 gegründeten Sportvereins. Aber als Rodewald seinen Saal gebaut hatte, der auch als Turnhalle benutzt wurde, zogen die Sportler nach dorthin um.

Das Haus Reitzig wurde 1909 an Bäckermeister Hermann Dollenberg verkauft, der neben seiner Bäckerei Gaststätte und Post bis zum ersten Weltkrieg weiter betrieb. Damals hatte sie als Attraktion sogar ein Billardzimmer. 1914 verkaufte er die Konzession für (für 8.500 Mark) und das Inventar (für 2.250 Mark) an den Posthalter und Kohlenhändler Gustav Ehlers im Haus gegenüber, der beides weiterführte, als er aus dem Kriege heimkehrte, den er als Soldat der Kaiserlichen Schutztruppe in Deutsch-Südwest-Afrika (heute Namibia) erlebte.

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Moderne Zeiten

Die Eheleute Ehlers starben 1953/54 und hinterließen einen Sohn Siegfried, der noch nicht volljährig war. Aber er wurde vom Gericht 1955 mit knapp 20 Jahren für mündig erklärt und konnte das Gasthaus, in dem er drei Gastzimmer einrichtete, und den Kohlen- und Brennstoffhandel seiner Eltern weiterführen.

Aber mit der zunehmenden Qualität des Flaschenbieres und dem Aufkommen des Fernsehens brachen schlechte Zeiten für die Wirtshäuser an. Zunächst hatten sie noch Zulauf, wenn sie einen Fernseher hatten und die Leute dort Sport- oder Unterhaltungsprogramme ansehen konnten. Aber als jeder selbst sein Heimkino hatte, reduzierte sich die Zahl der Lokale, und 1963 schloß Siegfried Ehlers seine Gaststätte.

Gastwirtschaft Barsch

Bis 1983 gab es noch eine alte Dorfkneipe in der Maschstraße 35, wo vorwiegend der Mittelstand verkehrte. Der Wirt war Robert Barsch, der gerne mal mit seinen Gästen Skat spielte.

Bis in die 1930er Jahre war hier für die männlichen Mitglieder der jüdischen Schlachtersfamilie Blumenthal von gegenüber, ebenso sozialer Treffpunkt wie für den Rest der Einwohner des Dorfes. So schreibt Werner Blumenthal in seiner Familienchronik (2003), wo er von den Ferienbesuchen bei seinen Großeltern und deren erwachsenen Söhnen in Rössing berichtet. Diese Großeltern Moritz (1858 – 1930) und Sophie Blumenthal (1866 – 1930) sind die letzten, die auf dem jüdischen Friedhof noch friedlich beerdigt sind.

Zu Beginn der 1970er Jahre übernahm Familie Beelte für einige Jahre die Gaststätte Barsch, bis sie sich 1974 mit einem neuen Restaurant und Kegelbahn in der Straße „Zum Klay“ selbstständig machte. Danach wechselten die Pächter kurzzeitig, einer davon hieß Meyer, ein anderer war Jochen Hacke, ein junger Mann. Es kann sein, daß es noch ein anderer Pächter versuchte, oder daß die Räume zwischenzeitlich als Wohnräume genutzt wurden. Jedenfalls eröffnete Dr. med. Uwe Gronau, Facharzt für Allgemeinmedizin, nach einem großen Umbau am 1. Juli 1983 in den Räumen der ehemaligen Gaststätte Barsch seine Praxis. Dort hatte sie bis 1992 ihr Domizil, bis Dr. Gronau sie in sein neu erbautes Haus in der Clausstraße Nr. 2 verlegte.

Doch mit des Geschickes Mächten…

Ecke Kirch- und Maschstraße (heute Konstantki) existierte nach dem Kriege eine Kneipe, die Stefan Sambolski und danach Christel Moses mit ihrem Mann bewirtschafteten. Aber wie lange sie dort schon bestand, als Ruth und Kurt Gebhardt sie im Jahre 1968 pachteten, war nicht zu ermitteln. Im Herbst 1971 brannte das Lokal ab, ein Schwelbrand hatte ein Feuer entfacht und vernichtete die Gaststätte.

Das Ehepaar Gebhardt baute daraufhin in seinem Wohnhaus Maschstraße 21 die unteren Räume zu einer Gastwirtschaft um und eröffnete sie im Sommer 1972. Nach 11 Jahren verpachteten sie diese an einen Herrn Jennett, der aber schon drei Jahre später verstarb. Von 1983 bis 1986 übernahm sie Herr Prambucka als Pächter und von April bis Oktober 1987 führten Ruth Gebhardt und ihre Tochter Julia noch einmal Regie, aber dann schloß das Lokal seine Pforten. Die Räume wurden umgebaut und das Haus dient seitdem nur noch Wohnzwecken.

Die Danziger Stuben

Familie Beelte baute 1974 an der Straße „Zum Klay“ eine neue Gaststätte mit Kegelbahn und einem Saal. Viele Familienfeste, Vereinsversammlungen und -feiern und der obligatorische Trauerkaffee nach der Beerdigung fanden dort statt. Beeltes bauten Duschen für die Sportler des nahen Sportplatzes ein, die anschließend ihren Durst im Lokal löschten. Aber als die Sportler ein eigenes Sportheim bauten, wurden die Duschen nicht mehr gebraucht.

1989 wurde Frau Beelte sehr krank und mußte aufgeben. Beeltes verkauften alles an ihren Bierlieferanten Sauk in Harsum, und von diesem pachtete Familie Eberhard Asche-Jost aus Hannover die Gaststätte für fünf Jahre. Aber die Glanzzeit war vorüber. Das Dorfgemeinschaftshaus in der alten Schule zog viele Veranstaltungen an sich, die früher in der „Kneipe“ stattfanden. Die ständig verschärften Alkoholverbote taten das Ihre.

Doch dann kaufte Familie Ludwig die Gaststätte mit Wohnhaus und Kegelbahn und führte sie15 Jahre, vom Januar 1995 bis 2010. Herr Ludwig stammte aus Danzig und so nannten sie die Gaststätte in Erinnerung an ihre alte Heimat „Danziger Stuben.“ Das war eine gute Idee, so mancher Passant stutzte, hielt an, weil er an seine Heimat erinnert wurde und kehrte ein. Frau Jadwiga, Wirtin aus Passion, und eine gute Küche taten das Ihre, alles lief gut.

Vorher hatten Ludwigs eine Gaststätte in Himmelsthür betrieben- und das Leben eines Wirtes ist anstrengend. Aus gesundheitlichen Gründen schlossen sie den Betrieb zum 1. Januar 2010, obwohl Frau Jadwiga vielleicht ganz gerne noch ein bißchen weiter gemacht hätte, weil ihr der Beruf Spaß machte und sie gerne Menschen um sich hat.

Olav Büsing pachtete die Gaststätte und taufte die „Danziger Stuben“ um in „Olavs Büro“.

Aber das war nur eine Episode, er blieb nicht einmal zwei Jahre.

Am 1.12.2011 pachtete Heiko Hecht von „Alt Rössing“ die ehemaligen „Danziger Stuben“ von Familie Ludwig für größere Veranstaltungen und die Kegelrunden. Auch er hat nach kurzer Zeit wieder geschlossen. Nun befindet sich ein Autohändler in der umgebauten Räumlichkeiten.

Die Turnhallen-Gaststätte „Zum Dorfbrunnen“

Als sich 1978 der Herzenswunsch der Turner erfüllte und die Turnhalle gebaut wurde, gehörte natürlich auch eine Vereinsgaststätte dazu.

Die erste Pächterin war Annie Biermann mit ihrem Mann Wilhelm. Nachdem Rodewald geschlossen hatte, übernahmen sie vom 1.1.1978 bis 1.3.1980 die Gastronomie.

Danach folgte Gisela Gebhardt bis 1985 und dann Ehepaar Hannke bis zum Februar 1991.

Seitdem hat die Familie Tietke die Bewirtschaftung übernommen. Das Lokal hat inzwischen auch einen Namen bekommen. Da es auf dem Gelände eines alten Fischteiches steht.

Im „Dorfbrunnen“ versorgt Familie Tietke die Rössinger nach ihrem Sport mit Speis und Trank. Auch der neugegründete Tennisverein, der direkt daneben liegt und 1989 seinen Spielbetrieb aufnahm, profitiert davon.

Die junge Generation hat 2011 die Arbeit übernommen und Kerstin Tietke führte den Betrieb. Heute ist er nun noch das Sportheim der VSV Rössing und Übungsort der Darts Spieler. Man kann den Raum zur Selbstbewirtung für Feierlichkeiten mieten.

Das „Rössinger Bierstübchen“ und „Alt Rössing“, heute das Akkurat Hair Beauty & Café

In der Friedrichstraße Nr. 8 war viele Jahrzehnte die Schlachterei Küke ein Begriff.

Als 1982 der Junior Werner Küke den Betrieb übernahm, gehörten auch schon andere Lebensmittel als Fleischwaren zum Sortiment. Aber das Aufkommen der Supermärkte schreckte ab. Die jungen Leute entschlossen sich zu einem radikalen Umdenken und bauten die Räumlichkeiten zum „Rössinger Bierstübchen“ um.

1987 wurde Annie Biermann die erste Pächterin, vielen noch aus ihrer Zeit in der Rodewaldschen und der Turnhallen-Gaststätte bekannt. Sie hielt 11 Jahre durch, bis zum 31.12.1998.

Danach kam Gisela Gebhardt für sechs Jahre. Markus Roland, ihr Nachfolger, verpaßte dem „Bierstübchen“ einen neuen Namen, er nannte es „Alt Rössing“. Aber trotzdem faßte er nicht richtig Fuß.

Nach vier Jahren, am 18.Februar 2008, übernahm Heiko Hecht „Alt Rössing“. Dieser zog 2023 in neue Räumlichkeiten auf das Rittergut 1 in den alten Pferdestall, dieser wurde im Jahr 2022 aufwendig von Louis von Rössing saniert und renoviert.

Quellen: Helfrich Bernhard Wenck, Hessische Landesgeschichte Bd.2, UB, Heberolle u. Gefälle des

Klosters Helmarshausen, Frankf.Leipzig 1789

NHSA Hann.74 Cal Nr. 291, 294, 730, 731, 739, 1120.

Der gemeine Kasten

Helga Fredebold Rössing, den 01.01.2018

Schon zur Lutherzeit gab es den gemeinen Kasten, so wurde er genannt. Dabei wurde das Wort gemein nicht im Sinne von niederträchtig gebraucht wie heute, sondern es stand für allgemein, der Gemeinde- oder Allgemeinheit gehörig.

In diesem Kasten wurde das Geld für die Versorgung der Armen und Kranken in der Gemeinde gesammelt, denn es gab noch keine Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Jede Gemeinde musste für ihre Armen selbst aufkommen, für die Menschen, die alters- oder krankheitshalber nicht arbeiten konnten. Betteln in den Nachbargemeinden war verboten. Aber wo das Geld aufbewahren? Man hatte ja noch kein Bankschließfach. Als der sicherste Ort erschien die Kirche.

Diese Armenkästen hatten je nach Größe der Gemeinde drei oder vier Schlösser. Der Rössinger Armenkasten hatte drei. Der stabile hölzerne Kasten auf vier Beinen hat am Deckel zwei eiserne Riegel für Vorhangschlösser und vorn in der Mitte ein weiteres normales Schloß. Für jedes Schloß dieser Armenkästen gab es nur einen Schlüssel. Damit kein Unbefugter den Kasten öffnen und sich den Inhalt aneignen konnte, wurden sie an unterschiedlichen Orten aufbewahrt. Einen Schlüssel hatten die Altar- oder Altermänner, das war der Kirchenvorstand. Einen weiteren hatte der Gemeinderat und den dritten die Bauerschaft und nur gemeinschaftlich konnte man den Kasten öffnen und über das Geld verfügen.

Im Jahre 2016 wurde der Rössinger Armenkasten auf Kosten der Kirchenstiftung schön restauriert und der schäbig gewordene weiße Anstrich entfernt. Er steht nun wieder in unserer Kirche und wartet auf Spenden. Das Geld muß nicht mehr ausschließlich für das tägliche Brot unserer Alten und Kranken verwendet werden, sondern kann auch für andere Bedürftige und sonstige diakonische Projekte der Kirchengemeinde eingesetzt werden. Auf jeden Fall bleibt es in Rössing und wird nicht abgeführt wie das Geld aus dem Klingelbeutel, das für überörtliche Zwecke der Diakonie verwendet wird. Und drei Schlüssel brauchen wir auch nicht mehr.

Über das Alter unseres Armenstocks geben die Inventarbücher unserer Kirchengemeinde Auskunft.

In dem Inventarbuch von 1896 wird ein Armenstock ohne jede weitere Anmerkung aufgelistet. Dagegen findet sich im Inventarbuch von 1902 auf Seite 13 unter der Nummer 50 die Eintragung:”Ein Armenstock mit 2 Vorhangschlössern.” Daneben steht unter der Spalte Bemerkungen die Notiz: “alt, schon 1734 erwähnt.” Und das ist natürlich ein ganz wichtiger Hinweis. Denn dann ist der Armenkasten jetzt, im Jahre 2018, schon 284 Jahre alt, und damit schon 34 Jahre älter als unsere Kirche, die erst 1750 erbaut wurde. Das bedeutet, dass dieser Kasten bereits in dem alten Vorgängerbau unserer Peter- und Paulskirche Dienst getan hat und sicher 300 Jahre und wahrscheinlich noch viel älter ist.

Kirche St. Peter und Paul

St. Peter und Paul Kirche Rössing

Die Rössinger Kirche St. Peter und Paul

Helga Fredebold

Die Schutzheiligen der Rössinger Kirche sind St. Peter und Paul. Kirchen mit diesen Heiligennamen sind in der Regel sehr alt. Auch diese wurde nach Überlieferung schon zwischen 1282 und 1297 von den Herren von Rössing gestiftet. Sie wurde erbaut auf ihrem eigenen Grund und Boden, (nach anderen Quellen auf allerdings auf bischöflichem Lehnsbesitz) und der erste Kirchenbau war wahrscheinlich eine aus Holz gebaute Kapelle. Rösssing gehörte damals zum Kirchensprengel Hildesheim.

Die Herren von Rössing waren ein Rittergeschlecht und die Familie ist auch heute noch in Rössing ansässig.. Es ist eine große Seltenheit, dass nach fast 1000 Jahren eine alte Adelsfamilie noch im Besitz ihres Stammgutes ist, nach dem sie sich nennt und das sie auch heute noch bewohnt.

Von jeher hatten die Herren von Rössing das Kirchenpatronat inne, und damit waren sie zur Unterstützung der Kirche verpflichtet. Sie hatten großen Einfluß, entsprechend der Stellung, die sie als adelige Grund- und Lehnsherren früher im Dorfleben hatten. Unter anderem unterstand ihnen die Auswahl der Pastoren und auch der Lehrer. Denn die ersten Schulen auf dem Lande, die nach der Reformation entstanden, wurden von der Kirche unterhalten und die ersten Lehrer waren die Küster, die neben ihrem kirchlichen Dienst den Schuldienst versahen.

1543 führte Herzogin Elisabeth von Calenberg die Reformation in Rössing ein

Seit dem Ende der Hildesheimer Stiftsfehde 1523 gehörte Rössing nicht mehr zum Fürstbistum Hildesheim sondern stand unter welfischer Landeshoheit. Elisabeth von Calenberg war die Witwe von Herzog Erich I von Calenberg und führte die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Erich II und war sehr dem Protestantismus zugeneigt. Anläßlich einer Kirchenvisitation führte sie 1543 in Rössing die Reformation ein. Rössing verblieb auch nach der Restitution des Stiftes 1643 beim Fürstentum Calenberg und wurde auch nie rekatholisiert. Erst bei der großen Gebietsreform 1974, nach 450 Jahren, kam Rössing in den Landkreis Hildesheim zurück.. .

Seit der Kirchenkreisreform 1999 gehört Rössing nicht mehr zum Kirchenkreis Laatzen- Pattensen, sondern wurde dem neu entstandenen Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt zugeordnet.

Der Turm

Der älteste Teil der heutigen Kirche ist der spätgotische Turm. Seine doppelwandigen Bruchsteinmauern sind mit Schutt gefüllt und in der Südostecke des quadratischen Turms ist eine steinerne Wendeltreppe eingebaut. Demnach müsste er im 14. Jahrhundert entstanden sein. Das große Fenster war ursprünglich nicht im Turm vorhanden, sondern wurde erst später hineingebrochen und die schmalen, rechteckigen Fensteröffnungen sind keine Schalllöcher sondern Lichtschlitze. Er ist mit Schiefer gedeckt und hat eine Grundfläche von 8×8 m. Die Turmspitze ziert ein goldener Knauf mit Kreuz.

Solche Türme dienten in den mittelalterlichen Fehden auch als Wehrturm, und wenn die Dörfer überfallen und abgebrannt wurden, suchten die Bauern darin Schutz vor den Feinden.

Um 1319 war zwischen dem Hildesheimer Bischof und den Welfenherzögen ein Vertrag ausgehandelt worden, dass Friedhof und Kirche der Bevölkerung in den zahlreichen Fehden unverletzlich sein sollten. Aber es wurde sich nicht lange daran gehalten. Schon in der Weihnachtsnacht des Jahres 1333 überfielen die Söldner des Rates der Stadt Hildesheim die flämischen Tuchweber, die vor den Nordseesturmfluten ihrer Heimat geflohen waren und sich in der Dammstadt vor Hildesheim angesiedelt hatten. Sie metzelten in der weihnachtlichen Kirche nicht nur die erwachsenen Gottesdienstbesucher nieder, sondern auch die Kinder und den Pfarrer und richteten im Gotteshaus ein entsetzliches Blutbad an. Es war der schwärzeste Tag der Hildesheimer Stadtgeschichte.

Auch Rössing wurde im Jahr 1486 niedergebrannt. Im sogenannten Bierkrieg hatte der Bischof in Hildesheim die Steuer für das Hildesheimer Bier erhöht, was die Stadt-Hildesheimer sehr erboste. Aus Rache am Bischof liess der Rat der Stadt von seinen Söldnern das dem Stift gehörige Dorf Rössing am 9. August 1486 niederbrennen. Ob allerdings der Rössinger Kirchturm bei dieser oder einer anderen Gelegenheit auch mal abgefackelt wurde, wissen wir nicht.

Das Kirchenschiff

Ursprünglich war das Kirchenschiff schmaler, wie ein alter Dachanschnitt an der Ostseite des Turms deutlich zeigte. Erst um das Jahr 2000 anläßlich einer Dachsanierung wurden die schwarzen Streifen am Turm beseitigt.

Im Jahre 1941 wurde im Selbstverlag von der Provinzialverwaltung Band 29 des Denkmalwerks das Buch „Die Kunstdenkmale der Provinz Hannover“ herausgegeben, in dem das Rössinger Kirchengebäude ausführlich beschrieben wird.

Demnach wurde dem Turm im 15. Jahrhundert, unter Einbeziehung alter Fundamente, ein neues Kirchenschiff vorgebaut, die Nordseite bündig mit dem Turm, die Südseite bedeutend herausgerückt. Als 1755 die Kirche vergrößert und zur Hallenkirche umgebaut wurde, wurden ihre Mauern um 60 cm erhöht. Sie wurde verlängert und ein Chor angebaut. Das lässt sich anhand der Fundamente und den unterschiedlichen Steinmetzzeichen nachweisen.

Einziger äußerer Schmuck der schlichten Bruchsteinkirche, die mit roten Ziegeln gedeckt ist, ist ein Wappenstein an ihrer Südwestecke. Er erinnert an die Brüder Lippold und Dietrich von Rössing.. Unter einem gotischen Helm trägt die Westseite das ältere Rosenwappen, während auf der Südseite der Hohenbüchener Löwe das Wappenschild ziert, den die Herren von Rössing noch heute in ihrem Wappen führen. Außerdem ist dort eine ganz einfache Sonnenuhr angebracht.

Die Krypta

Unter dem Chor befand sich eine Krypta. Während die Dorfbevölkerung auf dem Kirchhof begraben wurde, wurde die Stifterfamilie von Rössing in der Krypta beigesetzt. 1847 stürzte diese während eines Gottesdienstes ein und der ganze Altar mußte neu aufgebaut werden. Als der neue Friedhof um 1860 angelegt wurde, bekamen die Herren von Rössing einen eigenen Edelmannsfriedhof durch bereitstellung einer größeren Ackerfläche von Seiten des Gutes im Zuge des Flurbereinigungsververfahrens bei der großen Agrarreform Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals wurden die Hand- und Spanndienste der Bauern abgelöst und diese konnten endlich Eigentum an dem Land erwerben, das sie bewirtschafteten.

Die Priechen und der Innenausbau

Bei dem großen Umbau zur Hallenkirche 1755 erhielt die Kirche ihre heutige Form und Größe und wurde damit der wachsenden Bevölkerungszahl angepasst. Sie wurde mit einer hölzernen Inneneinrichtung im sogenannten Bauernbarock ausgestattet. Die Altarwand mit dem Kanzelaltar und dem fünfseitigen Schalldeckel ist typisch Barockstil. und nimmt die ganze Breite zwischen den Emporen ein. Bauernbarock heißt es darum, weil es einfacher und nicht mit so viel Schnitzwerk, Gold und bunten Farben versehen ist wie das höfische Barock. Der Chor war um eine Stufe erhöht.

Durch die Stützsäulen der Emporen hatte sich die dreiteilige Anordnung der Sitzbänke im Kirchenschiff ergeben Rechts und links unter den Emporen standen kurze, schmale Bänke. Die gleichen Bänke, nur länger, standen im Mittelschiff, durch einen Gang von den Seitenbänken getrennt. Es waren sehr schmale Kirchenbänke mit unbequemen, steilen Rückenlehnen. An der Rückseite hatten sie schräge Ablagen für die Gesangbücher. Einige dieser schmalen Originalbänke sind auch heute noch auf den seitlichen Emporen vorhanden.

Rechts und links von der Altarwand wurden auf den verbreiterten Emporen umbaute Kirchenstühle für den Patronatsherrren und die Gutsherrschaft eingebaut, die dadurch fast in Augenhöhe mit dem Pastor auf dem Kanzelaltar saßen. Sie wurden Priechen genannt und waren nach oben offene Kabinette mit flachbogigen Fensteröffnungen, die sogar noch rotsamtene Vorhänge hatten, die allerdings nie zugezogen waren. Sie sind durch eine extra Treppe hinter der Altarwand zu erreichen. Von dort führt eine Tür auf die sogenannte Gatze, das ist eine schmale, autofreie Gasse, die direkt in den Schlosspark führt und den Schlossbewohnern bequemen Zugang zur Kirche ermöglicht.

In die Wand der nördlichen Prieche ist ein 0,83 m hoher und 0,58 m breiter Epitaph für Eva Catharina von Rössing eingelassen. Sie war eine Tochter von Ludolph von Rössing und verstarb 1647 im Alter von wenigen Wochen. Außerdem befindet sich dort ein Bildnis der Madonna della Sedia nach Raffael, gestiftet aus dem Nachlaß des 1886 verstorbenen Schatzrates Alexander von Rössing.

Im Jahr 1907 erhielt die Kirche eine Zentralheizung modernster Bauart, sie kostete 2900 Mark. Allerdings trockneten dadurch die hölzernen Verbindungen etwas aus und einige Zeit später stürzte während eines Gottesdienstes der Pastor mit dem Kanzelkorb herunter, den man dann mit Eisenbändern sichern mußte, damit so etwas nicht wieder passierte.

Bei der Kirchenrenovierung von 1970 wurden an den Priechen die Oberteile der Kirchenstühle als nicht mehr zeitgemäß entfernt.

Die Orgel

Gegenüber der Altarwand ist die Orgelempore. Die erste Orgel hatte Friedrich von Rössing 1588 der Kirche gestiftet und war mehr eine Art Harmonium. Als 1755 der Ausbau des Kirchenschiffs zur Hallenkirche erfolgte, wurde eine Orgel ausgebaut und im Pfarrhaus zwischengelagert. Dann wurde sie in der neuen Kirche wieder eingebaut. Die jetzige Orgel auf der Westempore stammt aus dem Jahre 1875 und wurde von der Firma Furtwängler in Elze hergestellt. Sie wurde 1972 gründlich überholt und fast alle Pfeifen erneuert. Im Jahr 2002 erfolgte eine erneute Restaurierung. Der Klang und Zustand der restaurierten Orgel erntete höchstes Lob von Fachleuten. Der schöne Orgelprospekt, der Umbau, wurde immer erhalten.

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Die sonstige Ausstattung

Im Chor befindet sich ein massiver, ca. 1,10m hoher Taufständer, der 1777von der Familie Hanekopen gestiftet wurde und der heute noch bei jeder Taufe gebraucht wird.

Es sind silberne Geräte für die Abendmahlsfeier und Paramente in 5 liturgischen Farben vorhanden.

Im Jahr 1842 hatten Louis von Rössing und seine Ehefrau Levine von Dincklage anlässlich ihrer Silberhochzeit der Kirche zwei sehr schöne 16armige Kerzenleuchter aus Messing gestiftet. 2014 wurden sie restauriert und strahlen nun an Feiertagen wieder in festlichem Glanze. Ein weiterer, kleinerer Messingleuchter wurde bei der Restaurierung der Glocke im Turm wieder entdeckt und 2016 ebenfalls restauriert und im Turm aufgehängt.

1961 wurden der Kirche vier sehr schöne, schlichte, säulenförmige Kerzenleuchter aus goldglänzendem Messing von der Familie des Oberbaurates Rasch gestiftet, die als erste nach dem Kriege am bis dahin unbebauten Leinkamp ein Haus gebaut hatte. Jeder der vier Leuchter trägt eine Gravur. Die beiden kleineren Leuchter haben eine Höhe von 21 cm und tragen folgende Gravuren:

Dez. 1961 Heide Chr.Grinter, geb. Rasch

Dez. 1961 Christa Moser, geb. Rasch

Die größeren Leuchter sind 32,5 cm hoch

Dez. 1961 Elisabeth Rasch, geb. Fiesel

Dez.1961 Richard Rasch

Von 1974 bis 1997 war Elvira Finkeldey in Rössing als Pastorin tätig. Während dieser Zeit wurde für den Altartisch ein etwas moderner gestaltetes Altarbild angeschafft. Auf einem 59 cm hohen und 51cm breiten Kreuz aus wunderschönem Goldmosaik ist aus grau-weißem Mosaik ein segnender Christus mit ausgebreiteten Händen dargestellt. Das Ganze ruht auf einem 25 cm hohen Bronzeständer und ist ein wirklicher Schmuck für die schlichte kleine Kirche.

Damit wurde das hölzerne Altarkruzifix ersetzt, das von der Patronatsfamilie bei der Kirchenrenovierung von 1934 gleichzeitig mit den Fenstern gestiftet worden war.

2016 wurde von der „Kirchenstiftung“ der sogenannnte „Armenkasten“ restauriert. Der schäbige weiße Anstrich wurde entfernt und der Kasten aufgearbeitet. Die schwere Kastentruhe auf 4 Beinen, mit einem Schloß und 2 stabilen eisernen Riegeln versehen, nahm die Spenden für die Diakonie auf. und war schon im 19. Jahrhundert in der Gemeinde als Armenkasten in Gebrauch.

Zwei bleiverglaste Kirchenfenster

Im Jahr 1934 fand eine große Kirchenrenovierung statt. Das Ehepaar Louis Freiherr von Rössing und Irmgard von Stoltzenberg feierte in diesem Jahr Silberhochzeit und stiftete der Kirche die beiden großen Fenster. Sie reichen hinter den Priechen über zwei Stockwerke. Daher kann man sie leider nicht im Ganzen betrachten oder fotografieren. Gegen Zerstörung von außen mußten sie besonders geschützt werden.

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Inschriften und Darstellungen
Linkes Fenster

Anno 1934 die von Rössing/ patrones ecclesiae (Kirchenpatrone)

WAPPEN MIT DREI FÜNFBLÄTTERIGEN ROSEN WAPPEN MIT DEM GEKRÖNTEN LÖWEN.

2 Szenen aus der Bibel und Spruch:

Christi Geburt

Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Jesus Christus

Taufe Jesu

Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden.

Rechtes Fenster

Louis Freiherr von Rössing Irmgard von Stoltzenberg

Löwenwappen Wappen, gerüsteter Krieger mit Schild

TREU UND FEST

Heiliges Abendmahl

Das ist mein Blut, welches vergossen wird für viele zur Vergebung

Kreuzigung

Jesus Christus hat sich selbst gegeben für alle zur Erlösung

Anmerkung: Lippold von Rössing erheiratete im 14. Jahrhundert die Herrschaft Hohenbüchen bei Alfeld und übernahm den Hohenbüchenschen gekrönten Löwen in sein Wappen, das die Herren von Rössing noch heute führen. Um ihn rankt sich die Sage vom Räuber Lippold.

Die Kirchenglocken

Von dem dreistimmigen Geläut, das 1891 von der Firma Radler in Hildesheim für unsere Kirche gegossen wurde, mußten die beiden größeren Glocken im Zweiten Weltkrieg für Kriegszwecke abgeliefert werden. Die verbliebene Glocke trägt das Wappen des Kirchenpatrons von Rössing, der 500 Goldmark dafür gestiftet hatte. 1968 konnte aus Altbeständen eine andere Radlerglocke aus Bronze erworben werden.

Als dritte Glocke wurde 2014 eine alte Uhrschlagglocke restauriert. Sie stammte aus Rössing, und mußte ebenfalls 1942 abgeliefert werden. Aber sie überlebte den Krieg und wurde anhand einer Kennummer nach Rössing zurückgeführt. Nach Ansicht von Fachleuten wurde sie Mitte des 14. Jahrhunderts gegossen und dürfte damit ungefähr ebenso alt sein wie der Kirchturm, an dem sie früher draußen angebracht war.

Leider wurde eine historische Kostbarkeit unserer Kirche, eine Glocke von 1429, wohl in Unkenntnis ihres historischen Wertes, 1891 eingeschmolzen, weil sie beschädigt war. Sie trug als Glockenzier 4 kleinere Figuren, in Latein die Jahreszahl 1429 und eine Inschrift die besagte, dass diese Glocke gegossen wurde in den 8 Tagen vor oder nach dem 29. Juni 1429, dem Fest der Kirchenheiligen St. Peter und Paul, sie wurde also zu unserem Kirchweihtag gegossen.

Kirchenglocke Rössing

Feste Sitzplätze in der Kirche

Die Herren von Rössing hatten ihre Plätze in den Priechen auf der Emporen.

Die Bauern beanspruchten auch feste Sitzplätze mit Namensschildern in der Kirche, gesondert nach der Größe der Höfe. Die Vollmeier besaßen nach den Gütern die größten Höfe, mit etwa 100 Morgen, und die Halbmeierhöfe waren entsprechend kleiner. Sie saßen mit ihren Familien links vom Altar im Chor. Die Köthner und Halbköthner mit weniger als 30 Morgen saßen unten im mittleren Kirchenschiff. Sie hatten ebenfalls ihre festen Plätze mit Namensschildern und niemand anders durfte sich darauf setzen. Diese Plätze wurden sogar später noch beansprucht, lange nachdem die Schilder bei der Renovierung 1934 als nicht mehr zeitgemäß entfernt worden waren. Es geschah durchaus, daß Neubürger, die von den alten Gepflogenheiten nichts wußten und sich ahnungslos irgendwohin setzten, noch in den 1960er Jahren von diesen Plätzen vertrieben wurden.

Die Knechte des Adeligen Gutes und die Bauernknechte saßen gewohnheitsmäßig oben auf den seitlichen Emporen, auf der sogenannten Brügge, einen Fußbreit unterhalb der Priechen. Wenn die Kirche an den Festtagen wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten besonders voll war, gab es in den engen Gängen mit den schmalen Bänken zwischen den beiden Parteien oft Raufereien um die besten Plätze, die häufig draußen vor der Kirche als massive Schlägereien fortgesetzt wurden. Das führte manches Mal zu Gerichtsprozessen, von denen noch Protokolle in den Kirchenakten Zeugnis geben.

Kirchenrenovierungen

Neben der baulichen Instandhaltung wurden auch im Innern der Kirche in ziemlich regelmäßigen Abständen von etwa 30 Jahren Renovierungen mit den verschiedensten Farbgebungen durchgeführt.

Als 1934 eine Renovierung anstand, war noch das alte Kirchengestühl mit den schmalen Bänken vorhanden, das zwar sehr hübsch aussah, aber sehr unbequem war. Auf den Gesangbuchablagen an den Rückseiten der Sitzlehnen waren die 8,5 x 18 cm großen, weißgestrichenen Zinkblechschilder mit dem schwarzen Namenszug des Platzinhabers angebracht, die bei dieser Gelegenheit entfernt wurden.

Die hölzerne Inneneinrichtung wurde in milchgrün und grausilbernen Farbtönen gestrichen. An den mittleren Kassetten der Orgelempore wurden nach dem ersten Weltkrieg die Namen der gefallenen Soldaten auf Tafeln in Form eines Eisernen Kreuzes angebracht. Auch diese wurden restauriert. Die großen Bogendurchgänge rechts und links in der Altarwand waren durch Vorhänge verschlossen.

Als 1970 die Kirche wieder renoviert wurde, ersetzte man diese Vorhänge durch Türen. An den Gutspriechen wurden die Oberteile mit den Fenstern als nicht mehr zeitgemäß entfernt. Der Fußboden wurde mit roten Platten versehen und ein neues, bequemeres Gestühl angeschafft. An Feiertagen wird es durch hinzugestellte Stühle aufgestockt. Die grüne Farbe wurde durch die ursprünglichen Barockfarben Gelb und Weiß ersetzt. Das unbedingt dazugehörige Gold wurde dann allerdings aus Sparsamkeit nur sehr spärlich verwendet. Aber die Altarwand sah sehr viel besser aus als früher und die ganze Kirche gewann.durch die neue Farbgebung.

1959 waren auch die Namen der im 2. Weltkrieg gefallenen Männer in den Kassetten der Empore in gleicher Weise angebracht wie die von 1914-1918. Aber bei der Renovierung 1970 wurden sämtliche Tafeln entfernt. Doch man hat sie nicht zerstört, sondern aufgehoben und vor einiger Zeit im Turm, etwas versteckt, wieder aufgehängt.

Im Jahr 2000 erfolgte die letzte Renovierung. Sie hielt sich an die Farben der letzten Renovierung, ein gebrochenes Weiß-Gelb. Es wurde Blattgold verwendet und es fiel diesmal etwas reichlicher aus

und die Kirche erhielt ein wunderschönes helles, freundliches Aussehen.

Alte Grabsteine

Eine in der Wand der Sakristei eingelassene Sandsteinplatte ist die Grabplatte des von 1629 bis 1656 in Rössing amtierenden Pastors Johannes von Gehrden. Sie ist 3 m hoch und 1 m breit. Neben enem Abbild des Pastors zeigt sie eine fortlaufende Umschrift in lateinischer Sprache:

Annos/pastor vichantissim.nat

Est hannovera XVI apr. Anno 1597 denat

XXVDII Sept. anno 1654

Vic.reverend.ciarissim et

doctissim. m johannes a gehrden

ecclesiae. hujus. per XXIX ferme /

Im Mittelfeld steht: UND MEINER SÜND NICHT MEHR GEDENK

AUS GNADEN MIR DAS LEBEN SCHENK

Die Inschrift auf dem Grabstein direkt an der Außenwand der Kirche rechts neben dem Kirchturm lautet.

Der ehr v. (und) arbeitsamer Jung
Geselle Hans Heinrich Schuwardt
…anno 1679 den 22. September
in diese Welt geboren
und 1771 d. 1. Sep. in Gott
selig entschlafen /seines
Alters 22 Jahre
weniger 3 Wochen

Dieser Grabstein ist auf der Rückseite ebenfalls beschriftet. Aber da er direkt an der Wand aufgestellt wurde, konnte die Schrift nicht entziffert werden.

Im Jahr 2012 wurde ein weiterer alter Grabstein an der Kirche aufgestellt, der als Bodenplatte im Garten des Othmerschen Schmiedegrundstückes, Jägerweg 1 gelegen hatte. Nach dem Verkauf des Hauses wurde er an die Kirche umgesetzt. Er hat auf beiden Seiten einen sehr umfangreichen Text.

ALHIER RUHET DER EHRBAR UND WOL-

GEACHTER M. HEINRICH SCHUWARDT

IST AO 1653 DEN 22. MARTY AUF DIESE

WELT GEBOHREN: SEINE EHE FRAU IST

GEWESEN ANNA MARIA BARTELS

SELBIGE PERSONEN HABEN IN DEM H: (heiligen)

EHESTANDE GELEBET 28 JAHR WENI-

GER 8 WOCHEN UND MITEINANDER

GEZEUGET 7 KINDER – ALS 4 SÖHNE

UND 3 DOCHTER DAVON SIND —SÖHNE

UND 2 DOCHTER BEY GOTT DEM HERREN

AO 1704 DEN 8 FEBRUAR GESTORBEN

GOTT…………ENTSCHLAFFEN SEINES

ALTERS 51 JAHR WENIGER 1WOCHEN

Auf der vollbeschriebenen Rückseite dieses Grabsteins sind folgende Bibelsprüche aus dem Neuen Testament eingemeißelt:

LEICH TEXT

2 TIM 4 V 7.8

ALLEIN, SONDERN AUCH ALLEN

DIE SEINE ERSCHEINUNG

LIEB HABEN

AM BUCH DER WEISHEIT AM 4.CAP.7

ABER DER GERECHTE OB ER

GLEICH ZU ZEIITLICH STIRBT

IST ER DENNOCH

IN DER RUHE

PHILIPPI

CHRISTUS IST MEIN LEBEN

ABER STERBEN IST MEIN GEWINN

(Die Epistel Paulus an die Philipper Cap.1 Vers 24)

ICH HABE EINEN GUTEN KAMPF GEKÄMPFT

ICH HABE DEN LAUF VOLLENDET,

ICH HABE GLAUBEN GEHALTEN

  1. 9.2.5. 1.TIM.6.12.

+ PHIL. 3,14.

HINFORT IST MIR BEIGELEGT DIE

KRONE DER GERECHTIGKEIT;

WELCHE MIR DER HERR AN JENEM

TAGE, DER GERECHTE RICHTER

GEBEN WIRD, NICHT ABER MIR

Rund um den Kirchturm, alte Rössinger erzählen

Ostern war früher, viel mehr als heute, ein besonders wichtiger Termin für die Jugendlichen. Gleichzeitig erfolgten die Konfirmation, die Schulentlassung und der Eintritt ins Berufsleben mit dem Beginn der Lehre. Die Konfirmationen fanden jedes Jahr an Palmarum, am Sonntag vor Ostern statt. Dazu begann gleich nach Weihnachten die Pflege der “abgeplünderten” Weihnachtsbäume. Sie wurden wieder nach draußen gebracht, möglichst eingepflanzt und feucht gehalten, in der Hoffnung, daß sie ihre Nadeln bis zur Konfirmation behielten. Zu Palmsonntag, dem Sonntag vor Ostern, an dem die Konfirmationen stattfanden, wurden sie dann als Schmuck rechts und links neben dem Weg vom Pfarrhaus zur Kirche aufgestellt. In der Woche vor der Konfirmation trafen sich die Konfirmanden mit großen Körben zu einem fröhlichen Gemeinschaftsunternehmen, um auf dem Friedhof und auch in den Hausgärten Buchsbaum zu schneiden. Und wenn die Konfirmanden dann hinter dem Pastor her vom Pfarrhaus zur Kirche gingen, schritten sie zwischen den Tannen hindurch über den mit Buchsbaum bestreuten Weg. Dazu sangen sie:”Jesu geh voran auf der Lebensbahn”. In der Kirche wurde dann gesungen:”Bei Dir Jesu will ich bleiben”. Jedenfalls Pastor Hammerstein (1912-1930) hatte immer feste Rituale. Die Mädchen waren tiefschwarz gekleidet, Kleider, Schuhe und Strümpfe. Die Jungen bekamen zur Konfirmation ihren ersten dunklen Anzug mit langen Hosen, dazu nach Möglichkeit einen Hut und wer eine bunte Schülermütze hatte, bekam einen schwarzen Bezug darüber.

Pastor Hammerstein muß überhaupt ein gestrenger Herr gewesen sein. Eines Tages, es muss in den 1920er Jahren gewesen sein, hatte Fritz Othmer auf dem Namensschild von Heinrich Engelke in der Kirche den Namen durchgestrichen und mit Kreide dessen Spitznamen “Spatzenkopf” daraufgeschrieben. Denn Heinrich Engelke war Feldhüter und mußte die Spatzenköpfe annehmen und die Fangprämien auszahlen, 10 Pfennig pro Stück. Es gab ein fürchterliches Theater und Pastor Günter von Hammerstein weigerte sich konsequent, den Missetäter zu konfirmieren. Der Übeltäter und sein Vater mußten lange um Gutwetter bitten. Die Konfirmanden saßen übrigens beim Gottesdienst immer offenen Karrée um den Altarraum, alle genau im Blickfeld des Pastors.

Die Konfirmation wurde früher mit den Paten als besinnliches Familienfest gefeiert. Später lockerten sich die Bräuche. Und als Frau Finkeldey 1975 zu Ostern als Pastorin nach Rössing kam und ihre erste Konfirmation abhielt, wurden die Mädchen ganz in Weiß konfirmiert. Aber dann mußte sie erleben, daß am Nachmittag, als die Konfirmanden von Haus zu Haus zogen, die betrunkenen Konfirmanden vor dem Pfarrhaus herumtorkelten. Sie hat sich große Mühe gegeben, diese Unsitte abzuschaffen, die Halbwüchsigen an ihrem Konfirmationstag „so richtig abzufüllen”.

Als Überrest der „Tannenallee” zur Konfirmation hat sich der Brauch erhalten, an den Haustüren der Konfirmanden grüne Girlanden mit Kreppapierrosen anzubringen. Die Jugendlichen tragen heute meistens schwarz/weiße Kleidung.

Zum ersten Advent mußten die Konfirmanden früher Efeuranken aus dem Schloßpark holen.und zusammennähen, damit wurden dann die Säulen in der Kirche geschmückt.

Zu Weihnachten wurden zwei Tannenbäume in der Kirche aufgestellt, die ebenfalls mit Rosen und Lilien aus Papier geschmückt wurden, die die Konfirmanden selbst hergestellt hatten. Silberne Kugeln, Lametta oder Strohsterne waren noch nicht üblich.

Vor Ostern mußten die Konfirmanden Hecken- und Baumschnitt für das Osterfeuer sammeln, dessen Standort wechselte.

ANMERKUNG

Vom 1. April 1974 bis zum 1. Oktober 1997 war die letzte Pfarrstelle mit Pastorin Elvira Finkeldey besetzt. Seitdem war eine volle Pfarrstelle in Rössing nicht mehr finanzierbar.

Frau Griet Stallmann-Molkewehrum hat vom Jahr 2000 bis zum 1. Juli 2015 die Pfarrstellen Rössing und Barnten betreut und schied aus, um in den Ruhestand zu gehen.

Danach gestalteten zwei junge Pastorinnen mit je einer halben Stelle den Pfarrdienst in Rössing und Barnten, Frau Anne-Christin Ladwig und Frau Riikka Hinkelmann. Derzeit ist Pastorin Frau Juliane Hillebrecht im Amt.

Pfarrhaus Rössing

Der Dorfladen in Rössing

Springer Jahrbuch 2015

Helga Fredebold

Zur Geschichte des neuen Dorfladens in Rössing Rnah: Tante Emma war gestern

Als das letzte Lebensmittelgeschäft in der Kirchstraße Nr.10 am 31. Januar 2012 geschlossen wurde, hatte Rössing außer der Schlachterei von Wolfgang Meyer, Bahnhofstr. 9 und einer Bäckereifiliale von Oppenborn aus Schulenburg im gleichen Hause, kein weiteres Geschäft mehr im Ort, wo man den täglichen Bedarf an Lebensmitteln decken konnte.

Im März 2012 unterbreitete Tita Frfr. von Rössing, unsere Ortsbürgermeisterin, uns

ihre Idee mit der Gründung eines neuen Dorfladens auf genossenschaftlicher Basis.

In ihrer mitreißenden Art gelang es ihr, die Dorfbewohner von dem Projekt recht schnell zu überzeugen. Im Oktober wurde eine GmbH gegründet, deren Gesellschafter die Dorfbewohner sind, durch Zahlung einer Einlage von mindestens 100 EU pro Anteilschein. Diese werden treuhänderisch von einem Treugeberbeirat verwaltet. Es wurde eine Summe aufgebracht, die für den Umbau, die Einrichtung und den ersten Wareneinkauf reichte.

Der Ausbau des letzten „Gemischtwarenladens“ in der Kirchstraße 10 wurde mit Elan in Angriff genommen. Unermüdlicher Einsatz, viel Idealismus und finanzielle Zuwendungen der Bevölkerung führten zum Ziel. Da man sparsam mit dem Geld umgehen wollte, wurden auch gebrauchte Materialien verwendet, aber dadurch verzögerte sich die Fertigstellung, so dass man die angepeilten Termine nicht ganz einhalten konnte.

Endlich war es so weit. Am 16. Mai 2014 wurde der neue Dorfladen eröffnet. Mit der Namensgebung Rnah, R – für Rössing und –nah für Nahversorger, haben die Rössinger nicht nur bewiesen, dass sie nicht nur zu einer aussergewöhnlichen Gemeinschaftsleistung fähig sind, sondern dass sie auch einen ganz besonderen Sinn für Humor haben.

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Wenn die Rössinger Männer nun in Zukunft zu Rnah gehen, dann hat das absolut nichts Anrüchiges an sich, sondern sie gehen ganz brav einkaufen.

Denn dieses zentral gelegene Haus in der Kirchstraße Nr.10 hat Tradition, schon seit über 100 Jahren werden in diesem Haus Lebensmittel verkauft.

Die Kirchstraße Nr. 10 hat die alte Hausnummer 112. Was es mit den alten und neuen Hausnummern auf sich hat, ist den älteren Dorfbewohnern oft noch bekannt, aber den jüngeren kaum, wenn sie in alten Familienpapieren darauf stoßen. Die alten Hausnummern sind die Versicherungsnummern der ersten Brandkasse, die König Georg III, König von England und Kurfürst von Hannover etwa 1760 zwangsweise einführte, damit bei den zahlreichen Bränden, die häufig ganze Dörfer einäscherten, die Bevölkerung nicht total verarmte. Diese Versicherungsnummern der Brandkasse wurden die Hausnummern. Sie mußten deutlich sichtbar außen am Hause angebracht werden, damit man das Haus im Notfall auch schnell fand und jedes neu erbaute Haus erhielt die nächst höhere Versicherungs- bzw. Hausnummer, in Rössing waren es 191.

Erst als nach dem Zweiten Weltkrieg etwa 1950 für die Unterbringung der vielen Vertriebenen aus den verlorenen Ostgebieten ganze Neubauviertel entstanden, wurden Straßennamen eingeführt und jede Straße bekam eigene Hausnummern, die mit Nr. 1 begannen.

Das Haus Nr. 112, (Kirchstraße Nr. 10) wurde zwischen 1867 und 1878 von Friedrich Haller erbaut, der darin einen „Galanteriewaren und Hokenhandel“ betrieb. Es ist etwa 140 Jahre alt und hatte aber sicher schon einen Vorgänger. Friedrich Haller gehörte zu der Familie Haller, die im „Adeligen Krug“, der später „Gasthaus zum Löwen“ hieß, Kirchstraße 21, eine Gastwirtschaft und einen Getreidehandel betrieb. Man erkennt es noch an der Dachgaube, wo früher die Kornsäcke hochgezogen wurden.

Friedrich Haller verkaufte einmal das, was wir heute als Kurzwaren bezeichnen, also normalen Nähbedarf wie Steck- und Nähnadeln, Nähgarn, Zwirn und Knöpfe. Aber darüber hinaus führte Friedrich Haller Galanteriewaren, das sind Tressen, Spitzen, Bänder, Paspel, Schmuckelemente für den gehobenen, eleganten Zierrat für festliche Damenkleider oder Hüte. Die Kleider wurden damals noch zu Hause von der Hausfrau oder einer Hausschneiderin angefertigt, die von Haus zu Haus zog, und da bestand Bedarf für solche Artikel. Die ersten Kaufhäuser, die auch fertige Damen- oder Kinderkleider anboten, entstanden erst später, etwa um 1900 in Berlin.

Und „Hokenhandel“ war eigentlich ein „Kiepenhandel“, und der Betreffende hatte eine Konzession, dass er über Land fahren und seine Waren auch in andern Orten anbieten durfte.

Wie lange genau Friedrich Haller seine Galanteriewaren dort verkaufte, wissen wir nicht. Aber schon vor über 100 Jahren, im Reichsadressbuch von 1908, wurde in diesem Haus ein Georg Beneke als Inhaber eines Gemischtwarenladens aufgeführt. Dieser Georg Benecke war allerdings kein Verwandter von der Familie Beneke, die heute im Loderwinkel 3 wohnt.

Unter einem Gemischtwarenladen verstand man aber nicht nur Lebensmittel, sondern eigentlich war es schon ein Supermarkt im Kleinen, nur mit einem völlig anderen Angebot als heute. Zucker stand im Sack herum. Mehl, Nudeln, Graupen und Sago wurden lose in Schubladen aufbewahrt und auf einer Tafelwaage mit kleinen Gewichten in Papiertüten abgewogen, nichts war fertig abgepackt. Außerdem gab es Kernseife, Schmierseife, Soda zum Geschirrabwaschen, Schuhkrem und Zündhölzer, Maggi, das aus einer großen Flasche abgefüllt wurde und Glaszylinder für Petroleumlampen und dazu das notwendige Petroleum. Denn elektrisches Licht gab es erst nach 1911 in Rössing und noch längst nicht für alle Haushalte. So lange hatte man auf dem Lande nur Kerzen oder Petroleumlampen als Beleuchtung, daher die vielen Brände durch offenes Licht.

Oft wurden diese Geschäfte auch Kolonialwarenläden genannt, weil sie Kaffee, Kakao, Tee oder auch Reis und andere Waren verkauften, die aus den überseeischen deutschen oder ausländischen Kolonien stammten.

Allerdings hatte Georg Beneke auch 1908 schon Konkurrenz im Dorf. Außer ihm gab es noch drei andere „Gemischtwarenläden“, wie sie sich damals nannten. Das waren

Nolte, in der Kirchstraße 2, später war der „Konsum“ in diesem Laden, danach Ruhkopf. Außerdem gab es Runne, Kirchstraße 14, und Speckesser in der Langen Straße 12, den später die Tochter Frau Petsch von ihren Eltern übernahm.

Wie weit sich diese Geschäfte von einander unterschieden, oder ob alle das gleiche Angebot hatten, können wir heute nicht mehr feststellen.

Jedenfalls existierten sie alle noch nach 1945.

Pläne im Zweiten Weltkrieg

Im Kriegsjahr 1940 kam ein Auswärtiger ins Spiel, Wilhelm Moldenhauer aus Nordstemmen. Seine Vorfahren betrieben seit 1887 im Stammhaus in Nordstemmen, in der Hauptstraße Nr. 113 einen Gemischtwarenladen und einen Hokenhandel in der Umgebung, wo man die Waren bestellen konnte, die dann in die anderen Dörfer ausgeliefert wurden. 1935 übernahm Wilhelm Moldenhauer in der dritten Generation die Firma in Nordstemmen.

Er wollte das „Überlandfahren“ aufgeben, aber trotzdem das Geschäft ausweiten. Er plante die Gründung einer Filiale und kaufte im Kriegsjahr1940 in Rössing das Haus von Georg Beneke, Kirchstraße Nr. 10. Aber der Krieg machte alle Pläne zunichte. Er mußte Soldat werden und kehrte aus Stalingrad nicht zurück.

Nachkriegszeit

Nach dem Krieg war das Haus mit Flüchtlingen und Vertriebenen vollgestopft, wie alle Häuser in dieser Zeit. Im Gemischtwarenladen von Georg Beneke im Erdgeschoß verkaufte Frau Härke Milch, die lose ausgeschenkt wurde. Sie wohnte Kirschenbrink 5. Ihr Schwiegersohn Karl Richter war Milchfahrer und seine Frau Marla, geb. Härke wurde von der Gemeinde als Leiterin der Gemeinschaftsküche Ende 1946 fest angestellt und half beim Milchverkauf mit aus.

Bis zum Herbst 1947 war die Einwohnerzahl in Rössing von 1168 vor dem Krieg auf 2390 gestiegen, und Frau Härke wollte im Dorf eine zweite Milchverkaufsstelle einrichten, denn Tetrapack und H-Milch waren noch unbekannt. Doch das wurde von der Gemeinde nicht für erforderlich gehalten. Um eine schnellere Abwicklung zu ermöglichen, sollte Frau Härke ihr Personal aufstocken. Später errichtete sie dann die „Milchhalle“ an der Feuerwache, die inzwischen zu einer „Pizzabäckerei“ umfunktioniert wurde.

Erika Moldenhauer, als Kriegerwitwe mit zwei kleinen Kindern, konnte die Pläne ihres gefallenen Mannes mit einer Filiale in Rössing vorerst nicht verwirklichen.

Aber sie packte beherzt an, resolut war sie, und erweiterte in den folgenden Jahren das Nordstemmer Geschäft räumlich, personell und leistungsmäßig bedeutend.

Als dann im Jahr 1949 die Wohnungskommission in Rössing in ihrem Haus in der Kirchstraße 10 Räume für ein Gemeindebüro beschlagnahmen wollte, was sich aber zerschlug, bekam sie unter großen Schwierigkeiten die Räume für die Einrichtung eines Kolonialwarengeschäftes frei und ein Geschäftsführer, bzw. Pächter stand auch schon bereit, Hermann Raupach, den viele im Dorf noch kennen.

Im Juli1946 war seine Frau Edith Raupach mit vier Kindern als Vertriebene aus Neuhammer Kreis Bunzlau/Schlesien in Wohnräume im Geschäftshaus der Familie Moldenhauer in Nordstemmen eingewiesen worden. Ein paar Wochen später kam der Familienvater Hermann Raupach aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurück, glücklich, daß er seine Familie wiedergefunden hatte. Er bekam auch gleich Arbeit bei „Landmaschinen-Müller“, die im gleichen Hause wohnten und nach drei Jahren wurde er als Verkäufer im Moldenhauerschen Laden eingestellt, als Vorbereitung für die Übernahme der Rössinger Filiale.

Hermann Raupach war gelernter Bäckermeister und Konditor und hatte in Schlesien schon seit 1930 eine Bäckerei mit Kolonialwarengeschäft betrieben. Er pachtete ab Januar 1950 den Moldenhauerschen Laden in Rössing. Die Familie mit inzwischen fünf Kindern bekam erst im Mai 1951 In Rössing Wohnraum durch Tausch zugewiesen, aber der Betrieb ließ sich sehr gut an.

Erneuter Wechsel

Inzwischen wuchsen die beiden Kinder von Frau Moldenhauer heran und der Sohn Peter machte eine kaufmännische Ausbildung mit der Absicht, das Geschäft in Rössing zu übernehmen.

1959 war es so weit. Familie Raupach hatte noch nicht mit so einem schnellen Wechsel gerechnet und davon war wohl auch bei Abschluss des Pachtvertrages nicht die Rede gewesen. Aber Raupachs hatten schon Pläne für den Neubau eines Hauses mit Laden in der Bahnhofstraße Nr.12, die nun schnellstens realisiert werden mussten. Noch im gleichen Jahr 1959 zog die Familie um und Hermann Raupach eröffnete dort selbst ein Lebensmittelgeschäft. Anfangs waren sie freie Händler, schlossen sich aber später der „Rewe-Gruppe“ an.

Viele Jahrzehnte versorgten er und seine Frau und später Tochter Renate Böger, geb. Raupach, die Bewohner vor allem in den ringsum entstandenen Neubaugebieten mit den Dingen des täglichen Bedarfs.

Aber die steigende Mobilität der Dorfbewohner änderte auch ihr Einkaufsverhalten. Die Supermärkte, die in den umliegenden größeren Orten allmählich entstanden, zogen viele Kunden ab. Als Renate Böger das Rentenalter erreicht hatte und kein Pächter zu finden war, gab sie das Geschäft am 30. April 2008 auf. Für die Rössinger war es ein herber Verlust. Denn Renate Bögers Laden war nicht nur ein Geschäft, in dem man seine Einkäufe tätigte, sondern auch ein sozialer Treffpunkt. Dort traf man seine Nachbarn, konnte mal ein paar Worte wechseln und Frau Böger hatte für jeden ein offenes Ohr und ein freundliches Wort.

Junge Leute am Ruder

Als Peter Moldenhauer am 14. März 1959 das Geschäft von seiner Mutter in der Kirchstraße übernahm, hatte er große Pläne gehabt. Fünf Monate dauerte der Umbau zu einem modernen Selbstbedienungsladen. Während dieser Zeit fand der Verkauf in der ersten Etage statt, bis am 20. August 1959 die Eröffnung des neuen Geschäftslokals erfolgte. Er führte den Laden etwa zwei Jahre. Aber dann entdeckte er, dass so ein Lebensmittelgeschäft auf dem Dorfe doch nicht sein Lebensziel wäre und er begann ein Studium.Frau Erika Moldenhauer führte nun zusammen mit Ingrid Schwick, einer Kusine, die schon seit 1954 bei ihr arbeitete und ihre „Rechte Hand“ im Geschäft war, den Nordstemmer und den Rössinger Laden bis etwa 1973 weiter.

Die Lichter gehen aus

Dann wollte sich Frau Moldenhauer zur Ruhe setzen und das Rössinger Geschäft wurde geschlossen. Die Geschäftsräume In Rössing ließen sich als Ladenlokal nicht wieder vermieten. Da schloss Frau Moldenhauer für die Räume einen fünfjährigen Mietvertrag mit der Gemeinde Nordstemmen ab, die darin einen Kinderspielkreis einrichten wollte. Aber diese Pläne zerschlugen sich, weil die erforderlichen Umbauarbeiten zu teuer geworden wären. Eine andere Nutzung ergab sich nicht, so blieben die Räume fünf Jahre ungenutzt und die Gemeinde mußte fünf Jahre die Miete dafür bezahlen.

Neuanfang

Erika Moldenhauer verkaufte nun das Haus Kirchstraße 10 in Rössing an Frau Ingrid Borsum, die dort im November 1978 einzog und am 1.März 1979 wieder ein Lebensmittelgeschäft eröffnete. Familie Borsum hatte das Grundstück daneben dazugekauft um den Laden zu vergrößern, und die Außenfront wurde neu gestaltet.

Wenn man so lange ein Geschäft hat, erlebt man auch allerlei. Ein treuer, wenn auch nicht unbedingt der Lieblingskunde, war Friedel Koch, Hofbesitzer und Sattler in der Kirchstraße Nr. 12. Viele Ältere unter Ihnen werden sich noch an ihn erinnern, und an seine häuslichen Verhältnisse und seine Viehhaltung. Er war nicht verheiratet und lebte allein. Er hielt sich immer gern lange im Laden bei Frau Borsum auf. Er suchte Gesellschaft, redete viel mit den anderen Kunden und wenn er dann endlich ging, mußte erste einmal die Türe weit aufgerissen und gelüftet werden, damit wieder frische Luft in die Räume kam.

Von 13 bis 15 Uhr war Mittagspause und der Laden geschlossen. Als Frau Borsum einmal das Geschäft um 15 Uhr wieder öffnen wollte, stand schon ein Mann mitten im Laden mit einer Bierflasche in der Hand, da hatte sie vergessen, die Tür abzuschließen. Aber es war ja gut ausgegangen.

Ein anderes Mal ging es nicht so glimpflich ab. Während der Urlaubszeit, als Familie Borsum verreist war, wurde eingebrochen. Aber die Täter hatten es nur auf die Zigaretten und Alkoholika abgesehen, alles andere hatten sie nicht angetastet. Aber der sonstige Sachschaden schlägt ja auch zu Buche.

20 Jahre lang hielt Frau Borsum die Stellung in ihrem Selbstbedienungsladen. Aber für die kleineren Lebensmittelmärkte wurde es immer schwieriger. Die großen Supermärkte mit ihrem „Rundum“-Angebot machten ihnen das Leben schwer.

Frau Borsum meldete das Geschäft nach 20 Jahren zum 31.Mai 1999 ab und verkaufte das Haus per 1. Juni 1999 an Frau Gudrun Akthar, die dort seitdem ein kleines Gemischtwarengeschäft betrieb. Wegen des umfangreichen Ausbaus der Kirchstraße 2008/9 war ihr Geschäft über ein Jahr lang praktisch nicht mit dem Auto und zu Fuß nur unter Schwierigkeiten zu erreichen. Es gelang ihr nicht, die Durststrecke zu überwinden und das Angebot war wohl auch nicht so das Richtige. Jedenfalls schloss sie das Geschäft am 31. Dezember 2011.

Ein neuer Dorfladen

Nun bemüht sich die Dorfgemeinschaft, in dem Hause Kirchstraße Nr. 10 einen „Dorf- Laden“ auf genossenschaftlicher Basis in Gang zu bringen, Rnah nicht nur anzuschieben, sondern sie auch am Laufen zu halten. Es ist schon sehr viel Arbeit geleistet. Aber auch in Zukunft ist freiwilliger Einsatz in der Geschäftsführung, beim Treugeber-Beirat und bei der Vertretung der Anteilseigner nötig, damit das Projekt auf Dauer den Erfolg hat, den wir uns alle wünschen.