Die Zeit des Dritten Reiches von 1933 bis 1945 in Rössing

von Helga Fredebold 

 

Teil 1

Ich bin Jahrgang 1926 und in der Diktatur groß geworden, aber da lernt man kein kritisches Denken, man nimmt hin, wie es ist. Und als ich mit den Recherchen über dieses Thema begann, stellte ich fest, dass ich über die politischen Vorgänge in jener Zeit außer ein paar Schlagworten sehr wenig wusste. Aber die Beschäftigung damit war ungeheuer fesselnd und interessant. Bücher  und vor allem das Internet mit seinen Informationen der Bundeszentrale für politische Bildung halfen mir weiter. Der Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft, mit welcher Zielstrebigkeit, Rücksichtslosigkeit und welchen Tricks Hitler die Diktatur errichtete und dass er eigentlich überhaupt kein Geheimnis aus dem machte, was er vorhatte. Er wollte die Demokratie vernichten, er wollte die Macht im Reich, und zwar für sich allein, er wollte die Diktatur, er wollte den Krieg, und er wollte die Juden vernichten – und das alles stand in seinem Buch „Mein Kampf“, das er schon 1925 geschrieben hatte.

Das heißt, dass es eigentlich jeder hätte wissen müssen, wenn man es denn gelesen hätte, was uns bevorstand, aber die Menschen haben es nicht richtig zur Kenntnis genommen, bis auf einige wenige.

Um die Zeit von 1933 bis 45  zu verstehen, kann man nicht erst mit dem 30. Januar 1933 beginnen. Unsere Politiker haben Recht, wenn sie kritisieren, dass manche deutschen Geschichtslehrer den ersten Weltkrieg 1914 bis 1918 auslassen, um die 12 Jahre von 1933 bis 1945 mit dem Zweiten Weltkrieg um so ausführlicher zu behandeln. Aus dem Ersten Weltkrieg entstand der Zweite.

 

Nach dem ersten Weltkrieg

Der verlorene Krieg 1918, die russische bolschewistische Revolution drohte nach Deutschland überzuschwappen, der Versailler Vertrag brachte schon damals Gebietsverluste in Oberschlesien.
Westpreußen, Memelland und Elsass-Lothringen wurden abgetrennt. Die wirtschaftlich unerfüllbaren Reparationsforderungen der Siegermächte waren eine untilgbare Schuld, die von vorn herein als politisches Instrument konstruiert war. Der vorhersehbare Zahlungsverzug lieferte dann 1923 den Franzosen auch den Vorwand für die Besetzung des Ruhrgebietes mit seiner Schwerindustrie, eindeutig mit dem Ziel der Trennung des Rheinlandes von Deutschland, was allerdings England und die USA letzten Endes verhinderten:
Im Reich folgten Aufruhr und Mobilmachung, denn die Menschen waren noch Patrioten. Auch in Hannover wurde damals ein Studentenbataillon aufgestellt und mein Schwiegervater, der damals in Hannover studierte, sollte es ins Rheinland führen. Es existiert noch eine Fotografie, wie er hoch zu Ross, mit der Truppe an General Hindenburg vorbeizieht, der die Einheit verabschiedet. Aber Gottseidank kamen sie nicht mehr zum Einsatz.

Bis zum Jahre 1988 sollten von Deutschland jährlich 2 Milliarden Goldmark Reparationen aufgebracht werden. Angesichts der Unmöglichkeit, diese Summen zu erwirtschaften, reduzierten die Alliierten diese 1932 auf eine Restzahlung von 3 Milliarden, die aber nie geleistet wurde.

Interessant ist noch, dass die Kredite, die Deutschland damals zur Bezahlung von Reparationen auf dem internationalen Finanzmarkt aufgenommen hatte, 1953 nach dem Zweiten Weltkrieg erneut Verhandlungsgegenstand waren. Damit Deutschland am internationalen Börsengeschäft teilnehmen kann, müssen diese Auslandsanleihen wieder bedient werden, wobei die Tilgung noch bis zum Jahr 2020 andauert. Wir zahlen also indirekt heute noch für die Reparationen aus dem Versailler Vertrag.

Durch die Inflation war alles private Geldvermögen dahingeschmolzen. Die Massenarbeitslosigkeit und die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise verschärfen die sozialen und politischen Spannungen in der Weimarer Republik. Die Menschen waren wirklich arm, die Arbeitslosenunterstützung war minimal. Einer der es erlebt hat hier im Dorf, berichtete mir, dass eine vierköpfige Familie 5 Reichsmark pro Woche erhielt. Der dauernde Wechsel der nicht tragfähigen Regierungen, das Parteiengezänk, Deutschland wurde von einer Notverordnung zur andern regiert, und die wirtschaftliche Depression führten zu einem schnellen Anwachsen der rechtsextremen Kräfte. Im Oktober 1931 schließen sich die NSDAP, Hitlers nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei, und die Deutsch-Nationale Volkspartei sowie der Stahlhelmbund zum Kampf gegen die Republik zusammen. Durch geschicktes Lavieren zwischen den Gruppen gelingt es Hitler, schließlich zur politischen Schlüsselfigur zu werden. In dieser Zerrissenheit der politischen Landschaft der Weimarer Republik kam dann der Ruf nach dem „Starken Mann“ auf, dessen Gefährlichkeit die meisten aber total unterschätzten. Und Hitler präsentierte den Menschen Schuldige für die soziale Not: Das Versailler Diktat und die Juden.

Er forderte die Wiederherstellung der deutschen Ehre durch Aufhebung des Friedensvertrages von Versailles, der kein Vertrag war sondern ein Diktat. Er forderte Gleichberechtigung gegenüber anderen Völkern, Zusammenschluss aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes zu einem Großdeutschland und Wehrhoheit für das deutsche Volk.

In seinem Parteiprogramm fordert er gleiche Rechte und Pflichten für alle, Abschaffung des arbeits- und mühelosen Einkommens, Gewinnbeteiligung an Großbetrieben, großzügigen Ausbau der Altersversorgung und Stärkung des Mittelstandes, sofortige Auflösung der Großwarenhäuser, von denen viele in jüdischer Hand waren, und ihre Vermietung zu billigen Preisen an kleine Gewerbetreibende. Und vieles andere mehr. Das sprach natürlich die notleidende Bevölkerung und vor allem den Mittelstand an.

Mit seiner Verteufelung der Juden schürte Hitler den Antisemitismus, der in allen europäischen Ländern latent vorhanden war, was die zionistische Bewegung von Theodor Herzl für die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina schon im 19. Jahrhundert zur Folge hatte. Aber darauf komme ich später noch.

Der letzte der 25 Punkte von Hitlers Parteiprogramm lautete: Zur Durchführung alles dessen fordern wir: „Die Schaffung einer starken Zentralgewalt des Reiches. Unbedingte Autorität des politischen Zentralparlaments über das gesamte Reich und seine Organisationen im Allgemeinen.“

Und das bedeutete die Diktatur.

 

Hitler wird Reichskanzler

Zwar unterliegt Hitler Hindenburg in den Reichspräsidentenwahlen 1932, aber die NSDAP steigt in diesem Jahr zur stärksten Partei auf. Damit ist die Übertragung der Macht an Hitler eigentlich nur eine Formsache. Am 30. Januar 1933 beruft Hindenburg Adolf Hitler zum neuen Reichskanzler. Und damit war Deutschlands Weg in die Diktatur vorgezeichnet.

General a. D. von Ludendorff, richtete damals an Hindenburg die prophetischen Worte:

„Sie haben durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler unser heiliges deutsches Vaterland einem der größten Demagogen aller Zeiten ausgeliefert. Ich prophezeie Ihnen feierlich, dass dieser unselige Mann unser Reich in unfassbares Elend bringen wird. Kommende Geschlechter werden Sie wegen dieser Handlung im Grabe verfluchen.“

Hitler hatte kein Geheimnis daraus gemacht, was er wollte, sondern es weit verbreitet, man hatte es nur nicht richtig zur Kenntnis genommen. Am 30. Januar 1933 sagte er beim Betreten der Reichskanzlei, die er nie vorher betreten hatte:

„Keine Macht der Welt wird mich jemals lebend hier wieder rausbringen.“

Und so geschah es dann ja auch. Am 30. April 1945 starb er dort durch Gift und durch eigene Hand.

Aber am 30. Januar 1933 jubelten die Menschen erst einmal. Die Fackelzüge und Demonstrationsmärsche, die in Berlin von den Braunhemden der SA, von Zivilisten und kleineren Stahlhelm-Gruppen zur Reichskanzlei, an Hitler vorbeiführten, wurden in vielen Dörfern und Städten imitiert. 1933 war das Jahr der nationalen Erhebung.

Der Reichstagsbrand in Berlin, vier Wochen später am 27. Februar, wurde, obwohl nie richtig aufgeklärt, allein dem Kommunisten Marianus van der Lubbe in die Schuhe geschoben. Am nächsten Tag hob die Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat und zur Abwehr kommunistischer, staatsgefährdender Gewaltakte die meisten der verfassungsmäßigen Grundrechte auf. Sie begründete einen permanenten zivilen Ausnahmezustand, der es dem NS-Regime ermöglichte, Unterdrückungsmaßnahmen gegen politische Gegner mit dem Schein der Legalität zu umgeben, sie konnten ohne Anklage und Beweise in gerichtlich nicht kontrollierbare Schutzhaft genommen werden. Es folgte eine wüste Verfolgung der Kommunisten und anderer missliebiger Personen bis hin zum Mord. All diese Verbrechen fielen nach dem 30. Juni 1934 („Röhm-Putsch“), nach der Nacht der langen Messer, in der Oppositionelle in den eigenen Reihen der SA und in der Politik liquidiert wurden, unter eine Amnestie und damit war es mit der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland vorbei.

Am 20. März 1933 hatte Himmler schon das erste Konzentrationslager in Dachau eröffnet, kurz darauf das in Sachsenhausen.

Am 11. März erfolgte die Einrichtung eines Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda: Minister wurde Dr. Joseph Goebbels. Die propagandistischen Verführungskünste, die dieser meisterhaft beherrschte, zusammen mit der nationalen Erlösungs- und Veränderungserwartung des Publikums, die Flucht in den nationalen Mythos, der Personenkult um den Retter und Führer waren Instrumente einer unglaublichen Masseneroberungspolitik.

Dann folgte der 21. März 1933, der von Goebbels in der Garnisonkirche äußerst erfolgreich inszenierte Tag von Potsdam mit der konstituierenden Sitzung des Reichstags, ohne SPD und Kommunisten. Er zeigt Hitler bei seinem einzigen Auftritt in ziviler Kleidung, wie er sich respektvoll vor dem Reichspräsidenten von Hindenburg in kaiserlicher Uniform verneigt. Wir alle kennen dieses Bild. Diese Geste sollte die Harmonie zwischen dem alten Deutschland und der jungen Kraft, Hitlers NS- Bewegung demonstrieren, was auch im In- und Ausland seine Wirkung nicht verfehlte.

Aber Hitler hatte schon seinen nächsten Coup vorbereitet.

 

Das Ermächtigungsgesetz

Zwei Tage später, am 23. März, stimmte der Reichstag, nunmehr in der Kroll-Oper, unter der einschüchternden Gegenwart von bewaffneten SA und SS-Verbänden über das Ermächtigungsgesetz ab, das der Regierung gestattete, ohne die Zustimmung von Reichstag und Reichsrat und Gegenzeichnung durch den Reichspräsidenten, Gesetze zu erlassen.

Eigentlich war für die Annahme dieses Gesetzes eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Aber durch eine trickreiche Änderung der Geschäftsordnung, der alle Parteien zugestimmt hatten, mit Ausnahme der SPD, die ausdrücklich auf die Gefahr eines Missbrauchs hingewiesen hatte, wurde das Gesetz angenommen.

Die verfolgten Mitglieder der KPD und teilweise auch der SPD fehlten naturgemäß unentschuldigt bei dieser Sitzung, aber sie wurden kurzerhand als anwesend erklärt und damit fehlten ihre Gegenstimmen, so dass die Zweidrittelmehrheit zustande kam.

Das Ermächtigungsgesetz selbst war nun keine Erfindung von Hitler.

So wurde in der Hälfte der Amtszeit des ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert von 1919 bis 1924 mit Ermächtigungsgesetzen regiert. Diese Gesetze waren befristet.

Auch das Gesetz vom 23. März 1933 war zunächst auf 4 Jahre begrenzt, wurde aber mehrfach verlängert. Am 10. Mai 1943 wurde dann durch einen Führererlass eine Aufhebung dieses Gesetzes auf Dauer untersagt, und es blieb bis zum Ende des NS-Regimes im Mai 1945 rechtliche Grundlage deutscher Gesetzgebung.

Hitlers erstes Ziel mit diesem Gesetz war die Ausschaltung des Parlaments. Deutschland sollte von Hitler allein regiert werden, das heißt, alle Gesetze waren Führerbefehle.

Zweites Ziel war die tatsächliche Außerkraftsetzung der bis zuletzt unverändert gebliebenen Verfassung, die aber nicht annulliert wurde.

Drittens sollte der Schein von Legalität gewahrt bleiben. Zwischen Recht und Gesetz sah man keinen Unterschied, was Gesetz war, war auch Recht.

 

Zunächst ging es aufwärts

Zunächst ging es aufwärts, aber was diese Machtfülle in der Hand Hitlers und seiner Partei für katastrophale Folgen hatte, übersahen nur wenige, denn zunächst ging es aufwärts.

Die sofort eingeleiteten Maßnahmen stabilisierten sehr schnell die wirtschaftlichen Verhältnisse. Noch in der Weimarer Republik war 1932 zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ein freiwilliger Arbeitsdienst ins Leben gerufen worden, der mit der Durchführung gemeinnütziger Projekte einer Reihe von Arbeitslosen und Wohlfahrtsempfängern für längere Zeit Arbeit mit Schippe und Schubkarre und etwas Verdienst bringen sollte. In diesem Rahmen wurde in den Gemeinden Nordstemmen, Rössing und Schulenburg das Minthefurchenprojekt realisiert. Es wurde eine Wassergenossenschaft gegründet zur Entwässerung von Ländereien in der Leineniederung, die jedes Jahr unter großen Hochwasserschäden litten. Die 50 bis 60 Leute waren so von der Straße, verdienten 15 Mark die Woche und diese Maßnahme wurde als großer Segen empfunden. Die Arbeiten dauerten bis ins Frühjahr 1933.

Die Nationalsozialisten griffen die Idee mit dem Reichsarbeitsdienst auf, statt Arbeitslosengeld gab es Lohn für gemeinnützige Arbeit.

Der Rössingbach wurde dann vom 1935 eingeführten uniformierten Reichsarbeitsdienst reguliert. Dieser war zunächst auch freiwillig, wurde dann aber Pflicht und war gedacht für die 18 bis 25-jährigen arbeitslosen Jugendlichen ohne Lehrstelle und Ausbildungsplatz, die auch viel beim Autobahnbau eingesetzt wurden. Der bereits seit 1926 bestehende Verein zur Vorbereitung der Autostraße Hansestädte – Frankfurt – Basel, die sog. HAFRABA hatte detaillierte Pläne für den Autobahnbau ausgearbeitet, die sie Hitler 1933 vorlegte. Dieser ließ die HAFRABA gleichschalten, übernahm deren Pläne und setzte sie sofort in die Tat um. So war das mit den Straßen des Führers.

Der RAD, der Reichsarbeitsdienst, sollte außerdem zur Erziehung der Arbeitsmoral und der Aufhebung der Klassengegensätze dienen und die befriedigende Wirkung von harter körperlicher Arbeit betonen und war natürlich schon eine körperliche Vorbereitung auf den kommenden Militärdienst und Krieg.

In der aus dem Boden gestampften Rüstungsindustrie gab es jede Menge Arbeitsplätze und ich war überrascht, wie viele Rüstungsbetriebe es allein im Raum Hildesheim gab. Hier wurden u. a. Torpedos, Granaten, Panzer- und Flugzeugteile hergestellt. Aber die Menschen waren froh, dass sie Arbeit und Brot hatten. Mit dem Großkapital, der Rüstungsindustrie hatte sich Hitler sofort nach dem 30. Januar verbündet.

Mit dem Gesetz vom 7.4.1933 für die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, das den Ausschluss von Nichtariern und Oppositionellen beinhaltete, wurden neue Arbeitsplätze geschaffen. Bevorzugt wurden bei der Neubesetzung der Stellen Parteigenossen. Innerhalb eines halben Jahres waren 70 % der „Alten Kämpfer“, die sich um die Bewegung verdient gemacht hatten, wieder in Lohn und Brot. Und von diesen Maßnahmen profitierten auch eine ganze Reihe Einwohner in Rössing.

Daher wurden die meisten dieser Entwicklungen von 95% der Bevölkerung bejaht, weil sie einer ersehnten Einheit der Gesellschaft, der Volksgemeinschaft, dienten. Zudem verbanden sie sich in den ersten Jahren mit einem deutlichen wirtschaftlichen Aufstieg und einem eindrucksvollen mentalen Aufbruch, z.B. Erntedankfeiern, Sportfeste, die Olympiade 1936, oder die Reichsparteitage in Nürnberg weckten Begeisterung. Gerade die Reichsparteitage mit der mystischen Totenehrung für die Gefallenen der „Bewegung“, sollten „Heerschau der ganzen Nation“ sein und glanzvoller als der Reichstag der alten Kaiser. Wenn 150 Flakscheinwerfer in den Himmel schossen, einen Lichtdom bildeten und 30 000 Fahnen flatterten und 600 Fanfaren ertönten, konnte sich keiner dem Eindruck von Macht und Größe entziehen.

Im Übrigen hielten die Nazis mit niedrigen Steuern und Sozialreformen das Volk bei Laune.

 

Das Erbhofgesetz und der „Reichsnährstand“

Das Ansehen des Bauernstandes und der Landarbeit wurde aufgewertet und das Erbhofgesetz sicherte durch Entschuldungsmaßnahmen den Bestand der alten Höfe. Diese wurden dem Anerben, in der Regel dem ältesten Sohn, ungeteilt vererbt. Es wurde zwei Tage vor dem Erntedankfest 1933 erlassen und war Ausdruck der nationalsozialistischen Blut- und Boden-Ideologie. Ein Erbhof sollte mindesten 7,5 ha, eine Ackernahrung umfassen, so groß dass sich eine Familie darauf ohne Nebenverdienst und unabhängig vom Markt ernähren konnte und sollte nicht größer sein als 125 ha. Das Erbhofgesetz stützte sich rechtshistorisch stark auf das alte hannoversche Meierrecht. Schon im Hochmittelalter stellte eine Hufe oder 30 Morgen, gleich 7,5 ha die Existenzgrundlage für eine halbfreie Hörigenfamilie dar und hatte somit die ursprüngliche Größe einer Köthnerstelle. Heute hat man da ganz andere Maßstäbe.

Der Erbhofeigentümer wurde per Gesetz als Bauer, alle andern als Landwirt bezeichnet. § 13 besagte: Bauer kann nur sein, wer deutschen oder stammesgleichen Blutes ist, nicht, wer unter seinen Vorfahren väter- oder mütterlicherseits jüdisches oder farbiges Blut hat. Er musste ehrbar, politisch zuverlässig und rasserein sein und seinen arischen Stammbaum bis 1800 nachweisen können, um „zum Blutquell des deutschen Volkes“ gehören zu dürfen, so pathetisch drückte man sich aus. Die Erbhofbauern durften allerdings auch keine Hypotheken aufnehmen, Neuverschuldung war nicht gestattet. Dadurch fehlten aber die Mittel, um die Betriebe durch die Anschaffung von Maschinen zu modernisieren.

Die Osthilfe förderte durch staatliche Maßnahmen die bäuerliche Siedlungspolitik im Osten, indem sie Gutsbesitzer mit mehreren Gütern, wenn sie hoch verschuldet waren, zum teilweisen Verkauf zwang, um bäuerliche Hofstellen zu schaffen. Den Großgrundbesitz wollte man zwar nicht fördern, er blieb aber ansonsten trotz gegenteiliger Versprechungen unangetastet. Marion Gräfin Dönhoff und Alexander Fürst zu Dohna schreiben in ihren Ostpreußenbüchern auch ausführlich über diese Maßnahmen der Osthilfe, die ebenfalls schon in der Weimarer Republik angelaufen war.

Jeder Ort erhielt seinen Ortsbauerführer, der raten und helfen sollte, in Rössing war das Friedrich Kämpfer. Es erfolgte eine beinahe mystische Erhöhung von Grund und Boden und bäuerlicher Arbeit. Hier ein Auszug aus einem Gedicht für eine Erbhoffeier von 1937:

Behalt den Hut in deinen Händen
Und tritt voll Ehrfurcht in das alte Haus.
Von jeder Truhe an den schweren Wänden
Strahlt wunderbar ein Hauch der Liebe aus.
Hoch unterm Dache hängt der Ahne Spindel
Am blassen Bande eine Locke Flachs.
Ein Kreuz von Elfenbein und eine Windel.
Die Erbverbriefung mit dem Siegelwachs.
Aus steifen, rußgeschwärzten Rahmen
Seh‘n die Verstorbenen auf dich zurück.
Sag in die Stille dankbar ihren Namen,
Und streichle die Gewänder Stück für Stück.
Wenn wir vorüber sind, die Mauern
Bestehn, so Gott es will die ferne Zeit –
Und schützen das Geschlecht der deutschen Bauern
Von Anfang bis in Ewigkeit.  –  Amen


Und wenn man denn daran denkt, wie Adolf Hitler das Volk verraten hat und wie als Folge seiner wahnsinnigen Eroberungs- und Machtpolitik die Hälfte der deutschen Bauern enteignet wurde.

Aber wenn auch die Blut- und Bodenpropaganda ein rosiges Bild vom Bauern- und Schwertadel malte, konnte sie nicht verhindern, dass die jungen, nicht erbberechtigten Bauernsöhne abwanderten, um in der Stadt leichtere und besser bezahlte Arbeit zu finden. So litt der Reichsnährstand, wie die NS-Gesamtvereinigung der Bauern und Landarbeiter hieß, während der Erzeugungsschlacht, auch so ein Schlagwort, um die Selbstversorgung des Reiches unter akutem Arbeitskräftemangel. Aber ein prähistorischer, arischer Bauernstaat mit unveränderlicher Sozialordnung und Volksbräuchen mit rassenideologischen Merkmalen passten eben nicht zu beschleunigter Industrialisierung zum Zwecke der Aufrüstung. In der Versorgung der Großstadtbevölkerung vor allem mit Molkereiprodukten klafften Lücken. Butter war schon vor dem Kriege Mangelware. Schon bald hieß es: „Kanonen statt Butter.“

Wie grundlegend sich die Situation der Landwirtschaft allerdings in den letzten 20 – 30 Jahren gewandelt hat, das hätte sich vor 70 Jahren auch niemand vorstellen können. Die im Dritten Reich geförderten Neusiedlerstellen für die weichenden Erben der Höfe hatten auch nur eine Durchschnittsgröße von 12,5 ha, also 50 Morgen. Sie hätten heute, ebenso wie die alten bäuerlichen Klein- und Mittelbetriebe, von denen 55 %, vor allem in Süd- und Westdeutschland weniger als 5 ha hatten, keine Überlebenschance mehr.

 

Die Gleichschaltung 1933

Aber zurück zu den rein politischen Vorgängen. Denn sofort nach Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes vom 23. März 1933, das im Wesentlichen die Notverordnungen vom 28. Februar zum Inhalt hatte, und mit dem Hitler sich von allen Bindungen an die Verfassung und von der parlamentarischen Kontrolle befreit hatte, war durch eine Reihe von Gesetzen die Auflösung der Länderparlamente erfolgt. Mit dieser so genannten Gleichschaltung der deutschen Länder, der Verwaltung und der Justiz, der Presse, der Künste, der Wissenschaft, der Lehrerverbände, der Wohlfahrtsvereine, des Sportes, bis hin zum kleinsten dörflichen Gesangverein wurde der zentralistische Einheitsstaat eingeführt, alle Dachverbände der genannten Institutionen erhielten ihre Weisungen jetzt zentral von der Reichsregierung, verkörpert durch Hitler und die NSDAP, sie alle wurden NS-Verbände.

Dann wurde vier Wochen später, am 22. Juni 1933 die SPD im ganzen Reich verboten. Kurz darauf lösten sich alle anderen politischen Parteien selbst auf. Drei Wochen später wurde dann das Gesetz gegen die Neubildung von Parteien erlassen, und die NSDAP war nun die einzige zugelassene Partei in Deutschland, alle anderen waren verboten.

In dem am 1. Dezember 1933 erlassenen Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat wurde der Einparteienstaat rechtlich verankert.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die wenigen Augenzeugen, die ich über die Vorgänge in Rössing noch befragen konnte, ein und dieselben Vorgänge ganz unterschiedlich darstellten. Darum habe ich mich bei meinen Recherchen hauptsächlich auf schriftliche Berichte aus dieser Zeit verlassen: Gemeinderatsprotokolle, die Schulchronik und Akten aus Vereinen und Verbänden.

 

Die Auflösung des Gemeinderates 1933

Ein bedeutsames Ereignis in der Rössinger NS-Geschichte war gleich 1933 die Auflösung des Gemeinderates, der letzten frei gewählten Gemeindevertretung des Dorfes.

Schon die letzte Landtagswahl vor Hitler im Jahre 1932, zeigte die politischen Machtverhältnisse in Rössing.

Laut Wahlzettel gab es 21 politische Parteien, die aber nicht alle in Rössing vertreten waren.

Von 709 abgegebenen Stimmen waren:

296  für die SPD                                                                41,7 %
293  für die NSDAP (Hitlerbewegung)                          41,3 %
48    für die Deutschnationale Volkspartei,                   6,8 %
die zusammen mit dem Stahlhelm
         die Kampffront Schwarzweißrot bildete
         und die NSDAP unterstützte

24  für die Kommunisten                                                  3,4 %
20  für die Deutsch-Hannoversche,                                2,8 %
die Welfenpartei

Und ebenso waren auch die Mehrheitsverhältnisse im Rössinger Gemeinderat nach der Gemeinderatswahl am 12. März 1933.

Der Rat bestand damals aus 20 Männern, damit jeder Stand vertreten war, so war es im Ortsstatut verankert und Bürgermeister war schon seit 1923 der Landwirt Karl Möhle, ein tüchtiger Mann, der alle wirtschaftlichen Schwierigkeiten seiner Gemeinde, die Inflation, die Arbeitslosigkeit und den politischen Wechsel als Bürgermeister überlebt hat, bis er 1941 nach 18 Jahren ausschied und kurz darauf verstarb, und auch sein Grabstein auf dem Rössinger Friedhof gibt Kunde von seinem langjährigen Ehrenamt. Sein Nachfolger bis zum Kriegsende 1945 war der Sparkassenrendant Ernst Glockemann.

Er und seine Frau waren offenbar fanatische Nazis, wie mir Werner Kreipe erzählte. Denn als er einmal einen Brief seines Vaters überbringen musste und mit einem fröhlichen „Guten Morgen“ bei Glockemanns eintrat, empfing er eine saftige Ohrfeige: „Das heißt Heil Hitler“!

Die Ratsitzungen fanden im früheren Adeligen Krug, dem Gasthaus zum goldenen Löwen, bei Caspaul statt, in der Kirchstraße 21, ab 1933 hieß der Inhaber Heise, er war SA-Mann und dort war auch das Stammlokal der örtlichen SA.

Am 12. März 1933 waren Gemeinderatswahlen gewesen und die NSDAP hatte die Mehrheit.

Zur ersten Sitzung danach, am dritten April, waren alle 20 Mitglieder des Rates erschienen. Es waren dies die Herren:

 

Böllersen      Knack           E. Speckesser           Jasper
Gott               Kämpfer       Fr. Speckesser         Pahl
Gorgs            Mieth             Stamme                   Kasten
Heitsch         Niens             Stümpel                   Scheibe
Hümpel        Nötel              Thielemann           Winte

 

Da die Mehrheit im Rat durch die Einheitsliste mit der DNVP, der Deutschnationalen Volkspartei, zustande gekommen war, wurde die Gültigkeit der Wahl zunächst angefochten, aber dann erfolgte doch einstimmige Beschlussfassung über ihre Gültigkeit. Trotzdem legte der Maurer Heinrich Stümpel einige Wochen später aus Protest sein Amt nieder. Für ihn wurde als Nachfolger der Kellner Heinrich Oppermann gewählt, der der SPD angehörte.

Bei der nächsten Gemeinderatssitzung am 23. September 1933 war Punkt 1 der Tagesordnung die Einführung neuer Mitglieder. Die SPD war inzwischen verboten worden und sieben Mitglieder, welche der SPD angehört hatten, waren aus dem Gemeinderat ausgeschlossen worden. Dazu gehörten die Herren Böllersen, Gorgs, Heitsch, Oppermann, Scheibe und zwei weitere. Für sie wurden sieben neuen Ratsmitglieder vereidigt. Es waren dies:

Hermann Wulfes, Hermann Steinhoff, Ernst Glockemann, Otto Altendorf, Friedrich Plötze, August Blume jun. und Friedrich Steinwehe, alles Angehörige der NSDAP.

Der Amtseid lautete damals:

„Ich schwöre: Ich werde Volk und Vaterland Treue halten, Verfassung und Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe.“

Aber am 15. Dezember 1933 wurde die demokratische Gemeindeverfassung durch Staatsgesetz geändert.

Die Anzahl der Gemeinderäte wurde von 20 auf 8 reduziert, zu denen der Ortsgruppenleiter der NSDAP Hermann Steinhoff, und der rangälteste Führer der SA Otto Altendorf gehören mussten.

Die neuen Ratsmitglieder, die nun als Dorfälteste bezeichnet wurden, waren:

Arbeiter Hermann Steinhoff;        Müller August Hümpel
Kaufmann Otto Altendorf,            Maurermeister Hermann Wulfes
Kaufmann Fritz Plötze                  Bauer August Blume
Gastwirt Albert Heise                   Schlosser Henry Othmer

Am 4. Oktober 1935 wurde die Orts-Satzung nochmals geändert. Die Gemeinderäte wurden nun vom Kreisleiter der NSDAP Winter für 6 Jahre, bis zum 30.09.1941 berufen, nicht mehr frei gewählt, und es waren nur noch sechs. August Blume und Albert Heise schieden aus. Am 18. Dezember 1935 mussten die 6 Ratsherren erneut zur Vereidigung erscheinen. Sie wurden nun nicht mehr auf Volk und Vaterland und die Verfassung vereidigt, sondern auf Adolf Hitler persönlich.

Der Eid lautete nun:

„Ich schwöre: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe.“

Übrigens verschwand die Bezeichnung Dorfälteste für die Gemeinderäte nach einiger Zeit wieder aus den Akten. Mit der veralteten Bezeichnung Dorfältester wollte man wohl ganz offiziell die alte germanisch-dörfliche Hierarchie und einen prähistorischen Bauernstand wieder beleben.

Hermann Steinhoff wurde 1942 zur Wehrmacht eingezogen und ist 1944 in Frankreich gefallen. Seine Familie vermutet, er sei wegen seiner laut geäußerten Ansicht, der Krieg sei sowieso nicht zu gewinnen, eingezogen worden.

Sein Nachfolger als Ortsgruppenleiter wurde Louis Hümpel. Er war Träger des Goldenen Parteiabzeichens, das hatten nur die ersten 100.000 Mitglieder der NSDAP. Er wurde 1945 nach Kriegsende von der Besatzungsmacht im Sennelager bei Paderborn interniert und starb dort nach einigen Monaten an einem Magenleiden.

Die Ortsgruppenleiter hatten u. a. im Krieg die Aufgabe, den Familien die Todesnachricht zu überbringen, wenn einer ihrer Angehörigen gefallen war. Mehr als einmal wurden sie dabei vor die Tür gesetzt, wenn sie tröstende Worte vorbringen wollten: Gefallen für den Führer, Volk und Vaterland.
Die Auflösung des Volkschors
Die neuen Machthaber erlangten nicht nur die politische Kontrolle über das Leben des Staates, sondern sie setzten alles daran, das Privatleben der Bevölkerung im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie zu kontrollieren.

Dem Bürgertum und den Oberschichten ließen die Nazis im Großen und Ganzen mehr Freiraum als den Mittel- und Unterschichten, die ihrer Organisationen beraubt waren, ihrer Gewerkschaften und politischen Parteien.

Als im Frühjahr 1933 die Verfolgung der Kommunisten in vollem Gange war, beschlossen die Mitglieder des Volkschors Rössing, der der KPD nahe stand, auf der Versammlung am 28. März ihre Auflösung. Der Chor war Mitglied des Deutschen Arbeiter-Sänger-Bundes, der aber politisch gleichgeschaltet werden sollte. Dazu hätten dann der Vorsitzende, der gesamte Vorstand und der Chorleiter der NSDAP oder einer anderen NS-Organisation beitreten müssen. Und das wollten sie nicht. Am 3. April erfolgte vom dazu bevollmächtigten Vorstand die Auflösung des Vereins und gleichzeitig bedeutete dies den Austritt aus dem Deutschen Arbeiter-Sängerbund.

Der Verein hatte 30 Mitglieder, gesungen wurde im Gasthaus Barsch, heute Maschstraße 35, und der monatliche Beitrag betrug 12 Pfennig pro Sänger. Das waren 10,80 Mark Einnahme im Vierteljahr und auch dies Geld war nicht immer beizutreiben. Aber kommunistisches Vereinsvermögen sollte laut Gesetz eingezogen werden. Nach den mir vorliegenden Akten hatte der Verein offiziell noch Schulden. Es musste lt. einer beigefügten Quittung sogar der Notenschrank für 35 Mark an ein Vorstandsmitglied verkauft werden, um diese zu begleichen.

Bei genauerem Studium der Akten stellte ich aber außergewöhnlich hohe Ausgaben in den Wochen kurz vor Auflösung des Vereins fest und ich habe den starken Verdacht, dass es den Sängern gelungen ist, den Nazis ein Schnippchen zu schlagen und ihr Vereinsvermögen selber noch zu verjubeln. Mit Schreiben vom 29. September 1933 wurde dann vom Regierungspräsidenten lt. Gesetz über die Einziehung kommunistischen Vermögens die Beschlagnahme von einem Sparguthaben des Volkschors in Höhe von gerade noch 48 Pfennig bei der Spar- und Darlehenskasse in Rössing verfügt.

Der Männergesangverein von 1865 „Concordia“
Außerdem gab es in Rössing den Männergesangverein von 1865, der anscheinend als Neue Liedertafel nach dem Ersten Weltkrieg, mitten in der Inflation 1923 neu gegründet wurde. Sport- und Gesangvereine hatten in dieser Zeit eine besondere gesellige Bedeutung, waren sie auf dem Lande doch meist das einzige Freizeitangebot. Der Verein überlebte die Gleichschaltung 1933, wurde Mitglied im Deutschen Sängerbund, Gau VI, Niedersachsen und nannte sich nun Männergesangverein von 1865 „Concordia“. Er hatte 33 aktive und 62 passive Mitglieder, gesungen wurde im Gasthaus Rodewald. Erster Vorsitzender war 1933 Karl Pahl, Reichsbahn-Obersekretär, der aber auch seinen Ärger mit den Nazis hatte.

Zur Stärkung der Volksgemeinschaft und der Darstellung der Einigkeit des Deutschen Volkes: Ein Volk, ein Reich, ein Führer, wurden Feste wie Erntedanktag, erster Mai usw. in Großkundgebungen gefeiert. Dazu erhielt der Vorsitzende der Concordia für ein Gemeinschaftssingen am Erntedanktag 1934 mit möglichst allen Dorfbewohnern, einschließlich der Hitlerjugend und der Ortsgruppe des KdF, der Organisation Kraft durch Freude genaue Merkblätter vom NS-Sängerbund was wann, wo und von wem auf der Veranstaltung gesungen werden sollte, staatliche Lenkung auf jeder Ebene.
Im April 1935 erhielt Pahl vom Schulenburger Ortsgruppenleiter Pollkehn einen Brief, in dem dieser beanstandete, dass in der Rössinger Concordia ein Mitglied nicht arischer Abstammung geführt wurde, nämlich der Schlachter Karl Blumenthal.
„Ich darf es nicht mehr dulden, dass Parteigenossen diesem Verein weiter angehören. Im dritten Jahr nach der Machtübernahme unseres Führers bitte ich Sie dafür Sorge zu tragen, dass der dortige Gesangverein nach den Grundsätzen des dritten Reiches geführt wird. Ferner behalte ich mir vor, ob ich nicht Schritte beim Deutschen Sängerbund unternehmen werde.
Heil Hitler      gez. Pollkehn, Ortsgruppenleiter
Der erste Vorsitzende Karl Pahl sandte den Brief an den Kreisführer Ihde in Hildesheim mit der Bitte um weitere Veranlassung. Er schreibt:

Ich bemerke dazu, dass es sich um unser Vereinsmitglied Karl Blumenthal handelt. Derselbe ist über 10 Jahre Mitglied und Frontkämpfer. Nach den Richtlinien des Deutschen Sängerbundes vom 20. Sept.1933 ist bei diesen weitgehende Rücksicht empfohlen.

Obwohl Ihde Pahl schon einmal seine Zustimmung gegeben hatte, konnten sie Blumenthal nicht halten, ohne selbst in größere Schwierigkeiten zu kommen.

Aber die Querelen hörten nicht auf. Einige Mitglieder des ehemaligen Volkschors wollten der Concordia beitreten, die wohl unter Mitgliederschwund litt, verlangten aber, dass der langjährige Chorleiter Renziehausen durch einen anderen, am liebsten ihren alten, Lehrer Künnecke, ersetzt würde, wenn dieser die Erlaubnis von der Regierung erhielte zu dirigieren. In seinem Kündigungsschreiben an Renziehausen bedauert Pahl den Vorgang:

„(…) schweren Herzens schreibe ich Ihnen diesen Brief. Ich habe mich bisher immer noch passiv verhalten.Am liebsten möchte ich den ganzen Kram hinschmeißen, mag das aber den alten Sangesbrüdern noch nicht antun.“

Offenbar waren dort auch politische Gründe im Spiel, und Pahl behielt sich seinen späteren Rücktritt vor.Als der Sängerkreis Hildesheim am 13. Mai 1933 in Elze seinen Kreistag veranstaltete, bat Pahl den zuständigen SA-Führer schriftlich, die 13 nachstehend aufgeführten SA-Männer, die auch Mitglied im Gesangverein waren, für ein Probesingen und die Sängerveranstaltung am Sonntag vom SA-Dienst zu entbinden.

Der deutsche Sängerbund steht ja auch auf dem Boden der heutigen Regierung und verfolgt und pflegt die Ziele unseres obersten Führers Adolf Hitler. Ich bitte daher nochmals, wenn irgend möglich, die genannten vom Dienst zu entbinden.

Mit deutschem Gruß und Heil Hitler
Pahl, Vereinsführer

Es handelte sich um die Herren:
Winte Walter                    Klenke Fritz                          Gott Heinrich
Alves Georg                       Baumgarten Ernst              Alpers Heinrich
Blume August                   Baumgarten Hermann      Baumgarten Adolf
Baumgarten Karl             Baumgarten Fritz               Kregel Fritz
Othmer Henry

Daraufhin schickte der Schulenburger Ortsgruppenleiter, der schon öfter genannte Pollkehne, bekannt als ganz harter Hund, im Auftrag der Kreisleitung an alle Vereine die Aufforderung:

„Sämtliche Vereine haben in Zukunft jede Veranstaltung, gleich welcher Art, dem Ortsgruppenpropagandaleiter bis zum 25. des jeweiligen (vorherigen) Monats zu melden, damit keinerlei Überschneidungen mehr vorkommen und nötigenfalls wichtige politische Veranstaltungen wegen Vereinsmeierei abgesetzt werden müssen.“

So massiv griff die Partei in die kleinsten dörflichen Gemeinschaften ein, um sich alles diktatorisch unterzuordnen

Nichtteilnahme an politischen Veranstaltungen wurde übel vermerkt. Als meine Mutter einmal nach der Aufforderung an einer politischen Versammlung teilzunehmen bemerkte: “Ach das weiß ich doch alles, was da erzählt wird“, wurde sie zur Ortsgruppenleitung bestellt. Sie wurde unter Androhung von Konzentrationslager aufgefordert, solche Äußerungen in Zukunft zu unterlassen. So hielt man die Menschen in Schach.

Am 2. Mai 1933 waren auch die freien Gewerkschaften aufgelöst worden. Eine Woche später erfolgte die Gründung der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF) als Zwangsorganisation aller Arbeitnehmer und ab November auch aller Arbeitgeber. Sie wurde der NSDAP unterstellt und Hitler brüstete sich stolz damit: „Wir sind das erste Land Europas, das den Klassenkampf überwunden hat, weil Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einer gemeinsamen Organisation vertreten sind.“

Aber die DAF hatte mit den klassischen Funktionen der Gewerkschaften nichts mehr zu tun, schaffte sie doch sofort die Tarifautonomie und das Streikrecht ab.

Das stattliche Vermögen der Gewerkschaften wurde beschlagnahmt und die DAF benutzte es zur Befriedung der Arbeiter mit betrieblichen Sozialeinrichtungen und „Kraft durch Freude“-Reisen.

„Kraft durch Freude“ war eine NS-Organisation, die linientreuen Mitgliedern preiswerte Ferienreisen und sogar Kreuzfahrten vermittelte, wie z. B. auf der Wilhelm Gustloff, die dann 1945 vor Kriegsende in der Ostsee mit mehreren 1000 Flüchtlingen aus Ostpreußen bei einem Torpedoangriff der Russen unterging.

Sie verschaffte aber auch den Dorfbewohnern und Schülern sehr begehrte verbilligte Eintrittskarten für Theaterbesuche, z. B. ins Mellini-Theater in Hannover. Pane et circense, Brot und Spiele, war schon das Leitmotiv der alten Römer für ihre Sklaven, das auch die Nazis befolgten. Aufwendige Ausstattungs- und Musikfilme zogen die Menschen ins Kino. Stars wie Marika Rökk, Johannes Heesters oder Zarah Leander entführten die Menschen in eine Traumwelt, die sie ihren grauen Alltag vergessen ließen, der in den Krieg und eine 60-Stunden-Woche führte.

 

Kleinkaliber-Schießverein
Die Gründung von Vereinen, die die Wehrfähigkeit der Bevölkerung verbesserten, wie Kleinkaliber- und Schützenvereine, wurden von der Obrigkeit gern gesehen. So warb der neue Kleinkaliber-Schießverein in Rössing um Schützen.

Am 9. Mai 1934 richteten Vereinsführer Rakebrandt und Werbewart Glockemann des Kleinkaliber-Schießvereins ein Schreiben an den Gesangverein Concordia und warben um Mitglieder für ihren neugegründeten Verein, der sich auf der von Rössingschen Obstwiese etabliert hatte, wie mir berichtet wurde. Das Schreiben lautet:

Durch den Versailler Vertrag ist es uns genommen worden, unsere Wehrkraft durch festes Militär auszubauen. Es ist daher Pflicht eines jeden Deutschen, sich durch die bestehenden Schießvereine dem Wehrsport anzuschließen und diesen nach besten Kräften zu fördern.

Es wurde zu einem Werbetag eingeladen, ich zitiere: „- wie er uns von unserer Reichssportbehörde vorgeschrieben ist.“ Schon damals deuteten also alle Zeichen auf Krieg. Es wurde nur nicht richtig zur Kenntnis genommen.

Der besagte von Rössingsche Obstgarten kam 1943 beim Rössinger Gemeinderat wieder ins Gespräch, als der Freiherr von Rössing den Antrag stellte, das Grundbuch zu berichtigen, die drei Eichen gehörten nicht der Gemeinde, sondern sei von Rössingscher Privatbesitz. Diese Differenzen bestanden schon seit 1848, als bei der großen Agrarreform und Flurbereinigung der Fußweg dort zwischen Mauer und Teich in der „Theilungskarte“ als Gemeindeweg bezeichnet wurde. Die Gemeinde berief sich dabei immer auf das Gewohnheitsrecht, man sei dort schon über 40 Jahre ungestört durchgegangen. Man erklärte sich aber bereit, unter den Eichen und einem Stück des von Rössingschen Obstgarten nach Beendigung des natürlich siegreichen Krieges dort einen Ehrenhain für die gefallenen Rössinger zu errichten und alles als von Rössingsche Stiftung ins Grundbuch einzutragen. Dies Ansinnen war eine Unverschämtheit und kam einer Enteignung gleich. Die drei Eichen, die 1985 in unser Ortswappen aufgenommen wurden, waren damals 1943 unter Naturschutz gestellt worden. Ohne Zweifel gehörte dies Gelände ursprünglich zum von Rössingschen Grund und Boden. Aber heute ist die Familie eigentlich froh darüber, dass die Gemeinde zuständig ist, denn die Pflege und Erhaltung dieser Rieseneichen erfordern einen riesigen finanziellen und maschinellen Aufwand.

 

Die Kyffhäuserkameradschaft

Die neuen Schießverbände waren den Nazis genehm, die alten Soldatenverbände waren ihnen dagegen ein Dorn im Auge.

Die Kyffhäuserkameradschaft als Soldatenbund war schon nach dem Krieg 1870-71 gegründet worden und einer der ältesten Vereine in Rössing. Er pflegte nicht nur die soldatische Tradition sondern kümmerte sich vor allem auch um die Witwen und Waisen der gefallenen Kameraden. Einige Zeit nach dem Ersten Weltkrieg fanden sich die ehemaligen Frontsoldaten wieder zusammen und auch Karl Blumenthal als jüdischer Weltkriegsteilnehmer und Inhaber des „EisernenKreuzes“ war dort geachtetes Mitglied. Die Stahlhelmer fanden dort ebenfalls ihre mehr konservativ-rechts ausgerichtete politische Heimat. Einen eigenen Stahlhelmbund hat es meines Wissens in Rössing nicht gegeben, allerdings Sympathisanten und passive Mitglieder. Die Kyffhäuser-Kameradschaft war 1931 auf 120 Mitglieder angewachsen und im März 1935 wurden sie als NS-Frontkämpferbund gleichgeschaltet. Damals erhielten sie eine neue Fahne, in die das Hakenkreuz eingearbeitet war. Sie verschwand 1945, während die alte Fahne von der Gründung noch vorhanden ist. 1943 nach der Tragödie von Stalingrad, als die ganze sechste Armee für einen Heldenmythos geopfert wurde, wurden von Hitler alle alten und neuen Soldatenbünde aufgelöst und diese Tatsache für sich spricht Bände.

 

Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold

Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold dagegen gab es als eigene Gruppe in Rössing.

Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold war das republikanische Pendant der Stahlhelmer, das sich für die Weimarer Verfassung einsetzte. Seine Rössinger Mitglieder hatten 1931 bei der Gemeinde den Antrag gestellt, den Sportplatz mitbenutzen zu dürfen, was ihnen auch gestattet wurde. Dieser Sportplatz lag westlich hinter dem heutigen, Richtung Leine, wo jetzt das Kieswerk ist und war eigentlich nur eine Wiese zum Fußballspielen. Sie wurde vom Schäfer mit seiner Herde beweidet und die Sportler fanden das gar nicht immer so lustig, wenn sie auf dem Schafmist ausrutschten. Aber bald nach der Machtübernahme am 11. März 1933 wurde das Reichsbanner von den Nationalsozialisten verboten.

Übrigens lag der aller erste Rössinger Sportplatz, unter den Eschen auf Calenberger Domänenland und war auch nur eine Wiese mit zwei Toren, wo von 1913 bis 1926 Fußball gespielt wurde.

 

Die Rössinger SA
Eine Formation der SA gab es in Rössing ebenfalls schon vor dem 30. Januar 1933. Treffpunkt der SA war Gasthaus Heise (Adeliger Krug), das nach dem Krieg von Hübner übernommen wurde. Auch hier wurden, wie in den Städten, politische Überzeugungen mit körperlicher Gewalt ausgetragen. Schlägereien im Loderwinkel und am Stammlokal der SA Heise, zwischen SPD-Anhängern, Kommunisten und SA waren auch hier politischer Alltag, wie mir berichtet wurde. Ein Schmiedegeselle von Schmied Schökel (wahrscheinlich Leinkamp 10), ein überzeugter NSDAP-Anhänger, hatte ein eisernes Hakenkreuz geschmiedet und es hoch oben an der mittleren der drei Eichen aufgehängt, so hoch, dass niemand daran kam, um es wieder abzunehmen. Kurz darauf war er verschwunden und ist nie wieder aufgetaucht. Man sprach von einem Verbrechen, das aber nie aufgeklärt wurde.

Die SA beteiligte sich auch an den Bücherverbrennungen, die vielerorts am 10. Mai 1933 in einer organisierten Aktion durchgeführt wurden. Dies betraf Werke sozialistischer, pazifistischer, jüdischer und liberaler Autoren. In Rössing brannte es am Pastorenthie, wie mir erzählt wurde, aber hauptsächlich spielten sich die Bücherverbrennungen in den Städten ab.

Im Mai 1934 hatte die SA den Gemeinderat um einen Zuschuss für ihre Ausrüstung gebeten, den dieser auch der SA-Standarte 612 einstimmig in Höhe von 600 Mark bewilligte, eine stolze Summe

Die SA hatte Donnerstag und Sonntagvormittags Dienst und marschierte mit Vorliebe mit klingendem Spiel die Maschstrasse entlang, vereint mit den SA-Leuten aus Giften und Barnten. Führer der örtlichen SA war Otto Altendorf, ein strammer Nazi, der lt. Schulchronik auch Musikzugführer des Jungvolks und der Hitlerjugend war. Außerdem war er Musikzugführer der Freiwilligen Feuerwehr.

Wie groß die SA-Sturmabteilung in Rössing war, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Aber in einem Ort wie Groß-Escherde mit damals schätzungsweise 400 Einwohnern, waren es im Krieg sogar noch 65 SA-Leute, wie in der Reckelschen Chronik von 1995 berichtet wird. Zweimal, es muß1934 und 35 gewesen sein, kam Hitler am Erntedanktag, auf der Fahrt vom oder zum Bückeberg bei Hameln, wo die Riesenkundgebungen stattfanden, die Bundesstrasse 1 entlang. Er stand grüßend mit erhobenem Arm in einem großen offenen Wagen, die Menschen standen dichtgedrängt, uniformiert und nicht uniformiert und jubelten und überreichten Berge von Blumen, die hinter ihm auf den Sitzen lagen und ein zweiter Wagen dahinter war auch noch voll mit Blumen, und ein Rössinger saß am Steuer des ersten Wagens. Die anliegenden Orte wie Groß Escherde und Heyersum mussten Ehrenpforten aufbauen und alle SA-Männer aus der Umgebung, auch aus Rössing waren zum Spalierstehen abkommandiert. Die Familien mit ihren Kindern kamen, um den Führer zu sehen. Mein Mann hat das als kleiner Junge auch selbst miterlebt. Der Jubel grenzte schon an Massenhysterie. In der Inszenierung von Massenveranstaltungen waren die Nazis Meister. Der damalige französische Botschafter André François-Poncet schilderte als Augenzeuge die Feier zum 1. Mai 1933 in Berlin auf dem Tempelhofer Feld unter dem Hakenkreuz.

„Die Scheinwerfer verlöschen mit Ausnahme derer, die den Führer in strahlende Helle tauchen, so dass er wie in einem Märchennachen über dem Gewoge zu seinen Füßen zu stehen scheint. …Es ist die Wirkung, die von ihm auf die Zuhörer ausgeht, eine Wirkung, die weit mehr körperlich als geistig ist, gesteigert durch den Gegensatz von Licht und Schatten, die ganze romantische Aufmachung, die Fahnen und die Uniformen, (…) und die lauschende Menge ist erschüttert und mitgerissen wie der Schiffer durch das Zauberbild der Lorelei.“

Aber wie die Begeisterung dieser Menschen für hohe und ideale Ziele von einem größenwahnsinnigen Machtpolitiker missbraucht werden sollte, das konnte sich damals wohl keiner vorstellen.

Hitlers hypnotische Fähigkeiten als Massenredner, der unerschütterliche Glaube an seine Unbesiegbarkeit und seine Willensstärke machten seinen Erfolg aus, seine Selbstüberschätzung, seine Skrupellosigkeit und der völlige Mangel an Selbstkritik den Untergang.

Und damit möchte ich meine Ausführungen für heute schließen.

Ich spreche über eine Zeit von 12 Jahren, die die ganze Welt veränderten, und dafür reicht eine Stunde nicht aus.

Ich werde also den zweiten Teil heute in einer Woche vortragen, dann geht es weiter über die NS-Organisationen, über die Jugend, die Hitlerjugend, aus der Schulchronik, über die Kriegszeit und das Schicksal der jüdischen Familie Blumenthal.

Also am 13. Oktober, d. h. in einer Woche, zur gleichen Zeit am selben Ort und ich würde mich freuen, sie dann alle wieder zu treffen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Die Zeit des Dritten Reiches von 1933 bis 1945 in Rössing

Teil 2 

Im ersten Teil meiner Ausführungen über die NS-Zeit in der vorigen Woche habe ich versucht deutlich zu machen, wieso Hitler mit seinen Ideen solchen Erfolg in Deutschland hatte. Heute berichte ich aus der Zeit, als Hitler fest im Sattel saß, als alle politischen Parteien außer der NSDAP verboten waren und sein Einparteiensystem fest etabliert war. Er hatte wirklich die Arbeitslosigkeit in ca. zwei Jahren beseitigt, wie versprochen, die Menschen fassten wieder Hoffnung und fast alle jubelten ihm zu. Durch die Gleichschaltung sämtlicher Organisationen und Länderparlamente war jegliche Opposition ausgeschaltet und alles unterstand einer starken Zentralgewalt, verkörpert durch den Diktator Adolf Hitler und seine NSDAP

Vorige Woche hatte ich mich als Quelle bei meinen Berichten über Rössing auf die Ortsratsprotokolle und Vereinsakten gestützt, heute berichte ich über die hiesigen NS-Organisationen, aus der Schulchronik, über die Hitlerjugend, die Kriegszeit und das Schicksal der jüdischen Familie Blumenthal.

 

NS-Organisationen

Im Reich waren nach 1933 alle Wohlfahrtsverbände aufgelöst und in NS-Organisationen umgewandelt worden. Aus dem Vaterländischen Frauenverein in Rössing wurde ein Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes. Der Vaterländische Frauenverein war eine Gründung der Familie von Rössing während des ersten Weltkrieges gewesen und hatte sich um Verwundete gekümmert und Bedürftige unterstützt. In den Notzeiten danach unterstützte Familie von Rössing durch private Hilfsmaßnahmen notleidende Rössinger Familien nach der Geburt eines Kindes, indem diese sich eine Zeitlang Mittagessen aus der Schlossküche holen konnten, ältere Rössinger erinnern sich heute noch voll Dankbarkeit daran. Aber auch das DRK war immer ein besonderes Anliegen der von Rössingschen Damen, wie wir alle wissen.

Die meisten anderen Wohlfahrtsverbände waren in der NSV aufgegangen, in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt.
Ein NSV-Kindergarten für Rössing
Die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt, kurz NSV genannt, stellte am 17. Mai 1938 eine Gemeindeschwester ein und richtete in Rössing den ersten Kindergarten ein, der von Frl. Hövermann geleitet wurde, die später Herrn Bormann heiratete. Der Kindergarten wurde in einem behelfsmäßigen Flachbau am ehemaligen Karussellplatz, an der Ecke Leinkamp und Kirchstraße untergebracht. Einige ältere Rössinger, die ihn als Kinder selbst besucht haben, können sich noch daran erinnern. Das Gebäude wurde später abgerissen.

Aber für Veranstaltungen wurde ab 1.April 1944 der Saal bei Willenbrink, ehemals Gasthaus Heise, später Hübner angemietet und zwar für 2 Pfennig pro qm und Tag. Die NSV-Kreisleitung zahlte davon 60, die Gemeindeverwaltung 40 und die Ortsgruppe der NSDAP 20 RM pro Monat. Kassenwart für die NSV Ortsgruppe war Herr Eber, der Vater von Herrn Prof. Wolfgang Eber, der seine Kindheit in Rössing verlebt hat und sehr viel Anteil an unserer Arbeit nimmt und sie auch schon finanziell unterstützt hat. Sein Vater war städtischer Angestellter in Hannover, musste aber, da er kein Parteigenosse war, irgendeiner NS-Organisation beitreten. Er entschied sich für die NSV, wurde Kassenverwalter und musste nach dem Krieg ein langwieriges Entnazifizierungsverfahren über sich ergehen lassen, bei dem 1946 der damalige Bürgermeister Böllersen und die Lehrerin Frl. Flüggen als Entlastungszeugen für ihn gutsagten, dass er sich unermüdlich für die hiesigen Flüchtlinge eingesetzt habe. Die NS-Volkswohlfahrt kümmerte sich während des Krieges um die Evakuierten und Ausgebombten und später um die Flüchtlinge aus dem Osten und organisierte deren Unterbringung und Verpflegung und war ein gut funktionierendes Organ. Mit Kriegsende verschwand auch der Kindergarten wieder und erst 1971 wurde ein Kinderspielkreis und 1994 ein neuer Kindergarten gegründet.
NS-Propaganda für Kinder
Schon die Kinder wurden im Dritten Reich mit der NS-Ideologie massiv berieselt nach dem Motto: Wer die Jugend hat, hat die Zukunft.

Im Nachlaß von Friedel Koch, einem der letzten Bauern in Rössing, fanden sich in zwei alten Koffern vom Dachboden, die niemand mehr haben wollte und die auch nicht mehr auf dem Flohmarkt zu verhökern waren und schließlich bei der Dorfpflege landeten, interessante Zeitschriften aus dieser Zeit.

Eine war die Kinderpost

„ZU GOTTES EHR – ZUR FREUD UND LEHR“

Zeitschriften für etwa sechs- bis 10-jährige Kinder von 1937/38 und 39. Zuerst dachte ich, es seien Kindergottesdienstblätter – wegen des Titels, aber das war nicht der Fall.

In jedem dieser Kinderhefte waren u. a. Werbeanzeigen von nationalsozialistischen Organisationen mit Bildern und markigen Sprüchen

Kinder-Hilfswerk: „Nehmt ein Ferienkind auf, in der Jugend liegt unsere Zukunft.“

WHW Winterhilfswerk: „Kein anständiger Deutscher kann sich dem Ruf des WHW-Sammlers entziehen, denn er steht im Dienst der Volksgemeinschaft. Nur durch diese Gemeinschaft lebst auch Du.“

Denn für alles wurde gesammelt. Es war überhaupt ein Merkmal dieses Systems, dass ständig versucht wurde, den Bürgern das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Mit Parolen wie: „Bekennst Du Dich zum nationalsozialistischen Staat? Dann hinein in die NS-Volkswohlfahrt.“ „Spende für das Winterhilfswerk“ oder die Jugendherbergen, oder den VDA, das war der Verein der Deutschen im Ausland. Das mussten immer die Schulkinder machen. Der VDA verkaufte zu Weihnachten jedes Jahr dunkelblaue Kerzen für 30 Pfennig. Auch heute noch denke ich jedes Mal, wenn ich eine dunkelblaue Kerze sehe: Eine VDA-Kerze. So hat sich das eingeprägt.
Wer nicht genug spendete, wurde angeprangert.

Oder bei Kriegsausbruch:

„Vor keinem Feind wird Deutschland kapitulieren. Ein Volk hilft sich selbst. Darum opfere für das Kriegs – WHW.“
Ein Zitat von Hitler selbst am 1. Sept. 1939:

“Wenn unser Wille so stark ist, dass keine Not ihn mehr zu zwingen vermag, wird unser Wille und unser deutscher Stahl auch die Not zerbrechen und besiegen.“

Hitlers Glaube, unbesiegbar zu sein, allein durch seinen Willen, kommt hier deutlich zum Ausdruck. Ein Reichsparteitag hieß auch: Triumph des Willens. Der Personenkult um Hitler machte vor der Kinderlektüre nicht Halt.

Zu Neujahr 1937 heißt es auf dem Titelblatt:

Lobt Gott den Herrn!
Dankt ihm, dass er das Vaterland
Hielt fest in seiner starken Hand,
Und betet, dass im neuen Jahr
Er Volk und Führer treu bewahr!

Oder zum Erntedankfest 1938:

Auch wir wollen diesen Tag begehen mit dankbarem Herzen gegen Gott, den Spender alles Guten, und voll Dankbarkeit gegen den Führer, der sein Volk mit sicherer Hand durch alle Gefahren der aufgeregten Welt hindurchgeleitet hat und als Mann der Vorsehung unermüdlich dafür sorgt, dass wir alle Arbeit und Brot haben.

Mit Kriegsbeginn 1939 veränderte sich dann auch der Inhalt der kindlichen Geschichten in den Heften. Nun hieß es:

„U-Boot Nr. 9 vernichtet 3 englische Kreuzer“
„Kriegers Morgengebet“ oder
„Fallschirmjäger im Einsatz“

 

„Hilf mit“, die illustrierte Deutsche Schülerzeitung

Die illustrierte deutsche Schülerzeitung, also für die älteren Kinder, die vom NS-Lehrerbund herausgegeben wurde und von der sich ebenfalls noch eine Reihe Exemplare ab 1934 auf einem Rössinger Hausboden gefunden hat, hieß Hilf mit. Ich erinnere mich selbst noch genau an diese Hefte, die wir mit Begeisterung gelesen haben. Begriffe wie Ehre, Treue, Kameradschaft und Vaterlandsliebe begeisterten eine idealistische Jugend und sprachen ihre edelsten Instinkte an.
Die Werbung und Idealisierung des Bauernstandes, dessen Zukunft in den unendlichen Weiten des Ostens liegen sollte. Lieder wie: „Nach Ostland wollen wir reiten“, und andere kriegerische Lieder sangen wir ohne nachzudenken.

Zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl und schnell wie Windhunde wollte Hitler die Jugend.

Führergläubig und opferbereit wurde diese Jugend in einen entsetzlichen Krieg geschickt und verblutete zu Millionen.

Als mein Mann und ich im Sommer vorigen Jahres auf einer Reise in die Ukraine durch die unermessliche Weite und die endlosen Steppen Rußlands fuhren und am Ufer der gewaltigen und eigentlich unüberwindlichen Ströme wie dem Dnjepr standen und auf einem riesigen Soldatenfriedhof auf der Halbinsel Krim im Schwarzen Meer mit Zigtausend Toten, da kam uns noch einmal der ganze Wahnsinn dieses Krieges an.

 

Auch für die Eltern gab es NS-Lektüre

Die Zeitschrift „Reichs-Elternwarte“ versprach dem Erzieher, dem Lehrer, ein engster Bundesgenosse zu werden im Kampf um das Elternhaus mit dem Gedanken nationalsozialistischer Jugenderziehung zum Dienst am Volkstum und Staat. Gefördert werden sollte die Stählung des Charakters und der Selbstzucht und körperliche Schulung für den künftigen einsatzbereiten Staatsbürger. Stets wurde für die Berufsauffassung herausgestellt: „Du arbeitest nicht für Dich oder bestenfalls Deine Familie – alle Arbeit geschieht für die Gemeinschaft, als sittliche Verpflichtung für Dein Volk und den Staat. Alle deutschen Schulen haben nur ein Ziel, die Erziehung zum Staate.“
Führerprinzip und Rassenideologie

Zu dem nationalsozialistischen Gedankengut gehörte vor allem auch das Führerprinzip, einer mit diktatorischen Vollmachten ausgestatteten Herrschaftskultur. Die Entscheidungen des Führers galten als unfehlbar und unanfechtbar. Der Führerkult war an die Person Adolf Hitlers gebunden: „Führer befiel, wir folgen dir.“

Weiterer Kernpunkt der nationalsozialistischen Ideologie war die Rassenlehre, die auch im Parteiprogramm der NSDAP verankert ist. Sie enthielt vor allem zwei Hauptgesichtspunkte: den völkischen Nationalismus und den Antisemitismus, beides in übersteigerter Form.

Dem Germanenkult von Hitler wurde in der Elternwarte reichlich Tribut gezollt. In Fotoreportagen wurden mit Röntgenbild und Zentimetermaß Charaktereigenschaften und die rassischen Merkmale der germanischen Rasse herausgestellt, die es als solche nie gegeben hat, nur Stämme, die sich auch in ihren äußeren Merkmalen unterschieden.

Hitler hätte ja am liebsten alle Deutschen nordisch schön, blond und blauäugig gehabt, obwohl er selbst diesem Idealbild in keiner Weise entsprach.

Eine gemeinsame Schulerziehung von Jungen und Mädchen widersprach nationalsozialistischem Erziehungsgeiste, sie sollten getrennt unterrichtet werden. Die Mädchen sollten in erster Linie im Sinne des NS für ihre eigentliche weibliche Aufgabe als Frauen und Mütter erzogen werden, als Wächterin der Familie, Mutter ihrer Kinder und gehorsame Helferin ihres Mannes. Pflichtjahr, weiblicher Arbeitsdienst, auch für Mädchen, die studieren wollten, mindestens ein halbes Jahr: Der Weg zum Hörsaal führt durch die Küche, hieß es. Frauenstudium wurde nicht gefördert, sondern im Gegenteil ihre Zulassung beschränkt. Ärztinnen bekamen Schwierigkeiten und Hitler verfügte persönlich, dass Juristinnen weder Richter noch Anwälte werden konnten. Die Ehe wurde als Mittel zur Vermehrung und Art der Rasse betrachtet. Kinderreichtum wurde propagiert. Reden an die deutsche Frau von der Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klinck, die 11 Kinder hatte, taten das ihrige. Es gab das Mutterkreuz als Auszeichnung in mehreren Stufen ab vier Kinder bzw. Geburten. Im Krieg kursierte der Spruch: „Räder müssen rollen für den Sieg, Kinderwagen für den nächsten Krieg.“

Einfachheit wurde gepredigt, Lippenstift, Make-up und Rauchen  waren verpönt. Rassereinheit war oberstes Gebot. Beziehungen zu Juden, Farbigen oder Schwarzen waren verboten.
Die Rössinger Schulchronik
In Rössing ist die  Schulchronik eine sehr ergiebige Quelle für das Leben der Schuljugend in dieser Zeit. Sie vermeldet 1933 als das Jahr der nationalen Erhebung und man spürt die Begeisterung des Chronikschreibers. Aus politischen Gründen bekamen die Kinder häufig schulfrei und es wurden sehr viel Gedenkfeiern veranstaltet. Egal aus welchem Grund, schulfrei gefällt Kindern natürlich immer.

So hieß es im Jahr 1933:

05. März:
nach dem Wahlsieg der NSDAP mit 44 % ,ein Tag schulfrei. Die Schule zeigte als Flaggenschmuck die schwarz-weiß-rote und die Hakenkreuzfahne vom Montag bis Mittwoch, lt. Anordnung Hitlers.

21. März
Radioübertragung der Rede Hitlers aus der Potsdamer Garnisonkirche mittels des Frl. Ewert gehörigen Rundfunkgerätes, danach schulfrei

20. April:
Hitlers Geburtstag, schulfrei

27. Mai:
Gedenkfeier für Albert Leo Schlageter, der 1923 während der Besetzung des Ruhrgebietes von den Franzosen erschossen wurde

24. Juni:
Tag der deutschen Jugend, Sonnenwendfeier, schulfrei, hier knüpfte man an germanische Traditionsfeste an.

28. Juni:
Gedenkfeier wegen Unterzeichnung des Versailler Vertrages 1919

15. August:
Schulwandertag

02. Sept:
Reichsparteitag in Nürnberg, zusätzlicher Wandertag für alle Schulen

11. Sept:
Gedenkfeier der Schlacht vor Wien 1683

16. Sept:
Reichsjugendwettkämpfe, Sportwettkämpfe gab es  regelmäßig.
Es ging noch einige Zeit weiter mit den vielen schulfreien Tagen aus politischen Gründen. Wenn Hitler oder Goebbels in Berlin, auf dem Reichsparteitag in Nürnberg oder sonst wo eine Rede hielten, wurde für die Schulen Gemeinschaftsempfang für die Rundfunkübertragung angeordnet.

Die Schilderungen in der Schulchronik über die Vorgänge im Jahre 1933 stammen nicht aus der Feder von Christfried Meyn, der als überzeugter Nationalsozialist bekannt war. Der war zu diesem Zeitpunkt nicht Lehrer in Rössing. 1929/30 war er neun Monate vertretungsweise hier. Dann kam er am 1. Okt.1935 wieder und blieb bis zum Ende des Krieges 1945 mit Ausnahme einer Zeit von eineinhalb Jahren, in denen er eingezogene Kollegen in Sorsum und Wülfingen vertreten musste. Seine ehemaligen Schüler berichten, dass er morgens immer mit einem zackigen Heil Hitler die Klasse betrat, was die Schüler ebenso zackig erwidern mussten. Und dann wurde das Lied gesungen: Nimmer wird das Reich zerstöret, wenn wir einig sind und treu, jeden Morgen, und das als Kanon.

Meyn gehörte auch zur SA, den Braunhemden, und wenn ihm eins der Schulkinder im Dorf begegnete, erwartete er, dass ihm schon von weitem der Arm zu einem schneidigen Hitlergruß entgegen gereckt wurde.

Trotzdem war er bei seinen Schülern sehr beliebt, obwohl er, wie andere Lehrer auch, ab und zu vom Rohrstock Gebrauch machte. Der Hitlergruß war ja sowieso obligatorisch, statt Guten Tag hieß es mit erhobenem rechten Arm: Heil Hitler.

Beim Zusammenbruch im Mai 1945 wurde Herr Meyn inhaftiert und seines Amtes als Lehrer enthoben. Später lebte er dann in Hameln und hat auch wieder Unterricht erteilt.

Wochensprüche in der Schule, um einen Gedanken des Führers in das Volk zu bringen, galten als wertvolles Rüstzeug und für den nationalpolitischen Unterricht als unentbehrlich. Z.B: Ich glaube an das deutsche Volk, an die Kraft der Persönlichkeit und an die Notwendigkeit des Kampfes oder: Wer sein Volk liebt, beweist es einzig und allein durch die Opfer, die er für dieses zu bringen bereit ist.

Es wurde gesammelt für den VDA, die NS-Frauenschaft, für das Jugendherbergswerk, die Pfundspende für die NS-Volksfürsorge, und die Schüler sammelten Rosskastanien zur Behebung der Futtermittelknappheit.

1936 hatte Hitler sich über den Versailler Vertrag hinweggesetzt: Deutschland bewaffnete sich wieder. In der Schule wurde jedes Jahr an diesem Tag daran erinnert.

Die Frauen waren organisiert in der NS-Frauenschaft und die Mutter von Werner Kreipe, Marie Kreipe, war ihre Leiterin. Hier wurden Strümpfe und Handschuhe gestrickt und Pakete an die Front geschickt. Außerdem widmete man sich der Fürsorge für die Verwundeten. Nach dem Krieg wurde zunächst das Vermögen von Marie Kreipe konfisziert, aber nach einiger Zeit wurde es wieder freigegeben, weil man ihr keine verbrecherischen Handlungen nachweisen konnte.

 

Baldur von Schirach wird Reichsjugendführer

Am 8. Juli 1933 war Baldur von Schirach zum Reichsjugendführer der NSDAP ernannt worden. Er verfügte sofort die Auflösung aller Jugendverbände der politischen Parteien wie z. B. der Falken, aber auch der sonstigen Jugendbünde, wie Wandervögel, Pfadfinder, Naturfreunde, der Bündischen Jugend usw. und die Sperrung ihres Vermögens. Es gab nur noch die Hitlerjugend. Auch die Dachverbände der Sportvereine waren der NSDAP unterstellt.

Am 7. Juni 1934 erfolgte die Einführung des Staatsjugendtages, schulfreier Sonnabend für die HJ-Mitglieder, für die anderen war Schulunterricht. In Rössing waren fast alle Kinder in der HJ, es verblieben so wenige in der Schule, dass ein geordneter Unterricht nicht möglich war.

Am 1. Dezember 1936 erfolgt das Gesetz über die Hitlerjugend, und der schulfreie Sonnabend als Staatsjugendtag wurde wieder abgeschafft, was wir Jugendlichen natürlich sehr bedauerten.

§ 1
Die gesamte deutsche Jugend innerhalb des Reichsgebietes ist in der Hitlerjugend zusammengefasst.

§ 2
Die gesamte deutsche Jugend ist außer in Elternhaus und Schule in der Hitlerjugend körperlich, geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen.

Sport, die körperliche Ertüchtigung wurde ganz groß geschrieben. Nach den Herbstferien 1937 wurden für die Jungen wöchentlich fünf Turnstunden in der  Schule angesetzt.Für die Jungen, die in der Industrie, z. B. den Wülfeler Eisenwerken eine Lehrlingsausbildung machten, stand jeden Morgen eine halbe Stunde Sport auf dem Lehrplan, die als Arbeitszeit galt.

 

Die Hitlerjugend

Am 25. März 1939 kam die Einführung der Jugenddienstpflicht. Alle Jugendlichen vom 10. bis zum vollendeten 19. Lebensjahr waren verpflichtet, in der Hitlerjugend Dienst zu tun. Anfang 1939 waren es 9 Mill. 140 000 Mitglieder. Irgendwann wurde jeder auf Adolf Hitler vereidigt: „Ich verspreche, in der HJ allezeit meine Pflicht zu tun in Liebe und Treue zum Führer und unserer Fahne.“ Aber da waren die meisten längst dabei.

Und das ist die Zeit, an die sich noch eine ganze Reihe Rössinger erinnern, und den meisten hat es Spaß gemacht. Wie sehr wir manipuliert, wie die Jungen körperlich fit gemacht wurden für den Krieg, und unsere Köpfe mit den ständigen NS-Parolen praktisch einer Gehirnwäsche unterzogen wurden, das haben wir gar nicht gemerkt.

Die 10 bis 14jährigen waren die Jungmädel und Pimpfe, die 14 bis 18jährigen BDM-das heißt Bund deutscher Mädchen und Hitlerjugend.

Mittwoch- und Sonnabendnachmittag war HJ-Dienst. In Rössing traf man sich auf dem Schulhof oder auf dem Sportplatz, der damals weiter östlich des heutigen, zur Leine hin lag. Viel Sport, Völkerball, Leichtathletik, die Jungen machten Geländespiele auch gegen andere Dörfer, Kilometer- und Gepäckmärsche als vormilitärische Übung. Bei schlechtem Wetter gab es Heimabende in der Schule und nationalpolitischen Unterricht. Hitlers Lebenslauf mußten wir alle auswendig können. Es wurde viel gewandert und gesungen, natürlich Marschlieder und uniformiert hinter einem Wimpel singend die Straße entlang zu marschieren, fanden wir gut, auch die Mädchen. Die Uniform war ganz wichtig. Weiße Bluse mit Pattentaschen und Abzeichen, an die ein dunkelblauer Rock mit Quetschfalte angeknöpft wurde, dazu die kurzen braunen Jacken, die Kletterwesten, die wir auch Affenjacken nannten, schwarzes gerolltes Dreiecktuch und Lederknoten. Die weißen Blusen hatten entsetzlich viele Knöpfe und es war ein Horror, sie zu bügeln.

Die Pimpfe trugen kurze schwarze Hosen, Braunhemd, Schulterriemen, Koppel, und natürlich das Fahrtenmesser. Aber die Jungen waren diszipliniert und ich habe nicht von einem einzigen Fall gehört, dass es zu Messerstechereien gekommen wäre. Im Winter trugen sie über dem Braunhemd dunkelblaue warme Blusen und Schi- oder Überfallhosen Aber das bürgerte sich erst allmählich ein, weil sie viel Geld kosteten und im Krieg nicht mehr alles zu haben war. Aber die Mädels waren stolz und freuten sich, wenn die Mutti ein Uniformstück ergattert oder selbst genäht hatte.

Die Jugendlichen fühlten sich in einer Gemeinschaft Gleichaltriger anerkannt und geborgen, zu gemeinsamen Unternehmungen wurden sie angeleitet durch ältere Gruppenführer und -führerinnen. Zu den HJ-Führern gehörten u. a. Warneke, Schökel, Willenbrink und Karl Baxmann, der 1944 im Krieg als Hauptmann das Ritterkreuz erhielt und bei seinem Heimaturlaub im Juni 1944 von der Jugend und dem ganzen Dorf begeistert und voller Stolz empfangen wurde, wie es in der Schulchronik ausführlich geschildert wurde.

Bei den Jungmädelführerinnen waren es unter anderen Gisela Harke, später verheiratete Breuer und die Zwillingsmädchen von Kaufmann Glockemann in der Kirchstraße. Diese konnten Akkordeon spielen und bereicherten mit ihrer Quetschkommode, wie wir das damals nannten, die gemeinsamen Stunden. Die Lehrerin „Fräulein“ Ewert war auch BDM-Führerin, wie mir berichtet wurde.

Das Lehrerehepaar Reckel aus Groß-Escherde hatte schon vor 15 Jahren mit seinen Recherchen über die NS-Zeit in ihrem Dorf angefangen. Da waren die Augenzeugenberichte noch sehr viel zahlreicher. Die BDM-Mädchen von damals erzählten als alte Damen beim Kaffeekränzchen, dass sie den Dienst und die Heimabende immer sehr genossen hätten, weil sie dann nicht zu Hause und in der Landwirtschaft helfen mussten.

So ähnlich wird es hier wohl auch in Rössing gewesen sein.

Ein ganz besonderer Höhepunkt muss für die Rössinger Jungen das Sommerlager der HJ in Ruhla in Thüringen gewesen sein, eine Ferienreise nur für Kinder, für viele

die erste Reise überhaupt, oder nach Grünenplan und wenn die Rede darauf kommt, sind sie heute noch begeistert. Für die Mädchen fand ein entsprechendes Lager in Hülsede statt. Aber manche kleine Zehnjährige bekam dann doch plötzlich „Bauchschmerzen“, wenn sie von der Mama fort sollte. Eine frühere Rössingerin, Frau Erker, jetzt in Bodenburg, erzählte mir auch ganz begeistert von den vielen Fahrten, die sie mitgemacht hatte.

Was sie aber nicht daran hinderte, mit ihrer jüdischen Banknachbarin Hanna Blumenthal eng befreundet zu sein.

Die NSDAP war contra Kirche eingestellt.

Die Schulchronik berichtet im März 1938 von Schwierigkeiten mit der Kirche.

Der Gottesdienst für die Schulanfänger war der Partei ein Dorn im Auge und wurde durch Ministererlass aufgehoben. Sonntagsmorgens, wenn die Jugendlichen eigentlich zur Kirche sollten, wurden z.B. in Hannover auch mit Vorliebe billige Kinobesuche, Eintritt 20 Pfennig, im so genannten Gaukino angeboten, das war für uns sehr verlockend. Die Filme hießen natürlich: „Hitlerjunge Quex“, „Fridericus Rex“, „Kolberg“ oder ähnliche Durchhaltefilme. Durch solche Maßnahmen versuchten die Nazis den Einfluss der Kirche auf die Jugend zurückzudrängen.

Pastor Rengstorf, der von 1942 bis 1948 Pastor in Rössing war, kam seinen Konfirmanden immer sehr entgegen, wenn Kirche und Hitlerjugend gleichzeitig Veranstaltungen hatten. Er war nicht auf Konfrontation aus und hatte seinen Frieden mit den Verhältnissen gemacht. Aber wie sehr die NSDAP die Jugendlichen vereinnahmte, zeigt ein Bild mit dem Konfirmationsspruch, das die Kinder vom Pastor bei der Konfirmation erhielten. Es zeigte keinerlei christliche Symbole, sondern eine farbige Darstellung aus dem Siebenjährigen Krieg nach der siegreichen Schlacht bei Leuthen: Unterschrift: „Der Choral von Leuthen“ – ein absolut kriegerisches Bild.
Systematische Kriegsvorbereitung
Aber es kam auch etwas Neues ins Spiel, die schleichende Vorbereitung auf den Krieg, die von uns gar nicht als solche wahrgenommen wurde.

Deutschland rüstete auf, es trat Rohstoffknappheit auf. Göring stellte den Vierjahresplan auf mit dem Ziel der wirtschaftlichen Autarkie, der Unabhängigkeit vom Ausland. Da hieß es dann mit dem üblichen Pathos: Ährenlese durch die Schuljugend – ein Frontabschnitt in der großen Erzeugungsschlacht, die unter der Parole steht: Ein Volk hilft sich selbst.

Die Schulchronik berichtet: Die Jugend musste Altmetall- und -papier sammeln und in den unteren Klassen wurde wieder der Gebrauch von Schiefertafeln statt Heften eingeführt.

Schon am 29. März 1933, also 2 Monate nach der Machtübernahme durch Hitler, wurde der Reichsluftschutzbund gegründet, ein sicheres Indiz dafür, dass wir systematisch auf den Krieg zusteuerten. Welcher normale Staatsbürger hätte damals an so etwas gedacht? Bereits im März 1934 wurden die Kinder in der Schule über Luftschutz belehrt, ein Lehrer zum Schulluftschutzwart ernannt, Boden und Keller der Schule entrümpelt, eine Kiste mit trockenem Sand mit Schaufeln und einer Axt auf dem Boden aufgestellt. Die Hauptabsperrstellen für Wasser, Gas und Elektrizität sollten gekennzeichnet und die Wege dorthin mit Pfeilen versehen werden, wie gesagt, das war im März 1934. Eigentlich hätten wir alle wissen müssen, was uns blüht, aber es wurde nicht richtig wahrgenommen. Wer konnte sich schon vorstellen, dass wir planmäßig in den Krieg geführt wurden?

Von nun an wurden regelmäßig Luftschutzübungen in der Schule durchgeführt und im Dorf das Feuerlöschwesen mit einer neuen gemeindeeigenen Löschspritze modernisiert. Es wurde für den Reichsluftschutzbund geworben und Lehrgänge für Jugendliche abgehalten, für die es dann auch eine Ausbildungsbescheinigung gab.

1937 wurde eine Reichsluftschutzwoche durchgeführt und der 2. Juni als Jugend-Luftschutztag bestimmt. Genützt hat das alles nichts. Der erste richtige Luftangriff auf eine Stadt ließ vor Entsetzen alles vergessen.

 

Großdeutschland

Dem Ausland gegenüber demonstriert Hitler Macht und Stärke.

1933 verlässt er den Völkerbund.
1934 wird der Wiederaufbau der Wehrmacht, Marine und Luftwaffe eingeleitet.
1935 sagt sich Hitler von den Rüstungsbeschränkungen des Versailler Vertrages los und führt die allgemeine Wehrpflicht ein. Im gleichen Jahr votiert das von Frankreich für 15 Jahre besetzte Saarland für Deutschland. Deutsche Soldaten rückten ein und wir sangen voll Begeisterung „Deutsch ist die Saar, deutsch immerdar..
1936 besetzen deutsche Truppen das entmilitarisierte Rheinland und die deutsche Luftwaffe greift mit ihrer Legion Condor in den spanischen Bürgerkrieg ein. Sie übt für den Ernstfall und in der Hitlerjugend sangen wir:

„Wir flogen jenseits der Grenzen mit Bomben gegen den Feind
Hoch über spanischer Erde, mit den Fliegern Italiens vereint.
Vorwärts, im Kampf sind wir nicht allein
Und die Freiheit soll Ziel unsres Kampfes sein!
Vorwärts, Legionäre!“

Als am 13. März 1938 die deutschen Truppen in Österreich einrückten, jubelte das ganze Deutsche Volk und für die gesamte Schuljugend wurde wieder ein Tag schulfrei angeordnet. Am 10. April 1938 wurde in Großdeutschland eine Volksabstimmung durchgeführt:

„Bist Du mit der am 13. März 1938 vollzogenen Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich einverstanden und stimmst Du für die Liste unseres Führers Adolf Hitler?“

In Rössing stimmten von 764 alle bis auf zwei dafür, im Deutschen Reich und in Österreich sahen die Ergebnisse ebenso aus. Ob die Wahlergebnisse in Deutschland und Österreich 1938 echt oder geschönt waren, weiß ich nicht. Aber fest steht, dass 1919 beim Friedensschluss nach dem ersten Weltkrieg, nach der Zerschlagung der habsburgischen Donaumonarchie Österreich-Ungarn, dem Rest-Österreich der Name Deutsch-Österreich von den Alliierten untersagt wurde. Ebenso untersagt wurde der durch die Wiener Nationalversammlung nach einer Volksabstimmung bereits beschlossene Anschluss an das Deutsche Reich. Es ist nicht so, wie es heute oft in den Medien dargestellt wird, dass die meisten Österreicher den Anschluss nie wollten. 1919 war er bereits beschlossene Sache und wurde nur durch die Siegermächte verboten

Als Hitler zum 1. Okt. 1938 den Anschluss des Sudetenlandes fordert, entsteht eine schwere europäische Krise. Der engl. Premierminister Chamberlain und der französische Ministerpräsident Edouard Daladier treffen sich in München und geben nach. Aber im so genannten Münchner Abkommen. vom 29. September wird zur Bedingung gemacht, dass dies die letzte territoriale Forderung Hitlers ist und er geht darauf ein.

Aber schon am 15. März 1939 bricht Hitler das Münchener Abkommen und er zwingt die Tschechen unter Androhung von Gewalt, das deutsche Protektorat Böhmen und Mähren anzuerkennen und am 23. März 1939 erfolgt der Einmarsch ins Memelgebiet, nach Druck auf Litauen.

Es ist ein Wunder, dass das noch ohne Blutvergießen abgelaufen ist.

Aber das Maß ist jetzt endgültig voll. Hitler hält sich an keine Verträge und das internationale Vertrauen in ihn und seine Politik ist damit endgültig zerstört.

 

Kriegsbeginn

Als Hitler dieselben Spielchen mit Polen fortsetzt, stehen England und Frankreich zu ihren Bestandsgarantien für Polen und als Hitler am 1. September 1939 die Grenzen zu Polen überschreitet, ist der Krieg da. Kein Jubel in der Bevölkerung wie 1914. Unsere Eltern sind entsetzt, zu nah ist noch die Erinnerung an den Krieg vor gerade 20 Jahren. Die Menschen sind bedrückt.

In der Schulchronik wurden dem Kriegsausbruch nur zwei Zeilen gewidmet:

„Am 1. September 1939 (Kriegsbeginn) wurde der Unterricht auf behördliche Anordnung geschlossen und am 9. September wieder aufgenommen.“

Das Leben veränderte sich. Die jungen Männer wurden eingezogen und die Bauern mussten Pferde abliefern. Am 28. August 1939, zwei Tage, bevor geschossen wurde, wurden schon Lebensmittelkarten eingeführt. Butter und Sahne waren schon vor dem Kriege knapp. Dann wurde die totale Verdunkelung angeordnet, um feindlichen Flugzeugen keine Orientierung zu ermöglichen. Die Luftschutzwarte kontrollierten, ob auch nicht der kleinste Lichtschein nach außen drang. Luftschutz- und Splittergräben wurden angelegt, weil viele Häuser keine Keller hatten. Ich erinnere mich, dass jeder auch eine Volksgasmaske haben musste, denn im Ersten Weltkrieg wurde ja auch Giftgas eingesetzt.

Die Bauern wurden Selbstversorger. Aber die Menschen auf dem Lande hatten immer noch etwas mehr als das, was es auf die Lebensmittelkarten gab. Die meisten hatten Gärten, fütterten ein paar Kaninchen oder Hühner. Da konnte man die Kalorien nicht so genau kontrollieren. Für die Reichdeutschen gab es während des Krieges im Großen und Ganzen immer noch einigermaßen zu essen, so richtig gehungert haben wir erst nach dem Krieg.

Die Schuljugend musste Kartoffelkäfer suchen, Heilkräuter sammeln und trocknen, und von den größeren Höfen und Gütern wurde die HJ zur Erntehilfe angefordert und auch die Mädchen zum Hacken von Gemüse oder Roten Beten.

 

Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene.

Der Arbeitskräftemangel auf den Bauernhöfen, wo vielfach die Frauen alleine wirtschaften mussten, sollte durch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus den eroberten Gebieten ausgeglichen werden.

Die weiblichen Hilfskräfte schliefen in der Regel auf den Höfen. Für die Bauern gab es strenge Auflagen für die Behandlung dieser Menschen. Sie durften z. B. nicht mit ihnen am gemeinsamen Tisch essen. Aber da das vielen zu umständlich war und sich auch gewisse zwischenmenschliche Beziehungen entwickelt hatten, wurde z. B. beim Ortsbauernführer Kämpfer dem Buchstaben des Gesetzes Genüge getan, indem vor den viereckigen Familientisch in der Küche eine runder für die Fremdarbeiter gestellt wurde. Denen ging es in der Regel beim Bauern erträglich.

Gertrud Könneke, geb. Sander, die langjährige Vorsitzende der Landfrauen beschreibt ihre Erlebnisse mit den Polen auf ihrem Hof; mit denen sie bis zu ihrem Tode noch Kontakt hatte, das heißt, dass diese dort sehr ordentlich behandelt wurden.

Intime Beziehungen zwischen deutschen Frauen und ausländischen Arbeitern, vor allem den Ostarbeitern. waren streng verboten. Ein extremer Fall, allerdings nicht aus Rössing, ist mir bekannt. In Diespeck bei Neustadt Aisch erwartete eine deutsche Frau ein Kind von einem Polen. Da haben fanatische Nazis sie fast nackt durch den Ort getrieben, und die arme Frau hat sich am nächsten Tag das Leben genommen.

Aber nicht alle sind mit ihren Polen gut umgegangen. Der Fall eines Rössinger Bauern ist mir bekannt, der seine polnischen Zwangsarbeiter ausgesprochen schlecht behandelte und sich trotzdem nicht scheute, ein Polenmädchen zu mißbrauchen, die dann ein Kind von ihm erwartete. Mir wurde berichtet, dass er dafür nach dem Einmarsch der Amerikaner dann vorn auf einem Kübelwagen öffentlich durch das Dorf gefahren wurde.

Den Zwangsarbeitern in der Industrie oder den Kriegsgefangenen in Lagern, z. B. in Ahrbergen, die in der dortigen Munitionsfabrik arbeiten mussten, denen ging es sehr schlecht. Als einmal eine solche Gruppe von ihrer Bewachung an der Langen Wanne an einem großen Haufen Roter Bete entlanggeführt wurde und sie sich vor Hunger auf die Knollen stürzte, wurden sie jämmerlich zusammengeschlagen und von ihren Kameraden gestützt und weiter mitgeschleppt, berichtete mir eine Augenzeugin. Mancher steckte ihnen allerdings auch was zu Essen zu, wenn sie um Brot bettelten. Denn alles, was dem nationalsozialistischen Rassenwahn im Wege war, wie Juden und die sog. slawischen Untermenschen der unterworfenen Völker, wurden nur minimal ernährt und ihre systematische Vernichtung auch auf diese Weise betrieben.

Auf dem Kreipeschen Hof versorgten sich die Zwangsarbeiter selbst und dort wurden sie auch satt. Als die Amerikaner einmarschiert waren, sollten die Zwangsarbeiter in ihre Heimat transportiert werden. Da hat Frau Kreipe ein russisches Pärchen, das sich hier gefunden hatte und hier bleiben wollte, für 14 Tage mit Verpflegung versorgt und sie haben sich im Wald versteckt, bis die Gefahr vorüber war. Jenka Laskowski, wir alle kennen sie. Denn die meisten russischen Heimkehrer, Soldaten oder Zwangsarbeiter, wurden von den Russen liquidiert oder nach Sibirien deportiert.

 

Moritz Blumenthal und seine fünf Söhne
Die jüdische Familie Blumenthal in der Maschstraße, heute Friseur Müller, wohnte schon seit 1852 in diesem Haus und betrieb mehrere Generationen eine Schlachterei, natürlich nur für koscheres Fleisch. Moritz Blumenthal und seine Frau Sophie hatten 5 Söhne, alle geboren zwischen 1890 und 1900.1907 baute Moritz Blumenthal, einen Kühlturm, der heute noch bei Müllers auf dem Grundstück steht. Er wurde im Winter mit Eis befüllt, darin wurde das Fleisch den ganzen Sommer über kühl gehalten. Alte Rössinger erinnern sich, dass Blumenthal im Winter, wenn es fror, bis zu 15 Leute mit Eisschneiden auf dem Rössingteich beschäftigte, da war er ein begehrter Arbeitgeber. Moritz Blumenthal lebte bis 1930 und seine Frau bis 1938, sie ist die letzte, die auf dem jüdischen Friedhof beerdigt wurde.

Von den 5 Söhnen verließen Hermann und Gustav Rössing schon früh, sie wurden wohlhabende Kaufleute und entkamen rechtzeitig nach Amerika, teilweise leben die Nachfahren heute wieder in Deutschland. Karl und Willi Blumenthal waren im Dorf in den Vereinen integriert. Sie waren beide Schlachter und Karl war einer der besten Sänger im Gesangverein Concordia und Willi war Mitglied im Club Frohsinn und Robert verzog vor dem Krieg nach Hannover.

 

Terror gegen Familie Blumenthal

Aber nach der Machtübernahme am 1. April 1933 verkündete Julius Streicher den organisierten Judenboykott. Wer beim Juden kauft ist ein Volksverräter, so stand es im Hetzblatt der SA, Der Stürmer und an allen Litfasssäulen.

Das blieb nicht ohne Wirkung, Blumenthals Schlachterei ging zurück. Am 9. November 1938 im Zuge der Reichskristallnacht, als die Synagogen brannten und in einer organisierten Aktion die jüdischen Geschäfte und Wohnungen demoliert und geplündert wurden, wurden auch Blumenthals ein Opfer der Hetze. Augenzeugen berichten, dass ein ortsfremder Autofahrer aus Richtung Nordstemmen kam, vor ihrem Haus anhielt und mit der Anlasserkurbel die geschlossenen hölzernen Fensterläden und die Scheiben zerschlug. Ein paar Jungens, die das mit angesehen hatten, fanden das aufregend und schmissen noch ein paar Steine hinterher. Die Familie Blumenthal saß total verängstigt auf ihren Betten im Schlafzimmer.

Ein Augenzeuge berichtete, die Familie Blumenthal hätte dann einen halben Tag vor ihrem Hause stehen müssen mit einem Schild um den Hals: Wir sind Juden, und die SA hätte dabei gestanden. Aber dieser Vorfall hat sich sehr wahrscheinlich in Nordstemen und nicht in Rössing zugetragen. Daher berichte ich das mit allem Vorbehalt, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass Augenzeugen über dieselben Dinge oft die unterschiedlichsten Darstellungen geben. Nach Aussagen anderer Mitbürger hat man sie damals auch abgeholt ins KZ, ins Konzentrationslager, aber nur vorübergehend.

1935 waren den Juden ihre Staatsbürgerrechte aberkannt worden. Punkt 4 in Hitlers Parteiprogramm lautete: Volksgenosse kann nur sein, wer arischen Blutes ist, also kann kein Jude Volksgenosse sein. Damit waren Juden rechtlos wie im Mittelalter und unbegrenzt besteuerbar. Nach der Reichskristallnacht wurden sie mit einer Sondersteuer belegt als Strafe dafür, dass der Jude Herschel Grynspan in Paris den deutschen Legationssekretär Ernst vom Rath erschossen hatte.

Viele Juden bemühten sich um Auswanderung, dabei wurde ein Teil ihres Vermögens als Reichsfluchtsteuer einbehalten. Aber auch das Ausland sperrte sich gegen die Aufnahme vor allem armer Juden. Verwandte mussten Bürgschaften übernehmen, andere hatten kaum eine Chance auszureisen.

1936 durften jüdische Kinder schon nicht mehr am Schulsportfest teilnehmen und ab 1937 wurde ihnen der Besuch der allgemeinen Lehranstalten ganz verboten. Von den beiden Kindern Hanna, Jahrgang 1928 und Hans-Jürgen Blumenthal Jahrgang 1931, konnte Hanna noch 3 Jahre die Rössinger Schule besuchen. Die jüdische Kultusgemeinde in Hannover versuchte, durch kulturelle Maßnahmen die weitere Schulbildung der Kinder zu übernehmen und Hanna wurde am 7. April 1937 nach Hannover abgemeldet.

Nach dem 9. November 1938 lebten Blumenthals ganz unauffällig und zurückgezogen im Dorf, Karl Blumenthal fand eine Stelle als Arbeiter im Betonwerk Robert Grasdorf in Hannover Wülfel.

Am 24 Juni 1939 ergingen vom Landrat in Springe Verkaufsaufforderungen an alle jüdischen Familien betreffend ihrer Immobilien. Aber schon am 6. Juni 1939 hatte Blumenthal sein Haus an Otto Altendorf verkauft. Bei diesen Zwangsverkäufen mussten die arischen Käufer an den Staat zahlen, doch von der Verkaufssumme erhielten die Juden nur einen Bruchteil, das meiste behielt der Staat ein. Daher kamen nach dem Krieg die Differenzen zwischen den Alteigentümern und den Käufern, die in der Regel alles noch einmal bezahlen mussten.

Trotz ihres guten früheren Leumunds mied man die Familie. Es gab zwar auch Beweise von Mitgefühl und nachbarschaftlicher Hilfe, aber nur ganz verstohlen, wenn man ihnen an der Hintertür beim Melken heimlich eine Kanne mit Milch füllte, jeder hatte Angst, als Volksverräter zu gelten. Die Familie des Schäfers Schmieding stand Höllenängste aus, weil dieser für die Blumenthals ein Schaf geschlachtet hatte. Eine Familie Harke, früher Leinkamp, hatte Blumenthals schon einmal eine Ziege zum Schlachten verkauft. Eines Abend klopfte es verstohlen ans Fenster: Hallo, Karl, was gibt es? Händeringend bat Karl Blumenthal: Kannst Du mir nicht noch einmal eine Ziege verkaufen? Unter Tränen berichtete mir Herr Harke jetzt, daß sein Opa dem Karl aber keine Ziege wieder verkaufen konnte, weil bei ihm vier Ziegen registriert waren, eins war ein Lamm und bei der Kontrolle mußte die Anzahl stimmen. Herr Harke war damals ein kleiner Junge und ging mit Hanna Blumenthal in eine Klasse. Er schwärmte heimlich für sie, denn sie sah so hübsch aus mit ihren schwarzen Haaren, so wie er sich immer Schneewittchen vorstellt.
.Blumenthals durften in ihrem Haus nur noch eine kleine Küche und zwei Zimmer bewohnen. Eine Familie Heitmüller und Frau Lipinski geb. Sievers waren in ihr Haus eingezogen und besserten, so weit sie konnten, die kärglichen jüdischen Lebensmittelrationen ab und zu mit einem Topf Mittagessen auf, wie sie mir berichteten.
Die Deportation

Dann folgte die Deportation. Der Landrat des Kreises Springe erhielt am 21. März 1942 ein Schreiben von der Geheimen Staatspolizei Leitstelle Hannover mit  einem großen Stempel: Eilt! Vertraulich! Betr. Abwanderung von Juden.

Als ich diese Dokumente im Niedersächsiches Staatsarchiv Hannover bei meinen Recherchen vor einigen Jahren in die Hände bekam, wurde mir ganz schlecht und ich konnte Nächte lang nicht schlafen, so erschüttert war ich.

Es war ein vierseitiges Schriftstück, dessen erster Teil sich mit den Auswahlkriterien für die Judendeportation befasste, also Alter und Arbeitsfähigkeit. Der zweite Teil betraf den praktischen Ablauf des Abtransportes im LKW nach Ahlem und den weiteren Zugtransport nach Polen.

Alles minutiös organisiert. Dies ist ein Ausschnitt aus dem Schreiben.

Jeder zu evakuierende Jude muss mitbringen:

1.      Einen Koffer oder Rucksack mit Ausrüstungsstücken bis 50 kg. (kein sperriges Gut),
2.      Vollständige Bekleidung (ordentliches Schuhwerk) Bettzeug mit Decke (keine Matratzen), Transportverpflegung für etwa 3 Tage, Essgeschirr (Teller oder Topf mit Löffel).

Jeder abzuschiebende Jude hat sein Bargeld, seine Wertpapiere, Sparkassenbücher, Schmucksachen, Ringe, Halsketten, Armbänder bei seiner Festnahme bei sich zu führen. Alle diese Gegenstände werden ihm, bis auf die Eheringe, bei der Durchsuchung der Koffer und Leibesvisitation im Sammellager Ahlem abgenommen. Alles bewegliche und unbewegliche Vermögen der abzuschiebenden Juden wird mit Rückwirkung vom 1. März 1942 staatspolizeilich beschlagnahmt und eingezogen. Die Verwertung des eingezogenen Judenvermögens wird der Oberfinanzpräsident durchführen. Ehetrennung sowie Trennung von Kindern bis zu 14 Jahren von den Eltern ist zu vermeiden.

Am 28. März 1942 wurden Karl und seine Frau Henny, mit beiden Kindern, 14 und 11 Jahre alt, nur mit dem, was sie tragen konnten und einem Rucksack als Gepäck, per LKW aus Rössing abgeholt. Sie hatten geglaubt, sie kämen in eine andere Wohnung, vielleicht in ein Judenhaus nach Hannover, wo die Juden zusammengezogen wurden.  Es ging auch das Gerücht, daß die Juden im Osten, in Polen in einem Gebiet nur für sich angesiedelt werden sollten. Und Frau Blumenthal hat ihre Nähmaschine, die sie ja nicht mitnehmen konnte, in die Gepäckaufbewahrung zum Bahnhof Barnten gebracht. Eine Nachbarin sollte sie ihr nachschicken, wenn sie in der anderen Wohnung wären. Dann könnte sie vielleicht durch Nähen noch etwas dazuverdienen. Diese armen Menschen hatten also irgendwie noch Hoffnung. Sie ahnten nicht, was ihnen wirklich bevorstand. Das hätte sich ja auch kein normaler Mensch vorstellen können. Die Maschine hat noch sehr lange auf dem Bahnhof gestanden.

Aber die Familie wurden nach Ahlem, der früheren israelitischen Gartenbauschule gebracht und einen Tag später, nachdem man ihnen dort alles Geld und ihre Wertsachen bis auf den Ehering, abgenommen hatte, vom Bahnhof Fischerhof mit einem Sammeltransport nach Trawnicki in Polen abtransportiert. Die Zielangabe Trawnicki 35 km östlich von Lublin war kaum der endgültige Bestimmungsort. Es war eine Reise ohne Wiederkehr, wie wir alle wissen. Ein Rössinger, Julius Algermissen, hat Karl Blumenthal noch einmal im Warschauer Ghetto getroffen. Er war in einem erbärmlichen Zustand und Algermissen wollte ihn ansprechen. Aber Karl sagte nur: „Geh weiter, geh weiter“. Am nächsten Tag wollte Algermissen ihm etwas zu Essen bringen, aber er hat ihn nicht wiedergefunden. Das war das letzte Lebenszeichen. – Der Hausrat von Blumenthals, den sie nicht mitnehmen konnten, wurde aus dem Hause geschafft und auf dem Hof aufgebaut. Dort wurde er verkauft oder versteigert und der Erlös ging an den Staat.

Der Bruder Willi Blumenthal wurde bei Schanzarbeiten an der Normandieküste eingesetzt, bis er nicht mehr arbeiten konnte. Dann sollte er in den Osten transportiert werden, denn die richtigen Vernichtungslager lagen fast alle in Tschechien und in Osteuropa, weniger auf deutschem Boden. Er hatte sich eine Zange organisieren können, mit der er bei Nacht den Viehwaggon öffnete und ließ sich in Belgien aus dem fahrenden Zug fallen. Belgische Bauern fanden und versteckten ihn bis Kriegsende, er ging dann nach Amerika, wo er 1983 starb. Aber einige Jahre vorher ist er noch einmal hier in Rössing gewesen und hat mit Familie Freimann, die den jüdischen Friedhof gekauft hatte, und dem Vater von Fred Scheibe gesprochen. Von diesen lebt heute aber auch niemand mehr.

Der fünfte der Blumenthalbrüder, Robert Blumenthal und seine Frau, wurden am 15. Dezember 1941 aus einem Judenhaus in der Josephstraße in Hannover, wo die jüdischen Familien zusammengezogen wurden, nach Riga transportiert und dort sind sie auch umgekommen.

Alle Schriftstücke der Geheimen Staatspolizei, die sich mit der Deportation der Juden befassten, trugen den Stempel: Streng geheim, nicht zur Veröffentlichung geeignet. Offiziell kamen sie ja alle zum Arbeitseinsatz nach Polen und niemand wusste genau, wo sie blieben. Trawnicki war auch nur ein Kennwort. Die Begleitmannschaften blieben meist nur ein kurzes Stück bei ihnen, so dass keiner den Leidensweg der Juden von Anfang bis Ende mit erlebte.

Ein Nachfahre von Gustav Blumenthal hat sich in diesem Frühjahr telefonisch bei mir gemeldet. Wir haben lange miteinander gesprochen und er hat mir eine Kopie seiner Familiengeschichte überlassen. Daher bin ich so genau informiert.

Der jüdische Friedhof in Rössing wurde zwangsweise von der jüdischen Gemeinde an Familie Freimann für 420 RM verkauft. Die Frau von Moritz Blumenthal, Sophie war die letzte, die 1938 auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt wurde. Freimanns mussten den Friedhof nach dem Krieg der jüdischen Gemeinde entschädigungslos wieder übereignen. Heute kümmert sich die jüdische Gemeinde darum.

 

Aus der jüdischen Geschichte

Wenn man sich näher mit der Geschichte der Juden befasst stellt man fest, dass ihre bürgerliche Sonderstellung in fast allen europäischen Ländern durch obrigkeitliche Judenordnungen festgelegt war. Im Kurfürstentum Hannover durften sie kein Haus, kein Land, keine Immobilien besitzen. Sie durften kein Handwerk erlernen, da die handwerklichen Zünfte auf den christlichen Bruderschaften des Mittelalters basierten, die keine Juden aufnahmen. So wandten sie sich geistigen Berufen zu, wurden Juristen, Ärzte und Künstler. Handel und Geldverleih, den das kirchliche Zinsverbot den Christen untersagte, lagen in ihren Händen, und sie entwickelten darin besondere Fähigkeiten, die sie als Finanzberater an den europäischen Fürstenhöfen unentbehrlich machten. Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Judengesetze gelockert wurden, und sie auch Immobilien als Sicherheiten für ihre Darlehen nehmen durften, brachte es ein Teil der Juden zu sehr großen Vermögen. Und es ging den Nazis vor allem um die Aneignung jüdischer Vermögenswerte. Mit dem Wissen von heute ist mir klar, dass die gebrauchten Möbel aus Auktionshäusern, die den Ausgebombten im Krieg 1943 recht günstig zum Kauf angeboten wurden, aus enteignetem jüdischem Besitz stammten.

Das Geld für die Rüstung und Hitlers Krieg stammt zum großen Teil von den enteigneten Juden Europas, der Arbeit von Zwangsarbeitern und den unterworfenen Völkern. Im März diesen Jahres habe ich eine Fernsehsendung über die Besetzung Österreichs 1938 gesehen, darin wurde berichtet, dass die beschlagnahmten Vermögen der jüdischen Geschäftsleute allein in Wien das anderthalbfache des österreichischen Staatshaushaltes für ein ganzes Jahr ausmachten.

In einer weiteren sehr interessanten Fernsehsendung vor einigen Monaten berichtete eine alte jüdische Dame von ihrem Prozess gegen den Staat Österreich um die Rückgabe von fünf Bildern des jüdischen Wiener Malers Gustav Klimt, die ihrer sehr wohlhabenden Familie in Wien gehört hatten, und die ihnen von den Nazis gestohlen worden waren. Eins davon war ein Porträt von Adele Bloch-Bauer, ihrer Tante, die von Klimt mehrfach gemalt worden war. Diese trug auf dem sehr bekannten goldgrundigen Gemälde ein wundervolles fünfreihiges Perlenhalsband mit einer kostbaren Schließe aus Diamanten und Rubinen, das die Dame 1938 den Nazis mit ihrem gesamten wertvollen Schmuck ausliefern musste. Dieses kostbare Halsband trug später die Frau von Hermann Göring: Emmi Sonnemann. Aber über seinen weiteren Verbleib ist nichts bekannt.

Die Dame gewann den Prozess gegen den Staat Österreich, sie bekam die 5 „Klimt-Bilder“ zurück und verkaufte sie in den USA aus einer Auktion für 300 Mio. Dollar.

Der Niedergang

Ab 1943, nach der Schlacht bei Stalingrad, als die ganze niedersächsische 6. Armee eingekesselt und vernichtet wurde, 90 000 Mann in Gefangenschaft kamen, von denen nur noch 5 000 nach dem Krieg zurückkehrten, traf auch die Landbevölkerung die ganzen Härte des Krieges. Die Zahl der Gefallenen stieg rapide an. Der Ortsgruppenleiter musste den Familien die Todesnachricht überbringen: Gefallen für Führer und Vaterland. Rössing hatte im Zweiten Weltkrieg über 90 Tote zu beklagen, abgesehen von den Angehörigen der Vertriebenen und Flüchtlinge, die erst später nach Rössing kamen. Da machte sich schon Verbitterung breit. Insgeheim glaubte niemand, vielleicht außer ein paar Fanatikern mehr an die Wunderwaffe und den Endsieg, den man uns noch einreden wollte. Aber um Himmels Willen durfte man das nicht äußern. Man riskierte, denunziert zu werden und auch ins KZ zu wandern. Kleuker, Lange Straße 16 war auch mal eine Zeitlang verschwunden. Aber nach dem Brandbombenschaden an seinem Haus war er wieder zurück.

Die Evakuierten aus den bombardierten Städten im Rheinland erhöhten die Zahl der Gastschüler 1943 in Rössing um 14.

Am 22. September 1943 war ein starker Fliegerangriff auf Hannover, auch auf Rössing fielen viele Stabbrandbomben und eine Luftmine in die Gärten auf dem Kirschenbrink. Schäden an Dächern, Fenstern und Türen.

Es brennen ab laut Schulchronik I:

1 Arbeiterwohnhaus zu Kirchstr. 13 und ein Arbeiterhaus zu Kirchstr. 33,
6 Scheunen  brennen ab:
·        Nr. 5, Lange Str. 6, Bauer Ernst Lampe
·        Nr. 60, Kurt-Schumacher-Platz 2, Bauer August Baxmann
·        Rittergut II, Brendecke (Kreipe), Lange Str. 17/18
·        Nr. 24, Bauer Ernst Kasten, Lange Str. 27
·        Nr. 22, Fr. Hesse, (jetzt Schlechte) Lange Straße 21
·        Rittergut I, eine Feldscheune

7 kleinere Brände, die gelöscht werden:

·        Nr.  71 August Siede, Lange Str. 9
·        Nr.  58 H. Baxmann, Lange Str. 11, die Schmiede und das alte Wohnhaus
·        Nr.152 Fr. Kleuker, Lange Str. 16
·        Nr.160 Baumgarten/Wolter, Lange Str. 45
·        Nr.  25 E. Köhler, Lange Str. 1971 abgerissen
·         Nr.  24 E. Kasten, Lange Str. 24, Wohnhaus
·        Nr.  16 Hermann Dollenberg, Bäckerei, Lange Str. 22, seit 1959 Binnewies
(in der Schulchronik nicht erfasst, vom Eigentümer selbst gelöscht)

Am 9. Oktober 1943 kommen nach einem sehr schweren Luftangriff auf Hannover, der über 50% der Häuser vernichtete, mehr als 100 rauch- und rußgeschwärzte Bombengeschädigte mit den Resten ihrer Habe nach Rössing, die in Privatquartieren untergebracht werden müssen.

Es wird eng in Rössing und die Lebensmittelversorgung wird knapper. Durch die armen Menschen, die nichts mehr haben, gibt es Konflikte. Angst vor Denunziation musste jeder haben. Schwarzschlachten war gefährlich, sollte sogar mit dem Tode bestraft werden, ein missgünstiger Nachbar, der das mitbekam und schon war man geliefert.

 

Der Zusammenbruch

Nach blutigen, verlustreichen Kämpfen bei der Landung der Alliierten im Juni 1944 in der Normandie kam der Zusammenbruch. Die alliierten Truppen näherten sich der Reichsgrenze. Im September1944 kommen fast 350 Menschen aus dem Raum Aachen nach Rössing, die wegen drohender Kämpfe mit den Amerikanern umquartiert und untergebracht werden müssen. Auf dem Hof der Witwe Plötze, Kirchstraße wird in der Waschküche eine Gemeinschaftsküche eingerichtet und die schulpflichtigen Kinder mit in der Schule unterrichtet.

Vor Weihnachten bekommt Rössing dazu noch mehrere Wochen Wehrmachtseinquartierung, weil hier im Raum eine neue Einheit zusammengestellt wird. Die Weihnachtsferien werden wegen Kohlenmangel bis zum 1. Februar verlängert.

Am 22. Januar werden für Hitlers letztes Aufgebot, den Volkssturm, alle im Dorf befindlichen Waffen registriert.

Es sind vier italienische Polizeikarabiner, fünf Kleinkalibergewehre, 7Jagdgewehre und 8 Gewehre von 1871 und 400 Schuss Kleinkalibermunition.

Im Februar und März wird der feindliche Luftkrieg noch verschärft, die Luftangriffe auf Hildesheim und Hannover haben dauernden Fliegeralarm zur Folge. Einmal wieder durchschlafen können ist ein Traum. Bürgermeister Ernst Glockemann führt Buch über die Dauer der Fliegeralarme. Bei dem Angriff am 22. März 1945, als Hildesheim zerstört wurde, waren es 5 Stunden, die die Menschen im Luftschutzkeller verbrachten.

Die letzten truppentauglichen Pferde wurden requiriert.

Am 31. März 1945 fällt ohne vorherigen Bombenalarm eine einzelne Fliegerbombe ca. 300 m vom Ortsausgang Richtung Nordstemmen und verletzt den Ortsbauernführer Fritz Kämpfer, der am nächsten Tag im Gronauer Krankenhaus seinen schweren Verletzung erliegt.

 

Dann kam das Ende

Am 06. April 1945 notiert Bürgermeister Ernst Glockemann:

„Es treffen hier 230 Russen, ehemalige Gefangene, und 40 Italiener ein. Diese werden verpflegt. Um 5 Uhr telefoniert der Bürgermeister aus Nordstemmen, dass die Panzerspitzen (Amerikaner)in Elze einmarschieren. Ich setzte mich mit dem Volkssturmführer, Bauer Ernst Kasten, und mit dem Kommandanten der Gefangenen, einem Hauptmann in Verbindung und bat ihn, die Gefangenen sofort weiter zu führen. Dieser lehnte ab. Gegen 6 Uhr gingen wir nochmals zu ihm. Der Herr Hauptmann war aber inzwischen ausgerückt und hatte die Russen hier gelassen. Mit dem Volkssturm habe ich dann die Gefangenen weiter nach Harsum bringen lassen. Nachts um 2 Uhr waren die Amerikaner in Schulenburg eingerückt.“

Die Kriegsgefangenen waren in einer Scheune auf dem Hof Windel, später Kroos, Kirchstraße 11 untergebracht. Aber sie wollten freiwillig nicht noch weiter marschieren. Der Rittergutspächter Thielemann und sicher noch einige andere vertrieben mit Mistgabeln die armen Kerle aus Rössing.

Gott-sei-dank war das der einzige Einsatz des Volkssturms. Rössing wurde nicht mehr verteidigt. Die Bevölkerung hatte begründete Angst, 270 ehemalige ausgehungerte Gefangene im Dorf zu haben.

Am 7. April vormittags besetzten amerikanische Truppen, die aus Richtung Schulenburg gekommen waren, unser Dorf kampflos. Ein Offizier mit vier Mann in einem Jeep durchfuhren das Dorf, wenig später erschienen Quartiermacher und beschlagnahmten 10 ganze Häuser und 5 Wohnungen, die Bewohner mussten räumen und wenig später wimmelte es von amerikanischen Soldaten, Die von deutschen Soldaten schon zur Sprengung vorbereitete Leinebrücke hatten sie unzerstört überquert.

Am Leinkamp wurden Geschütze in Stellung gebracht und schossen Richtung Giesen-Ahrbergen.

Im Hause des ehemaligen Ortsgruppenleiters Steinhoff, der 1942 gefallen war, verbrannte seine Familie alle Unterlagen aus der NS-Zeit.

Louis Hümpel als ehemaliger Ortsgruppenleiter, und Lehrer Meyn, bekannt als überzeugter Nationalsozialist, Walter Blume, der angeblich der SS angehört hatte, Bürgermeister Ernst Glockemann, Siebke aus der Kirchstraße und wohl noch einige andere, wurden von den Amerikanern inhaftiert, kamen aber nach einiger Zeit wieder nach Hause, außer Louis Hümpel, der an einem Magenleiden verstorben war. Sie mussten sich dann wohl noch einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen.

Alle aus Rössing stammenden Soldaten, die beim Kriegsende schon zu Hause waren, oder kurz danach ohne gültige Entlassungspapiere in der Heimat eintrafen, Urlauber, Verwundete, Versprengte wurden von den Besatzungsmächten wieder erfasst und abtransportiert, manche wurden wohl auch denunziert. Einige kamen erst nach drei Jahren wieder nach Hause. Untertauchen war auch schwierig damals, denn dann bekam man keine Lebensmittelmarken.

 

Als der „braune Spuk“ zu Ende war,

und das ganze Ausmaß der nationalsozialistischen Verbrechen nach dem Kriege bekannt wurde, konnten wir es gar nicht fassen. Die Geheimhaltung hatte gut funktioniert, aus Angst vor Strafe. Wer nicht selbst betroffen war, keine jüdischen Angehörigen, Brüder, Männer oder Väter hatte, die mit eigenen Augen gesehen hatten, was vor allem im Osten und in den Gaskammern passierte, so wie ich zum Beispiel, der wusste wirklich nichts davon. Die Vernichtungslager waren meistens nicht auf deutschem Boden, auch nicht in Bergen-Belsen. In diesem Lager starben zwar viele tausend Menschen während der Endphase des Krieges, aber sie waren vor der sich nähernden Front in Deutschland dorthin zusammen getrieben worden. In dem Chaos war die ganze Infrastruktur restlos zusammengebrochen, keine Unterkunft, keine Verpflegung, aber Gaskammern gab es dort nicht.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass dieser Mensch, Adolf Hitler selbst, der Millionen Menschen in den Tod und ins Elend getrieben hat, 39 auf ihn geplante Attentate überlebt hat, die teilweise nicht zur Ausführung kamen, weil er ständig seine Pläne änderte, zu spät zu Veranstaltungen kam oder sie früher verließ oder sie überlebte, wie am 20. Juli 1944. Es war wirklich so, als ob die von ihm so oft zitierte Vorsehung die Hand über gehalten hätte.

Wir haben jetzt schon über 60 Jahre Frieden, so eine lange Friedensperiode wie noch nie in unserer Geschichte, also können unsere Regierungen doch nicht so schlecht gewesen sein. Ich hoffe und wünsche, dass es immer so bleibt, dass wir wachsam sind, nicht nur auf dem rechten, sondern auch auf dem linken Auge. Die Demokratie mag ihre Schwächen haben, aber es ist immer noch die beste Regierungsform, die wir kennen. Und damit möchte ich meine Ausführungen schließen und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Quellen

Literatur:
Anmerkungen zu Hitler
Sebastian Haffner 1978
Alltag im Dritten Reich, so lebten die Deutschen 1933-45
Frank Grube, Gerhard Richter; 1982
Die verdammte Pflicht, Erinnerungen 1932 bis 1945
Alexander Stahlberg 1996
Kindheit in Ostpreußen
Marion Gräfin Dönhoff, 1988
Erinnerungen eines alten Ostpreußen
von Alexander Fürst zu Dohna-Schlobitten 1991
Hitlers Wien, Lehrjahre eines Diktators,
Brigitte Hamann 1996
Der Zweite Weltkrieg, Wendepunkt der deutschen Geschichte
Stephan Burgdorff/Klaus Wiegrefe, (Hg.)2007

 

NHSA Hannover:

Sign. Hann 174, Springe Nrn. 162-164
Judendeportationen in Rössing

Dorfarchiv Rössing
Schulchronik Band II
Karton   6 Nrn. 4/5, Ortsratsprotokolle
Karton 18 Familienchronik der Familie Blumenthal,
Akten des Landkreises betr. Deportationen
Karton 33 Originalzeitschriften zur nationalsoz. Jugenderziehung
Hilf mit, Elternwarte, Reden an die deutsche Frau, usw.
Karton 37 Rössing nach der Machtübernahme 1933 Nr. 1/2/3
Vereinsakten, Wahlergebnisse

Wikipedia:

Infos der Bundeszentrale für politische Bildung
Hitlers Weg zur Macht, der Versailler Vertrag, Ruhrkampf, Hitlers 25-Punkte-Programm, Ermächtigungsgesetz, Gleichschaltung, Reichs erbhofgesetz, RAD, NS Organisationen, Hitlerjugend, Holocaust,
Attentate auf Hitler, u.s.w.

 

Um der Wahrheit willen möchte ich noch erwähnen, dass die Bildunterschrift unter meinem Bild in der Hildesheimer Allgemeinen vom 8. Okt. 2008 so nicht richtig ist. Ich musste meine Jungmädelzeit in Hannover nicht absolvieren. Ich war Ostern 1936 ganz freiwillig eingetreten, weil ich das toll fand und sonnabends lieber Jungmädeldienst machte als zur Schule zu gehen. Ich wurde auch eine kleine Jungmädelführerin, aber als ich 16 war, hatte ich einfach keine Lust mehr. Tanzstunde, Berufsausbildung, Pflichtjahr zu Hause und im Geschäft, mein Vater war im Krieg, Chemieschule, das reichte mir. Ich hatte eine verständnisvolle Gruppenführerin, die führte mich als z. b. V. – zur besonderen Verwendung – noch in einer Liste. Als ich dann eines Tages zum Untergau befohlen wurde, um mich wieder irgendeiner Organisation anzuschließen, konnte ich das rausschieben bis nach dem Examen als Chemotechnikerin und dann war der Krieg zuende. Es passte mir einfach nicht, die wenige Freizeit auch noch nach Vorschrift zu verbringen. Ich war kein Widerständler, ich habe mich schlicht und einfach gedrückt.

 

 

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(Gerhard Fuest)

Zur Geschichte der Glocken Inschriftenkommision

Zur Geschichte der Rössinger Glocken

von Helga Fredebold

Vorwort

Als im Jahre 2008 eine alte Glocke im Rössinger Kirchturm von einem Glockensachverständigen stillgelegt wurde weil sie nicht mehr betriebssicher war, nahm ein Projekt seinen Anfang, das über vier Jahre viel Einsatz, Erfindungsgabe, technisches Können und nicht zuletzt viel Geld und Opferbereitschaft von den Rössingern und den aktiv Beteiligten erforderte. An dieser Stelle sei allen dafür herzlich gedankt. Herr Friedrich Kämpfer als Kirchenvorstandsmitglied war Koordinator und Organisator des ganzen Unternehmens und seiner Begeisterung für die Glocken und seinem unermüdlichen Einsatz ist es zu danken, dass unsere alte Glocke wieder an ihrem angestammten Platz im Kirchturm hängt.

Eine mittelalterliche Glocke sollte restauriert werden. Dadurch wurden unsere Glocken ins Blickfeld der Bevölkerung gerückt und es lag nahe, sich auch einmal mit der Geschichte des ganzen Geläuts zu befassen. Einiges aus der Vergangenheit war zwar bekannt, aber in Vergessenheit geraten. Doch auch überraschende Neuigkeiten traten zu Tage. Die Inschriften, so weit vorhanden, erzählen historische Begebenheiten.

Einige der alten Glocken waren verschollen, sie geisterten aber immer noch durch die Fachliteratur, man wußte nicht, wo sie geblieben waren. Im Zuge der Nachforschungen über unsere Glocken ist es gelungen, das Rätsel zu lösen. Es war leider kein erfreuliches Ergebnis. Aber lesen Sie selbst.

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Zwei vermisste Glocken

Das Geläut der Rössinger Kirchenglocken bestand bis zum Jahre 1890 aus zwei Glocken, von denen eine aus dem Jahre 1429 stammte. Die zweite stammte aus dem Jahr 1625 und war von Friedrich von Rössing gestiftet. Die jüngere Glocke bekam im Jahre 1890 bei einem Sonnabendabend – Läuten einen Sprung und war nicht zu reparieren. Da auch die andere, ältere Glocke nicht einwandfrei war und die Aufhängung und Lagerung beider Glocken schadhaft, zog man den Glockengießer Radler aus Hildesheim zu Rate. Dieser riet dazu, die beiden Glocken einzuschmelzen und daraus drei neue Glocken zu gießen, die auf einander abgestimmt und ein harmonisches Geläut ergeben würden.(1)

Der Kirchenvorstand entschloß sich zu diesem Schritt. Die beiden Glocken wurden1891nach Hildesheim transportiert und eingeschmolzen. Sicher haben finanzielle Überlegungen dazu geführt, denn der Materialwert der beiden eingeschmolzenen Glocken deckte den größten Teil der für das neue dreistimmige Geläut benötigten Bronze. (2)

Aber das war ein verhängnisvoller Fehler, denn die Glocke aus dem Jahr 1429 war eine unersetzliche Kostbarkeit, deren Wert weniger auf dem materiellen als auf ihrem historischen Wert beruhte.

Diese Glocke wurde beschrieben in dem Buch von Mithoff(1871): Kunstdenkmale des Fürstenthums Calenberg, Seite 160. Obwohl sie schon 1891 eingeschmolzen war, geisterte sie immer noch durch die Fachliteratur der Glockensachverständigen, und man wußte nichts über ihren Verbleib.

Als Glockenzier trug sie vier kleinere Figuren, darunter eine Pieta und zwei mit Gießerzeichen oder Hausmarken ausgefüllte Wappenschilde.

Eine umlaufende Inschrift trug die Jahreszahl 1429 in lateinischen Ziffern, nämlich

m . cccc . xxix

und dazu in gotischen Minuskeln folgende Inschrift::

im 1429 jar . in . den . achte . daghen . petri . et . pauli . dysser . kerken . patronen

Diese Inschrift besagt, dass die Glocke gegossen wurde in den acht Tagen (in der Octav), vor oder nach dem 29. Juni 1429, dem Fest der Kirchenheiligen St. Peter und Paul, den Patronen dieser Kirche. Das Gußdatum orientiert sich am Patrozinium unserer Kirche, dem 29. Juni des Jahres 1429, unserem Kirchweihtag.

Es ist ein großer Verlust für unsere Gemeinde, dass diese Glocke 1891 zerstört wurde, nachdem sie über 450 Jahre die Gläubigen begleitet hat. Es liegt die Vermutung nahe, dass zu diesem Zeitpunkt, als die Glocke gegossen wurde, unsere Kirche an diesem 29. Juni des Jahres 1429 den Kirchenheiligen Peter und Paul geweiht wurde und ihren Namen erhalten hat. Welch ein denkwürdiges Datum.

Auch von der zweiten Glocke, gegossen 1625, die in Hannover von dem Glockengießer Joachim Schrader stammte, wußte man nicht, wo sie geblieben war.

Frau Dr. Christine Wulff, die Vorsitzende der Inschriftenkommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, erkundigte sich anlässlich einer Heimatpflegertagung in Alfeld im November des Jahres 2012 nach dem Verbleib der mittelalterlichen Glocke von 1429 in Rössing. Darauf konnte ich ihr keine Antwort geben. Aber kurz darauf fand ich im Pfarrrarchiv schriftliche Unterlagen über das Ende der beiden vermissten Glocken und schickte ihr Kopien der entsprechenden Schriftstücke aus dem Pfarrarchiv (4). Sie hatte nun Gewissheit über deren Schicksal und konnte dies Kapitel abschliessen. Sie sandte mir die Beschreibung der Glocke mit der Inschrift.(3) Das Ende dieser beiden alten Glocken ist nun geklärt, sie wurden 1891 eingeschmolzen, es gibt sie nicht mehr.

Das dreistimmige Geläut von 1891

Am 22. Juli 1891 trafen drei neue Glocken unterschiedlicher Größe in Rössing ein. Sie wurden in einem großen, neuen eisernen Glockenstuhl aufgehängt und am 28. Juli feierlich eingeweiht. Das Geläut bestand aus einer Legierung von 25 % Kupfer und 25 % Zinn und hatte einen wunderschönen, harmonischen Klang.

Aber schon 25 Jahre später, im ersten Weltkrieg 1914-18, war das Geläut vom Einschmelzen für Kriegszwecke bedroht, denn Bronze war eine kriegswichtige Metalllegierung. Doch wegen seines besonderen melodischen Wohlklanges wurde es auf Intervention des Superintendenten von der Beschlagnahme verschont.(4)

Die Aufforderung zur Ablieferung der Glocken im ersten Weltkrieg erfolgte auf eine bemerkenswert brutale Art und Weise. Man sollte die Glocken schon im Turm zerschlagen, weil sie sich besser abtransportieren ließen, der Transport sei auf diese Weise billiger und sie würden ja sowie zerstört, aber es sei darauf zu achten, dass alle Bruchstücke vollständig abzuliefern seien. Wenn man das nicht wolle, könnte man sie von oben auf Reisighaufen hinunter werfen, dann blieben sie vielleicht heil. (4)

Der Zweite Weltkrieg

Im Zweiten Weltkrieg wurden unsere Kirchenglocken am 4. April 1940 erfasst und registriert. In dem entsprechenden Schriftstück wurde extra darauf hingewiesen, daß das Werfen vom Turm auf jeden Fall zu vermeiden sei, damit die Gefühle der Menschen nicht verletzt würden. Außerdem dürfte jede Gemeinde eine Glocke behalten, allerdings nur die kleinste. Dieser Vorgang zeigt einmal wieder überraschend deutlich, wie geschickt und wenn nötig auch subtil, Hitler die Menschen zu manipulieren verstand.(4)

In Hildesheim wurden die Glocken aus dem Dom, der Andreas-, der Jacobi-, der Bernward-, der Elisabeth- und der Godehardikirche bis auf jeweils die kleinste, abgenommen und für Kriegsbedarf beschlagnahmt.(5)

Diesmal nützte den Rössingern ein Gesuch um Verschonung von der Beschlagnahme nichts. Auch sie mußten ihre beiden größten Glocken abliefern. Als sie Im Februar 1942 abmontiert waren, stellten sich die Schulkinder zu einem Erinnerungsfoto auf, wie in unserm Bildband von 1987: Rössing, unser Dorf im Wandel auf Seite 68 zu sehen ist.(6)

Der damalige Pastor Hahne hat vor der Ablieferung 1942 die Schmuckelemente und Inschriften der Glocken genau beschrieben und wann sie jeweils geläutet wurden.(4)

Die Radler-Glocke von 1891

Die kleinste der drei Radler-Glocken blieb uns erhalten. Diese Tatsache war aber im Laufe der Jahrzehnte in Vergessenheit geraten. Als Herr Friedrich Kämpfer, Koordinator für das Glockenprojekt, 2008 mit seiner Aktion begann, denn eine kleinere, sehr alte Glocke sollte restauriert werden, stellte er schon bei der ersten Besichtigung der Glocken im Turm fest, daß eine, heute unsere größte Glocke, auf dem äußeren Kranz die Inschrift: FREIHERR VON RÖSSING trug. Dieser war Kirchenpatron gewesen und hatte 1891 zur Schaffung des Dreiergeläuts 500 Mark gestiftet.(2)

Die vollständige Inschrift im oberen Textfeld lautet:

GOTTES WORT UND LUTHER LEHR

VERGEHEN NUN UND NIMMERMEHR

Auf dem unteren Feld, dem Schlagkranz steht:

ALEXANDER FREIHERR VON ROESSING; KIRCHPATRON

GEGOSSEN VON J:J:RADLER U: SOEHNE IN HILDESHEIM 1891

Auf dem langen Feld, über dem Namen des Patrons, ist eine siebenzackige Krone zu sehen und darunter das Wappen der Herren von Rössing mit dem gekrönten, aufrecht schreitenden, doppelschwänzigen Löwen, der sichere Beweis dafür, dass dies wirklich die alte Glocke von 1891 ist. Sie ist heute mit 350 kg unsere größte Glocke und schlägt u.a. den Stundenschlag.

Die zweite Radler – Glocke

Nach dem Krieg 1945 hatten wir nur noch eine Glocke, die kleinste des Dreiergeläuts. 1968 gelang es Pastor Ujma, eine weitere Radler-Glocke aus alten Beständen zu erwerben. Sie stammt aus Eddigehausen, Kirchenkreis Reyershausen bei Göttingen. Die Radler-Glocken haben alle einen ähnlichen, vollen Klang und klingen harmonischer zusammen als Glocken unterschiedlicher Herkunft, weil sie die gleiche Zusammensetzung haben. So war es ein Glückszufall, daß unsere Gemeinde für 1.800 DM eine passende Glocke kaufen konnte. Sie stammt nicht nur aus derselben Glockengießerei wie die vorhandene von 1891, sondern auch etwa aus derselben Zeit, aus dem Jahr 1898, und trägt ebenfalls Inschriften.

Im oberen Textfeld steht

DIENET DEM HERRN MIT FREUDEN;

KOMMT VOR SEIN ANGESICHT MIT FROHLOCKEN

Auf dem breiten unteren Glockenrand, dem Tragring steht:

GEGOSSEN VON J:J:RADLER U: SOEHNE IN HILDESHEIM 1898

Inschrift auf dem Schlagring:

PASTOR LIC. THEOL: FR:W: CUNO.

LEHRER: O. STEINEBACH

GEM.-VORST: W. VOLLBRECHT.

KIRCHENÄLTESTE W. AUE, A. KURRE, L. SCHNELLE

Die Aufzählung der Honoratioren besagt nicht, dass diese die Glocke gestiftet haben, sondern ihre Namen stehen stellvertretend für die ganze Gemeinde, die das Geld dafür aufgebracht hat. (7)

Der Pastor Fr. W. Cuno war von 1887 bis 1904 Pfarrrer in Eddigehausen bei Göttingen, das zum Kirchenkreis Reyershausen gehört, und während seiner Amtszeit wurde die Glocke angeschafft. Die dortige Kirchengemeinde wollte sich aber 1968 ein zweistimmiges Geläut zulegen und so kam Rössing zu dem günstigen Kauf. Dazu kamen natürlich noch weitere Kosten für Transport und Aufhängung, Armatur u.s.w. Damals war das Glockenläuten aber schon auf elektrische Läutemaschinen umgestellt.

Diese Glocke läutet als Totenglocke. Mit 250 kg ist sie die leichteste der drei Glocken, die wir heute besitzen. Die 2012 restaurierte mittelalterliche Glocke hat 300 kg, die Glocke aus dem Dreiergeläut von 1891 wiegt 350 kg.

Die „mittelalterliche Glocke“

Schon bevor Pastor Uijma 1968 die Radler-Glocke aus Eddigehausen 1968 kaufen konnte, war es s Herrn Pastor Bernd Moderegger 1950 gelungen, eine zweite Glocke zu unserer einzig verbliebenen Radler-Glocke von 1891 dazu zu erwerben. Dabei handelte es um eine Glocke, die nach Meinung der Glockensachverständigen um 1350 gegossen worden ist. Sie war stark beschädigt, aber sie ist definitiv eine mittelalterliche Glocke und hat einen hohen Denkmalswert, deswegen wurde sie jetzt so aufwendig restauriert.

Sie stammte aus alten Beständen, aber man wusste nicht, wo sie früher gehangen hatte. Doch das konnte jetzt aufgeklärt werden, mit einem überraschenden Ergebnis. Diese Glocke stammte nämlich aus Rössing, denn sie ist unsere alte Uhrschlag-Glocke.

Sie trägt keine Inschrift, die uns Auskunft gibt, wo sie gegossen wurde. Auf der Mitte des langen Feldes ist nur ein grafisches Zeichen zu erkennen, ähnlich wie die Steinmetzzeichen der mittelalterlichen Bauhütten. Sicherlich war es früher ein Hinweis auf den Glockengießer, leider ist uns die Deutung dieser Zeichen nicht überliefert. Sie ist mit 300 kg leichter als die Rös- singer Radler-Glocke von 1891 mit 350 kg. Deshalb war sie für die Menschen hier immer die „Kleine Glocke“ und sie lag als mittelalterliche Glocke allen besonders am Herzen.

Wenn sie um 1350 gegossen wurde, dann ist sie über 650 Jahre alt und mit großer Wahrscheinlichkeit ist diese Glocke ebenso lange hier in Rössing und mit unserer Kirche verbunden, denn Ihre Spur ist lange zurück zu verfolgen.

Fest gemauert in der Erden

Früher war die Glockengießerei ein Wandergewerbe. Die Glocken wurden in der Regel an Ort und Stelle gegossen, weil man gar nicht die Möglichkeit hatte, eine schwere Glocke über weite Strecken zu transportieren.

Schiller beschreibt so einen Glockenguss sehr anschaulich in seinem „Lied von der Glocke“: Festgemauert in der Erden, steht die Form aus Lehm gebrannt

Und so drängt sich der Gedanke auf, dass diese Glocke von Anbeginn zu unserer Kirche gehört hat.

Im letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts, zwischen 1290 und 1300 ist unsere Kirche nach Überlieferung gestiftet worden. War es eine hölzerne Kapelle? Gehörte schon ein Turm dazu? Wir wissen es nicht. Der Kirchturm, mit Sicherheit niedriger als heute, könnte um 1350 entstanden sein und wahrscheinlich ist diese alte Glocke schon ebenso lange bei uns und hier an Ort und Stelle gegossen.

In den Pfarrakten(4), so weit ich sie durchstudieren konnte, wird diese Glocke immer nur ganz kurz erwähnt. Sie war eine Uhrschlag-Glocke und zeigte die Zeit an, die einzige Zeitangabe, die die Leute früher auf dem Lande hatten. Sie ist eine Schlag – Glocke, das heißt, sie war fest montiert, sie wurde nicht mit einem Klöppel geläutet, sondern von außen angeschlagen.

Ein unscheinbares Dasein

In einem Auszug aus dem leider undatierten von Rössingschen Hauptbuche wird über die Kirche und ihre Glocken berichtet. Der Eintrag muß nach 1755 und vor 1830 entstanden sein. Die beiden Vorgängerglocken des Dreifach-Geläuts von 1891 werden ausführlich beschrieben. Sie wogen beim Einschmelzen 1891 zusammen 36 Zentner = 1.800 kg. (4) und waren durch ihre Jahreszahlen 1429 und 1625 genau zu identifizieren.

Von einer dritten Glocke ist an dieser Stelle nicht die Rede.

Aber eine dritte Glocke, eine kleinere. leichtere, nämlich eine Uhr-Schlag-Glocke muss vorhanden gewesen sein, denn an anderer Stelle heißt es von ihr:

Die kleinste Glocke ist geborsten und stehet noch im Thurm; die Schlage-Uhr und Glocke, woher selbige ihren Uhrsprung hat, ist ungewiß.

Im Pfarrarchiv erfahren wir immer nur bruchstückhafte Einzelheiten über diese UhrschlagGlocke, aber viele Hinweise, dass sie existierte. Anno 17 ? (die beiden letzten Ziffern fehlen bei der Jahreszahl), wurde diese Schlage-Uhr auf Kosten der Kirche repariert. (4)

Wir wissen nicht, wo sie hing, wo war ihre Uhrkammer? Sie war mit 300 kg kleiner und leichter als die beiden andern, wie wir heute wissen. 1786 ging es um die Kosten für Glocken- und Uhrschmier, die von der Kirche getragen wurden. Die „Turm – Uhr“, also ein Uhrwerk, war im Jahre 1853 von der Kirchengemeinde angeschafft worden. Im Jahr 1860 mußte eine umfangreiche Turmreparatur durchgeführt werden und der Turm wurde nicht mehr mit Ziegeln sondern mit Goslarschem Schiefer gedeckt, doch die Glocken wurden mit keinem Wort erwähnt. 1875 mussten die Schalllöcher repariert werden, sie sollten mit einem Bleidach verbessert werden, und das obere Fach der Fenster der Uhrkammer hatte eine Reparatur nötig, wieder ein Hinweis auf die Uhrschlag-Glocke.

Als 1891 die neuen Glocken montiert wurden, will man auch ein Zifferblatt am Turm anbringen. Aber für die vorhandene alte Schlage-Uhr müßte das Zeigerwerk umgearbeitet werden, so läßt man den Plan aus Kostengründen fallen. Immer wieder finden sich Hinweise auf die kleine alte Uhrschlag–Glocke.(4)

Unsere Glocke hat Glück

Als im Ersten Weltkrieg die Glocken zuerst gemeldet und dann abgeliefert werden mussten, wurde im Juni 1917 moniert, dass die Kirchengemeinden nicht alle Glocken, vor allem die Uhrschlag-Glocken nicht gemeldet und abgeliefert, sondern als Andenken zurückbehaltenhätten. Aktenvermerke darüber wurden von den Behörden vermisst und waren nicht aufzufinden, und irgendwie ist unsere kleine alte Glocke auf diese Weise auch der Beschlagnahme 1917 entgangen, wie aus den Akten hervorgeht.

Im Zweiten Weltkrieg wiederholte sich dies Spiel. Zuerst wurden nur die drei großen Glocken gemeldet und zwei davon beschlagnahmt. Eine Nachmeldung der Uhrschlagglocke wurde angefordert und in sehr ungenauer Form nachgeholt. Ihr Gewicht wurde nur mit 65 kg angegeben. Das war viel zu wenig, denn sie wog 300 kg. Man hoffte wohl, auf Grund des geringen Gewichtes der Beschlagnahme zu entgehen. Aber diesmal kam unsere kleine alte Glocke nicht davon. Sie erhielt die Kennziffer

5/20/76,

wurde beschlagnahmt und eingezogen. Im Harburger Hüttenwerk erlebte sie das Kriegsende 1945. Doch sie hatte Glück, der Krieg war zu Ende, bevor sie eingeschmolzen wurde.

Eine „kleine Glocke“ kehrt heim

Schon 1946 nahm der „Auschuss für die Rückführung der deutschen Kirchenglocken“ seine Arbeit auf und führte die Identifizierung der Glocken, die dem Einschmelzen entgangen waren und ihre Rückführung in die alten Kirchengemeinden durch. An Hand der Kennziffer, die sie bei der Ablieferung erhalten hatte, wurde unsere Glocke in Harburg, auf dem „Glockenfriedhof“ identifiziert, und so kehrte unsere kleine mittelalterliche Glocke 1948 nach Rössing zurück, wo sie schon viele hundert Jahre ihren Dienst als Uhr-schlag – Glocke versehen hatte.

Die Restaurierung

Zuerst wurde die heimgekehrte Glocke mit einer Aufhängevorrichtung versehen und von 1950 bis 2008 hing sie wieder bei uns im Turm, aber 2008 musste sie aus Sicherheitsgründen stillgelegt werden.

Noch in demselben Jahr gingen erste Spenden für ihre Restaurierung ein und Herr Kämpfer ging ans Werk.

Am 20.Okt. 2011 wurden in einer Kirchenvorstandssitzung der Planungsentwurf und die Finanzierung verabschiedet.

Der Ausbau der Glocke erfolgte durch das Technische Hilfswerk am 26. November 2011.

Am 29. November 2011 wurde sie im Gottesdienst verabschiedet, und dann ging unsere Glocke auf Reisen.

Zuerst nach Nördlingen. Die Kronenbügel für die Aufhängung waren abgebrochen und mittels der Fragmente wurde von der Firma Lachenmeyer in Nördlingen eine neue Krone gegossen und in die alte Glocke eingeschweißt.

Nach Fertigstellung der Glocke in Nördlingen am 11. April, erfolgte ihr Transport nach Herford am 16. April 2012. In den Herforder Elektro-Motorenwerken wurde sie vermessen und gewogen und das Holzjoch für die Glocken und die Aufhängung, sowie die Armatur hergestellt. Sie hatte einen neuen Klöppel bekommen und ging dann auf die Heimreise. Insgesamt hatte sie 1.400 km zurückgelegt, als die am 20. April 2012 wieder in Rössing eintraf.

Am 28. Juli wurde die Glocke auf den Turm gehievt und der Einbau und das Einläuten erfolgten am 30. Juli 2012. Am Erntedanktag im Oktober wurde sie offiziell der Gemeinde wieder übergeben. (8)

Mit dem zweiten mittelalterlichen, restaurierten Glockenschatz werden die Rössinger in Zukunft sicher behutsamer umgehen und ihn nicht einschmelzen wie es im Jahr 1891 mit der wertvollen historischen Glocke geschehen ist, die 1429 gegossen wurde und die Namen unserer Kirchenheiligen St. Peter und Paul trug.

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Quellen

1 Unbekanntes entdecken, Kirchen in der Gemeinde Schellerten, 2010, ISBN 978-3-938385-38-8 von Heike Klapprott, Annegret von Loeben, Gerda Mayer, Hans-Georg Schrader, S. 56

2 Aus der Geschichte von Rössing, von Malermeister Hermann Kasten 1983, S. 68

3 Mithoff(1871): Kunstdenkmale im Fürstenthum Calenberg S. 160, Nachricht v. Dr. Christine Wulff,

Vorsitzende der Inschriftenkommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, 4. Dez. 2012

4 Pfarrarchiv Rössing, Sign. Rep 18 A 500 – 512 und Rep 19 A 5130151304

5 Der Raum Hildesheim im Luftkrieg 1939-1945, Zielpunkt 52092 N / 9571 O von Hermann Meyer-Hartmann, Schriftenreihe des Stadtarchivs und der Stadtbibliothek Hildesheim, Bd. 14 S.27

6 Rössing – unser Dorf im Wandel, Bildband, S. 68, 1987 ISBN 3-89264-103-X

Hrsg. Verein Dorfpflege Rössing

7 Philipp Meyer, Die Pastoren der Landeskirche Hannover seit der Reformation

Pfarrarchiv Rösssing , Sign. Rep 19. A 513 o1 – 513o4

8 Arbeitsunterlagen des Projektes von Friedrich Kämpfer, Rössing, KV-Miglied

Nachtrag

Quelle: Pfarrarchiv Rössing, Sign Rep 19 A 51301 – 51304

Ergänzende Nachrichten über Glocken aus den verlorenen Ostgebieten

Am 27. Dezember 1950 stellte der damalige Rössinger Pastor Moderegger an das Landeskirchenamt in Hannover einen Antrag auf leihweise Überlassung einer Bronzeglocke. Solche lagerten noch auf dem „Glockenfriedhof“ in Harburg und stammten aus den verlorenen Ostgebieten jenseits der Oder-Neisse-Linie. Er selber hatte dort seine Heimat verloren und es wäre eine große Freude für die zahlreichen Ostvertriebenen, die die Hälfte der Bevölkerung Rössings und bei weitem den größten Teil der Kirchenbesucher stellten, wenn sie von einer Glocke aus ihrer Heimat ins Gotteshaus gerufen würden. Dies Ersuchen wurde aber abgelehnt.

Kirchenglocken aus Wolhynien

1942 wird darauf hingewiesen, dass die Glocken der Wolhyniendeutschen, die 1939 als Folge des Nichtangriffspaktes von Hitler mit der Sowjetunion aus Russland nach Deutschland umgesiedelt wurden, ihre mitgebrachten Glocken behalten dürften, dass sie nicht für Kriegszwecke beschlagnahmt werden sollten, ein eindrucksvolles Beispiel für den hohen Sinngehalt von Kirchenglocken, sogar im Dritten Reich.

Abschiedsfeier für die Glocken der Kirchengemeinde Rössing am 8. März 1942 .

Der damalige Pastor Hahne hat vor der Ablieferung die Schmuckelemente und Inschriften der Glocken beschrieben und uns genau überliefert, wann sie jeweils geläutet wurden.

Die große Glocke:

Oberer Schmuckrand: Eichenlaub

Auf dem langen Felde: Der segnende Christus mit ausgebreiteten Armen.

Auf der Gegenseite: Der aufrecht stehende Luther mit der Bibel in der Hand.

Inschrift: EHRE SEI GOTT IN DER HÖHE – FRIEDE SEI MIT EUCH

Am unteren Rande:GEGOSSEN VON J.J.RADLER UND SÖHNE IN HILDESHEIM 1891

PASTOR WOLFF, K..KOENNEKE, H.MARTENS,H.BAUMGARTEN. K.TIEMANN U.. G.HOFFMANN

Gewicht: 1079,5 kg = 21 Zntr, 59 Pfd. Durchmesser unterer Glockenrand 128 cm, Ton D

Die mittlere Glocke

Oberer Schmuckrand: Weinlaubranken

Auf dem langen Felde: Ein Kreuz mit der Inschrift I.N.R.I. Auf der Gegenseite: Ein Abendmahlskelch.

Inschrift: KOMMET, DENN IST ALLES BEREIT! WACHET UND BETET!

Am unteren Rande: GEGOSSEN VON J.J.RADLER und SÖHNE, HILDESHEIM 1891

ORTSVORSTEHER H.PLÖTZE, LEHRER K.TÖNNIES, H.ROHNE, K.ROKAHR

Gewicht: 648 kg = 12 Zntr. 96 Pfd. Durchmesser unterer Glockenrand: 127 cm, Ton F

Die kleine Glocke

Oberer Schmuckrand:Blumenranken

Auf dem langen Feld: Das Wappen der Herren von Rössing

Der springende Löwe, darüber die siebenzackige Krone

Inschrift: GOTTES WORT UND LUTHERS LEHR

VERGEHEN NUN UND NIMMERMEHR

Am unteren Rande: GEGOSSEN VON J.J.RADLER UND SÖHNE HILDESHEIM 1891

ALEXANDER FRH. VON RÖSSING, KICHENPATRON

Gewicht: 317 kg = 6 Zntr., 34 Pfd, Durchmesser unterer Glockenrand 86 cm, Ton A

Verwendung der Glocken:

Alle drei Glocken zusammen:

Beim Einläuten der hohen kirchlichen Festtage und an diesen selbst.

An hohen politischen und vaterländischen Festtagen und Siegesfeiern.

Die große Glocke allein:

Bei dem Brautschauer von 1-2 Uhr vor der Trauung,

beim Betglockenschlag

als Sturm- und Feuerglocke, schnell und pausenlos angeschlagen

Die mittlere Glocke allein

Als Abendmahlsglocke freitags zu den Abendmahlsfeiern

Die mittlere und die kleine Glocke zusammen:

Am Sonnabendabend zur Anmeldung des Sonntags,

Sonntags früh zum Einläuten des Sonntags, in Friedenszeiten im Sommer um

6 Uhr, im Winter um 8 Uhr,

zum Ausläuten und zu den Beerdigungen von Kindern

Die kleine Glocke allein, als Feuerglocke geläutet

Mühlengeschichte in Rössing

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Mühlengeschichte aus Rössing und Calenberg

von Helga Fredebold

Wo der Rössingbach am Schloß vorbeifließt, an der romantischsten Stelle des Dorfes, steht die ehemalige Wassermühle der Freiherren von Rössing. Diese Ecke hieß bei den Rössingern allgemein der Malerwinkel. Leider sind die Bilder, die hier entstanden sind, wohl alle in Privathand und der Allgemeinheit nicht bekannt.

Bis zum Jahre 1911 klapperte hier wirklich noch die Mühle am rauschenden Bach, wie es in dem alten Volkslied heißt. Bis dahin wurden, wie in alten Zeiten, die Mühlsteine von einem Wasserrad getrieben. Dann folgte das Maschinenzeitalter und seit dem 1. Juli 1966 wird dort kein Mehl mehr gemahlen. Wenige Jahre wurde sie noch als Schrotmühle betrieben und dann ganz stillgelegt.

Wasser- und Mühlenrechte

Mühlen- und Wasserrechte, jegliche Nutzung von Naturkräften, hatten die Territorialfürsten und die Bischöfe schon immer an sich gezogen, die damit adelige Geschlechter oder verdiente Gefolgsleute belehnten. So waren sicher auch die Mühlen- und Wasserrechte der Herren von Rössing Teil der ihrer Güterbelehnung im Mittelalter, denn sie gehörten von jeher zu ihren Privilegien. Selten betrieben die Belehnten die Mühlen selbst, sondern verpachteten sie langfristig an Müllerfamilien.

Voraussetzung für das Betreiben der Mühle war das Anstauen des Rössingbaches. Und das geschah vermutlich schon vor, oder spätestens beim Bau der ersten Burg- anlage oder eines sogenannten festen Hauses im Jahre 1342. Der aufgestaute Rös-singbach, der Teich und ein Grabensystem mit einer Wasserkunst speisen auch heute noch den Schloßgraben des Herrenhauses.

Und ebenso lange haben die Rössinger nach Überlieferung schon ihr Getreide auf der Herrschaftsmühle gemahlen.

Kleiner Wasserlauf

Der Rössingbach ist nur ein kleines Flüßchen, er kommt aus dem Hildesheimer Wald, aus der Nähe von Sorsum und wurde früher Dude genannt. Auf der Flurnamenkarte von Alt-Calenberg, die das Landschaftsbild um 1700 zeigt, wird er allerdings in seinem unteren Teil, bevor er in einen alten Leinearm floß, als Rössinger Mühlenbache bezeichnet.

Sein geringes Gefälle forderte ein unterschlächtiges Wasserrad, das heißt, wenn das Schütt gezogen wurde, traf das unten austretende Wasser auf den unteren Teil des Laufrades und setzte es in Bewegung. Wenn der Unterschied zwischen Ober- und Unterwasser größer war, wurden oberschlächtige Wasserräder verwendet. Dabei traf das Wasser von oben in die Schaufelräder und die Energieausnutzung war wesentlich höher, wie zum Beispiel bei der großen Calenberger Leinemühle.

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Rössing wird welfisch

Nach der Hildesheimer Stiftsfehde 1523 wurde das Bistum Hildesheim zerschlagen und das Dorf Rössing und das Adelige Gut gehörten nun nicht mehr zum Stift Hildesheim, sondern wurden dem welfischen Amt Calenberg zugeordnet. Außerdem erwarb der Welfenherzog Erich der Ältere 1538 vom Kloster Helmarshausen die Pfandschaft über das halbe Dorf Rössing, Amt- Calenbergischen Teils, während das andere halbe Dorf nach wie vor der Patrimonialgerichtsbarkeit der Herren von Rös sing unterstand.

Konkurrenz in der Nachbarschaft

Das friedliche Mühlengehen der Rössinger nahm ein Ende, als 1586 dicht bei der Feste Calenberg die große Leinemühle erbaut wurde.

Die Amtmänner auf dem Calenberg wollten nun ihre Amtsuntertanen in Rössing unter Androhung von hohen Strafen, wie Verlust ihres gesamten Viehs, dem Mahl- zwang auf der Calenberger Leinemühle unterwerfen, während die Gutsleute des Adeligen Gerichts weiterhin auf ihrer alten Mühle mahlen lassen durften. Aber der weite Weg brachte viel Erschwernis für die Leute mit sich. Die Herren von Rössing klagten mehrmals beim Herzog und bekamen auch Recht. Sie wehrten sich, weil ihre eigene Mühle schon vor der großen Leinemühle bei Schulenburg bestanden hätte und durch Entzug der Mahlgäste ihrer Mühle Verluste drohten, das wollten sie verhindern.

Der Mühlenstreit

Das Amt Calenberg wurde angewiesen, den Rössingern ihre Mahlfreiheit zu lassen. Am 17. April 1651 wurden dem Amtmann Strickmann 30 Goldflorin Strafe angedroht, wenn er die Leute weiter bedrängte, zahlbar zur Hälfte an den Fiskus und zur Hälfte an den Kläger Ludolph von Rössing. Dessen Klagen beim fürstlichen Hofgericht hatten mehr Erfolg als die Beschwerden der Bauern, die dem Amtsgericht in Calenberg unterstanden.

Aber 75 Jahre später war es mit dem Frieden wieder vorbei. Wieder wurden vom Calenberger Licentschreiber Hamelmann in Rössing, unter Androhung von Strafen bei Nichtbefolgung, die Mahlzettel auf die Calenbergische Zwangsmühle ausgestellt

Aber auch 1726 wurde gerichtlich verfügt, den Rössingern Freiheit bei der Wahl der Mühle zu lassen.

Doch weiterhin standen die Rössinger Bauern unter dem Druck der Beamten auf dem Calenberg. Dazu mag beigetragen haben, daß die Herren von Rössing selbst sich zu dieser Zeit vorwiegend auf ihren Besitzungen im Halberstädtischen und im Osten des Stiftes Hildesheim aufgehalten haben und ihre Rechte vor Ort nicht mit dem nötigen Nachdruck durchsetzten.

1771 verpflichtete sich der Rössinger Mühlenpächter Matthaei, den Rössingbach flußabwärts bis zur Gemeindegrenze „im Holze“ räumen und begradigen zu lassen und ein steinern Gewölbe (Brücke) zum Lühn (Flurbezeichnung) zu bauen, was er auch tat. Aber dann errichtete der Amtmann Rumann ein Schütt auf Calenberger Gebiet, mit dem er den Rössingbach stauen konnte, und bei der nächsten Schneeschmelze standen die dortigen Rössinger Felder unter Wasser. Aber alle Eingaben nützten nichts. Da die Rössinger nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit protestiert hatten, wurde die Klage abgeschmettert.

Der Mühlenzwang der Calenberger Mühle

Eine Urkunde vom 6. September 1741 belegt, welche Ausdehnung dieses Zwangsgebiet hatte und mit welchen Befugnissen ein Amtsvogt ausgestattet war. Diese Urkunde wird unter der Nummer 407 im Archiv des Obergutes Lenthe aufbewahrt. Sie betrifft das Amt Calenberg, das von Lenthe im Norden, bis Holtensen im Süden, von Rössing im Osten bis Bantorf im Westen reichte. Auch Rössing ist hier unter den 44 Zwangsdörfern aufgeführt. Aber es waren auch Ausnahmen vom Mahlzwang möglich und Rössing gehörte offensichtlich zu diesen Ausnahmen, aber die Amtleute hielten sich nicht daran, sondern handelten in eigener Machtvollkommenheit, was die ständigen Differenzen zur Folge hatte.

Im Erbenzins vergeben

Die Rössinger Mühle war verpachtet oder im Erbenzins vergeben. Den Müllern ging es in der Regel recht gut. Sie lebten von der Metze, ihrem Anteil am gemahlenen Korn und waren ein geachteter und wohlhabender Berufsstand.

Bei der Allodifizierung der von Rössingschen Güter, das heißt bei der Umwandlung von Lehnsbesitz in erbliches Eigengut durch Ablösung des Zehnten und der bäuerlichen Hand- und Spanndienste Mitte des 19. Jahrhunderts, wurde die Mühle von der Familie von Rössing zurückgekauft. Es gehörten dazu ein Wohnhaus, eine Scheune, Back- und Waschhaus, Pferde-, Kuh- und Schweinestall und 26 Morgen Land. Die Mühle wurde aber weiterhin verpachtet. Von 1911 bis zum Ende 1966 war sie im Besitz mehrerer Generationen der Müllerfamilie Brünig.

Die Pacht wurde zum Teil noch in Naturalien entrichtet und es mußten Eier und unter anderem drei Schweine abgeliefert werden. Beim letzten Pächter waren es nur noch einige Gänse, alle übrige Pacht wurde in Geld entrichtet.

Beginn des Maschinenzeitalters

1911 wurde die Mühle mit Einführung der Elektrizität modernisiert. Statt des Mühlrades wurde eine Wasserturbine eingebaut und im Maschinenhaus eine Dampfmaschine, die später durch einen Dieselmotor ersetzt wurde. Gemahlen wurde mit Mühlsteinen und 1923 ereignete sich ein schrecklicher Unfall in der Mühle. Ein Lehrjunge hatte trotz Verbotes bei laufendem Getriebe gefegt. Seine Kleidung wurde von der Maschine erfaßt und der Junge vollständig zerrissen.

Erst 1938 wurden ein Walzenstuhl und ein Plansichter zur Klassifizierung der Mehltypen eingebaut. Gemahlen wurden Roggen- und Weizenmehl, sowie Futterschrot aus Gerste und Hafer. Während der Kriegs- und Nachkriegszeit wurden auch Haferflocken, Grieß und Graupen hergestellt, was zwar verboten, aber allgemein üblich war, um die Not zu lindern, denn die Menschen litten Hunger.

1947/48 wurden der Maschinenpark und das Mühlengebäude bachabwärts auf den heutigen Umfang vergrößert.

So lange, wie die Landwirtschaft noch mit Pferden und nicht mit Treckern betrieben

wurde, war am Rosenberg, dem heutigen Kurt-Schumacher-Platz, das Ufer des Rö

ssingbaches abgeflacht und der Mühlenkolk wurde als Pferdeschwemme genutzt.

Die Mühlenpächter hatten die Pflicht, das Schütt bei Regengüssen rechtzeitig zu regulieren. Als im Frühjahr 1947 nach dem strengen Winter das Tauwetter einsetzte, konnte das Schütt durch das Eis nicht mehr rechtzeitig hochgezogen werden. und das ganze Wohnhaus und die Mühle wurden unter Wasser gesetzt. Um solche Katastrophen in Zukunft zu verhindern, wurde im Garten bachaufwärts ein Damm errichtet.

Durch das reichhaltige Angebot an Lebensmitteln in den 1960er Jahren erfolgte eine Veränderung der Eßgewohnheiten. Brot bildete nicht mehr das Hauptnahrungsmittel für die Menschen und die kleineren Getreidemühlen hatten keine Überlebenschance. 1966 wurde die Mühle stillgelegt und nur noch kurze Zeit als Schrotmühle genutzt.

Das leere Gebäude wurde viele Jahre von der Tanzgruppe „Deutsche Jugend in Europa“ benutzt und in den 1990er Jahren für Wohnzwecke umgebaut.

Calenberg und die große Leine Mühle

Das erste Mal hören wir von einer Mühle auf dem Calenberg bei dem heutigen Ort Schulenburg an der Leine, als Conrad von Saldern am 24. November 1363 seinen Anteil an der Pfandschaft des Schlosses Calenberg mit Mühle, Zoll, Leuten, Gericht und Jagd an Herzog Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg verkauft.

Damals waren die 1290 erbaute Turmburg und der Pallas, in den alten Akten häufig als Schloss bezeichnet, noch nicht von dem großen Wall und Graben umgeben, von dem heute noch Reste vorhanden sind, und die heute als Alt-Calenberg bezeichnet werden. Diese entstanden erst zwischen 1504 und 1512/14, als Herzog Erich I von Calenberg Burg und Schloß zu einer wehrhaften Feste ausbaute. Dabei wurden große Anstrengungen unternommen, um die Mühle, die vor der Burg lag, in die Festungsanlage mit den Wällen zu integrieren, denn die Mühle war bei Belagerungen wichtig. Sie lag keinesfalls an der Stelle an der Leine, wo später die große Leinemühle erbaut wurde, deren Gebäude auf dem Merianstich von 1653 Schloß und Ampt Calenberg an der Leina im rechten Bildviertel deutlich zu erkennen sind.

Der Historiker Eckard Steigerwald schreibt in seiner Broschüre von 1990 „Die Feste Calenberg“: Auch wenn es kaum vorstellbar ist, die Strömungsverhältnisse müssen an der Mühle bei Anlage der Festung so gewesen sein, daß sie mit Wasserkraft betrieben werden konnte.

Bei dem Begriff Calenberg handelte es sich nicht um einen alten Gerichtsbezirk der Reichsverfassung, sondern um eine junge Bildung, die erst mit dem Schlosse entstanden ist. Seit der ersten Verpfändung gleich nach dem Bau des Schlosses bis ca. 1400, als es in die eigene Verwaltung der Welfenfürsten übernommen wurde, gehörte zu Calenberg herrschaftliches Eigen- und Zinsland, von dem Zins und Dienste auf der Burg eingefordert wurden.

Dabei ist nicht ganz klar, ob es sich um einen geschlossenen Bezirk oder um Streubesitz handelte. Auf jeden Fall war er Mittelpunkt einer Wirtschaftsverwaltung und der Burgbezirk hatte die Tendenz zu wachsen. Später wurde der Begriff Calenberg auf das ganze Fürstentum übertragen und die Fürsten, von Erich I (1495 – 1540) bis Georg Wilhelm (1648 – 1675), haben Calenberg als Stammschloß ihres Hauses betrachtet und gepflegt.

Die Wissenschaftler vertreten die Ansicht, daß das Schloß Calenberg auf einer Insel angelegt wurde, die von zwei Leinearmen umflossen wurde, die lange Zeit gleichzeitig Wasser geführt haben. Der östliche ist der ältere und die sogenannte Alte Leine ist ein Rest davon. Die Flurnamenkarte von Alt-Calenberg zeigt den Leineverlauf um 1700. Es ist deutlich zu sehen, daß ein oberhalb der Calenberger Mühle abzweigender Leinearm den um das Schloß herumführenden Wallgraben speiste und über den sogenannten Mühlenstrang eine Wasserverbindung zur heutigen Alten Leine herstellte. Die Wassermenge war wohl durch ein Wehr regulierbar. Nach dem Abriß der Feste zwischen 1680 und 1720 wurde die Verbindung zur Leine unterbrochen. Der Wall wurde teilweise abgetragen und der Graben aufgefüllt, die Wasserläufe im Umfeld verändert, was eine Rekonstruktion heute sehr erschwert. Der Wallgraben und der Mühlenstrang fielen seitdem trocken, nur bei Hochwasser erkennt man manchmal die alten Wasserläufe.

Jedenfalls muß es mit dieser Mühle auf der Burg immer wieder Probleme gegeben haben, so daß zusätzlich mit Pferdekraft eine Göpelmühle betrieben werden mußte.

In der Schloßbeschreibung von 1584 werden auf dem Calenberg eine Roßmühle und eine Mehlmühle genannt, in der von 1585 Roßmühle und Mühle, und 1639 und 1665 heißt es nur noch: Eine alte Mühle.

Die Juliusmühle

Nachdem Herzog Erich der Jüngere von Calenberg 1584 ohne Leibeserben verstorben war, erbte sein Vetter Herzog Julius zu Wolfenbüttel das Herzogtum Calenberg. Dieser gab zwei Jahre später, im Jahr 1586 den Auftrag, eine neue Mühle direkt an der Leine zu bauen. Diese moderne Mühle hatte mehrere Mahlgänge, neben der Getreidemühle auch eine Öl- Säge und Bokemühle zum Flachsbrechen und wurde nach ihm Juliusmühle genannt. Sie war sehr groß und leistungsfähig und in der Tat jünger als die kleine Mühle der Herren von Rössing.

Sie war herrschaftliche Bannmühle und ihrem Mahlzwang unterstanden über 40 Dörfer.

Wie bei den herrschaftlichen Mühlen üblich, wurde auch die Juliusmühle von Pächtern betrieben. Den Pächtern waren aber nur die eigentlichen Mühlenräume verpachtet, in denen sich die Mahlgänge befanden. In den großen Kornböden darüber

wurde der Kornzehnte gelagert und von einem Rentmeister verwaltet.

Moderne Zeiten

Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Aufhebung der bäuerlichen Lasten erfolgte, entfielen die Ablieferung des Zehnten, die Hand- und Spanndienste und auch der Mahlzwang. Das Einzugsgebiet der großen Mühle verkleinerte sich erheblich.

Das führte zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Pächter, da die großen Kapazitäten der Mühle nicht mehr ausgenutzt werden konnten.

Unternehmerischer Wagemut

Ernst Malzfeldt, der 1854 schon die Innerstemühle bei Sarstedt aus königlich-hannoverschem Besitz gekauft hatte, übernahm 1871 von dem hochbetagten Pächter die Calenberger Mühle. Diese war inzwischen nicht mehr königlich-hannoversch, sondern gehörte seit dem Krieg von 1866 dem preußischen Fiskus, denn aus dem Königreich Hannover war 1966 eine preußische Provinz geworden. Ernst Malzfeldt hoffte, die Mühle käuflich erwerben zu können, um dann die notwendigen, umfangreichen Investitutionen vorzunehmen. Doch die Hoffnung. auf einen Kauf zerschlug sich.

Aber er erneuerte die veralteten Anlagen trotzdem und ersetzte die uralten Wasserräder durch den Einbau von Turbinen, errichtete neue Mühlengebäude und baute moderne Müllereimaschinen ein.

Der wirtschaftliche Erfolg gab ihm Recht. In zäher Arbeit hatten Ernst Malzfeldt & Söhne die Mühle zu einem sehr leistungsfähigen Betrieb ausgebaut.

Arbeitsordnung von 1892

Ein kleiner Ausschnitt aus einer Arbeitsordnung von 1892 gibt einen Einblick in den damaligen Arbeitsalltag, der in einer Getreidemühle von harter Knochenarbeit geprägt war.

Arbeitszeit war 6 Tage, von morgens 6 Uhr bis abends 19 Uhr, 13 Stunden, auch am Sonnabend. Nach Abzug von insgesamt zwei Stunden Pause waren das 11 Stunden reine Arbeitszeit täglich.

Pausen von 8 bis 8.30 Uhr

12 bis 13.00 Uhr

16 bis 16.30 Uhr

Wörtlich hieß es:

Für alle Zeitbestimmungen ist die Uhr der Dorfkirche zu Schulenburg maßgebend. Der Mahlbetrieb läuft in Tag- und Nachtschichten. Der Schichtwechsel für Tag- und Nachtschicht findet für die Müller morgens um 3 Uhr und nachmittags um 15 Uhr statt, für die Arbeiter morgens um 6 Uhr und nachmittags um 18 Uhr. Notwendige längere Arbeitszeit oder Sonn- und Festtagsarbeit im gesetzlich zulässigen Rahmen ist einzuhalten. Verspätungen bei Beginn der Arbeitszeit werden mit 10 Pfennig für jede angefangene halbe Stunde geahndet.

Bei Eintritt in die Firma erhält jeder Arbeiter die mehrere Seiten lange, IX Artikel umfassende Arbeitsordnung ausgehändigt, die er bei seinem Ausscheiden wieder abzuliefern hat. Jeder Arbeiter ist verpflichtet, der gemeinsamen Ortskrankenkasse Schulenburg und Umgebung beizutreten und die berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften einzuhalten.

Mit dieser Arbeitsordnung war den Betreibern der Mühle ein freizügiges Arbeiten und Wirtschaften möglich,

Seit 1871 haben drei Generationen Ernst Malzfeldt & Söhne die Mühle immer wieder vergrößert. Wann dann die Familie Bremer die Mühle übernahm, war nicht zu ermitteln. Aber sie arbeiteten auch mehrere Generationen mit großem wirtschaftlichen Erfolg.

Der Gleisanschluß

Die Mehle waren von hoher Qualität und fanden guten Absatz in Niedersachsen und den Verbrauchergebieten im Norden und Westen. Mit der im Mühlenbetrieb nicht benötigten Wasserkraft wurde elektrische Energie erzeugt und an das Überlandnetz abgegeben. Das geschieht auch heute noch und ist ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor für die jetzigen Eigentümer.

Um die gewichtigen Getreide- und Mehlsäcke vor allem über weite Strecken zu transportieren, führte ein Bahnanschluß vom Bahnhof Nordstemmen fast bis zur Calenberger Mühle nach dem kleinen Ort Lauenstadt. Mehl und Futtermittel mußten mittels einer Kettenbahn vom Mehllager auf der Mühleninsel über die Laufbrücke, den Verbindungsweg über den Fluß der Turbinenzuläufe, zum Eisenbahnschuppen in Lauenstadt befördert werden, wo der Umschlagplatz war. Man nannte diesen winzigen Ort, unmittelbar bei Calenberg gelegen, auch Flohagen, weil er nie mehr als 7 Häuser hatte und sprach scherzhaft vom Lauenstädter Güterbahnhof.

Die Gleisanlage mußte streckenweise von der Mühle gewartet werden. Zwischen Lauenstadt und Rössing führten die Schienen durch das Hochwassergebiet unter den Eschen, und jedes Mal wurden bei Hochwasser Schwellen freigespült. Die Instandsetzung war kostspielig und langwierig. Außer der Calenberger Mühle benutzten noch die Schulenburger und Jeinser Kohlenhändler und Landwirte den Gleisanschluß zur Anfuhr von Kohlen und Düngemitteln.

Etwa 20 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich der Güterverkehr der Mühle von der Schiene auf die Straße verlagert. Der Fuhrpark war vergrößert worden und die Gleisanlage wurde abgerissen.

Am Zielort mußte die Belieferung der einzelnen Kunden sowieso motorisiert vorgenommen werden. Zum Schluß kam die Knochenarbeit, der Transport der Zweizentnersäcke auf dem Rücken der Transportarbeiter in die Mehlkammern der kleinen und größeren Bäckereien.

Kriegs- und Nachkriegszeit

Kriegsbedingt waren etliche notwendige Verbesserungen und Modernisierungen in der Mühle aufgeschoben worden. Als nach dem Krieg der Betrieb wieder aufgenommen wurde, gab es viele Handwerker und Arbeitskräfte, aber wegen Materialmangel konnte doch so manches nicht in Angriff genommen werden. Die Arbeitsplätze, wo Lebensmittel hergestellt oder verarbeitet wurden, waren sehr begehrt. In den Hungerzeiten fiel in einer Mühle immer etwas ab.

Das Wichtigste war vor allem, daß die Bevölkerung etwas zu essen hatte, es wurde also Getreide gemahlen. Auslandsgetreide wurde in Bremen von Überseeschiffen gelöscht und lose in Waggons geladen. Neben Weizen wurde auch Mais als Brotgetreide geliefert. Den kannte man in Deutschland bisher nur als Futtermittel. Mais ist härter als unser Brotgetreide und ließ sich ohne Vorbehandlung auf den herkommlichen Mühlen nicht vermahlen und der Maschinenpark mußte umgestellt werden. Der Mais mußte einer Wärmebehandlung von 40 Grad unterzogen werden, bevor er gemahlen werden konnte. Für die Bäcker war es ein Kunststück, mit Maismehl ordentliches Brot zu backen. Im Anschnitt sah es gelb aus wie Kuchen mit ganz viel Eiern, aber leider schmeckte es nicht so. Trotzdem war die Bevölkerung froh über das Maisbrot, denn die Lebensmittelrationen waren klein, in der schlechtesten Zeit bis 1948 zur Währungsreform, waren es nur 1000 Kalorien pro Tag.

Dass von den Amerikanern Mais als Brotgetreide nach Deutschland geliefert wurde, war angeblich ein Mißverständnis. Der deutsche Verhandlungspartner, der die Gespräche über die Hilfslieferung von Brotgetreide führte, sprach von Korn, womit er Roggen als unser übliches Brotgetreide meinte, im Gegensatz zu Weizen. Aber die Amerikaner kennen keinen Roggen, und corn ist für sie Mais, den auch sie als Futtermittel verwenden. Und so bekamen wir ganze Schiffsladungen von Mais

Not macht erfinderisch und so schildert ein ehemaliger Mitarbeiter der Calenberger Mühle noch so manches aus diesen Jahren, was den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Franz Huber war seit 1945 als gelernter Müller bei der Mühle tätig, und hat einen ausführlichen Bericht über diese Zeit geschrieben.

Die Mühleninsel

Die Mühle wurde 1586 auf einer hochwassergeschützten Insel der Leine angelegt. Aber sie umfaßte nicht nur das Mühlengrundstück, sondern es gab eine ganze Reihe weiterer alter Flurstücke, von denen die jeweiligen Mühlenpächter einige erwarben. So gab es noch die Schradersche Anbauerstelle, den Mühlengarten, die Kleine Mühlenmarsch und jenseits der Leine die Große Mühlenmarsch. Von dem eigentlichen Mühlengrundstück mit dem Kraftwerk ist aber dabei nie die Rede.

In einer kleinen Chronik über die Calenberger Mühle, vermutlich verfaßt von einem Mitglied der Familie Bremer wird berichtet, daß es der Familie Bremer gelang, die Mühle während des Krieges von der Regierung zu kaufen.

Dem widersprechen die Grundbucheintragungen im Grundbuchamt Springe. Im Grundbuch ist in den Eintragungen, die das eigentliche Mühlengrundstück betreffen, nie von der Familie Bremer die Rede. Als Eigentümer wird dort bis 1993 nur genannt.

FIRMA ERNST MALZFELDT & SÖHNE

SCHULENBURG / LEINE

Dies ist nur so zu erklären, daß die Familie Bremer die Firma Ernst Malzfeldt & Söhne aufgekauft hat und unter dem Firmennamen Malzfeldt & Söhne weiter betrieb. Sie wurde Eigentümer der Mühle, ohne selbst mit ihrem Namen im Grundbuch zu erscheinen.

Daß das einst blühende Unternehmen die Krisenzeiten in den 1980er Jahren nicht überlebte, hat sicherlich mehrere Ursachen und entbehrt auch nicht einer gewissen Tragik. Die Mühle hatte zum Schluß sieben Anteilseigner. Sie wurde an die Bremer Rolandmühle verkauft und noch kurze Zeit als Mehlmühle weiter betrieben. 1987 hörte die Calenberger Mühle auf Getreide zu mahlen, sie wurde stillgelegt und eine 400jährige Mühlentradition ging zu Ende.

Frischer Wind in alten Mauern

1988, ein Jahr später, beginnt in der Region Hannover, in Calenberg, unter der Führung von Stephan Rettenmaier, dem Sproß einer erfolgreichen schwäbischen Unternehmerfamilie von Weltformat, die Produktion von Faser-Granulaten für den Straßenbau, als Zusatz für den sogenannten Flüsterasphalt.

In der Calenberger Mühle stehen die Räder nicht mehr still, sie mahlen nun Kunststoffe statt Getreide.

Anfangs galt das Interesse der süddeutschen Unternehmer mehr der Energiegewinnung durch Wasserkraft, aber unternehmerischer Erfindergeist sah noch andere Möglichkeiten in der traditionsreichen Mühlenanlage Calenberg. Unter ihrem Geschäftsführer Stephan Rettenmaier expandiert die Firma JRS Prozeßtechnik (Josef Rettenmaier Senior) mit viel Erfolg und versucht, sich über den Inselbereich hinaus auszudehnen. Laut Zeitungsbericht wird der Erwerb der Mühlenmarsch angestrebt, wozu allerdings die Umwidmung der bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche zu Industriegelände notwendig ist.

Quellen:

Pfarrarchiv Rössing: Fasc.1 A. 110, Mühlenstreitigkeiten zwischen der Rössinger und Calenberger Mühle

Persönliche Berichte der Rössinger Müllerfamilie Brünig, der letzten Mühlenpächter:

Hannoversche Allgemeine Zeitung , Landkreis-Zeitung Süd, vom Mittwoch, 30. Juli 1986

Seite 4: Heinz Koberg: Der Mühlenzwang der Calenberger Mühle

NHSA Hannover : Sudendorf, Urkundenbuch der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg, Band III, Nr. 206. .Seite . 133/4 vom 24. November 1363

Werner Spieß: Die Großvogtei Calenberg, Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1933

Eckard Steigerwald: Historiker. Die Feste Calenberg, Broschüre des Rotary-Clubs, ca 1990

StA Wf, I Alt 30, Nr. 494 NHSA Cal Br 2 Nr. 335

Flurnamenlexikon und Flurnamenkarte von Alt-Calenberg, Hrsg. Landkreis Hannover 1987

Bearbeitet von Heinz Weber

Dr. Allheidis von Rohr und Dr. Edgar Kalthoff:Calenberg, „Von der Burg zum Fürstentum“.

Hannover 1979, Hrsg. Hist. Museum

Franz Huber, Schulenburg/Leine, Königsberger Str. 8

Calenberger Mühle, Ernst Malzfeldt & Söhne und Familie Bremer :Copy-Druck, Privatbesitz

Die Holzmüller“Geburtstagsbuch für Josef Rettenmaier zum 80. Geburtstag am 4. Juli 2004

Die Schulen in Rössing

Vorwort

Kaum ein Jahr vergeht, an dem nach den Sommerferien Eltern und Schüler nicht mit einer Neuregelung in der Schulwelt konfrontiert werden. In diesem Jahr ist das neue Schlagwort: Inklusion. Behinderte Schüler, lernschwache und körperlich behinderte sollen in Zukunft gemeinsam mit den „Normalschülern“ unterrichtet werden. Die Oberschule, die alle Kinder gemeinsam von der ersten bis zur 10. Klasse, der „Mittleren Reife“ besuchen sollen, soll Regelschule werden. Die Haupt- und Realschulen werden zusammengelegt. Man schreckt auch vor noch weitergehenden pädagogischen Experimenten nicht zurück. In Schulenberg/Leine sollen nun, wie vor 150 Jahren, die Kinder in altersgemischten Klassen unterrichtet werden. Die Jüngeren sollen von den Älteren lernen und die Schnelleren helfen denen, die etwas länger brauchen. Das soll das soziale Verhalten fördern und jeder könne optimal gefördert werden. So stellt man sich das vor. Wenn man sich einmal mit der Geschichte der Schulen befasst, so stellt man fest dass vieles, was heute als das Fortschrittlichste und Beste propagiert wird, schon einmal da war. Aber es wurde zum Beispiel als großer Fortschritt angesehen, als man die ein- und zweiklassigen Dorfschulen, in der mehrere Jahrgänge gleichzeitig unterrichtet wurden, auflösen konnte. Gewiss hat man heute größere theoretisch Kenntnisse über Pädagogik und bessere Lehrmittel. Aber auch Lehrer sind nur Menschen, und der zusätzliche Bedarf an Lehrern und Pädagogen, der in der Regel die finanziellen Möglichkeiten der Behörden übersteigt, lässt kaum auch nur gedämpften Optimismus für eine bessere Schulwelt aufkommen. Aber jede Zeit hatte ihre Probleme, lesen Sie selbst, wie es früher einmal war.

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Seit 1641 die erste Schule in Rössing nachgewiesen

Die ältesten Schulen im hiesigen Raum waren die mittelalterlichen Lateinschulen der Kir-chen und Klöster. Schon vor ersten Jahrtausendwende existierte die Hildesheimer Dom-schule, deren Schüler auch der berühmte Bischof Bernward gewesen ist. Im Jahre 1429 erhielt Siverd von Rössing das hohe Amt des Domscholasters und wurde Vorsteher der Dom-schule.

Mit der Ausbreitung von Handel und Gewerbe wurden Kaufleute und Handwerker gebraucht, die auch schreiben, rechnen und lesen konnten. Die Lateinschulen, die vorwiegend der Aus-bildung des Klerus und des akademischen Nachwuchses der neu gegründeten Universitäten dienten, waren hierfür nicht geeignet. So entstanden in den Städten unterhalb des Niveaus der Lateinschulen deutschsprachige Schreibschulen. Das Niederdeutsche war die verbindli-che Schriftsprache des gesamten Hanseraumes, zu Beginn der Neuzeit allmählich ins Hochdeutsche weiter entwickelt. Diese Schulen wurden auch Winkelschulen genannt, weil sie außerhalb der geistlichen Obrigkeit entstanden. Später wurden daraus die Bürger- oder Stadtschulen.

Katechismusschulen

Auf dem Dorfe kam die Entwicklung erst mit der Reformation in Gang. Die ersten Landschu-len waren die sogenannten Katechismus- oder Küsterschulen. Sie dienten vor allem der Er-ziehung zum Christentum und der Disziplinierung zu frommen Untertanen. Ziel war die Fes-tigung der gerade durchgesetzten Reformation. Lehrstoff waren Luthers Kleiner Katechis-mus, Kirchengesang und Religion. Erst später kamen Lesen, Schreiben und dann Rechnen dazu. Der Küster und Organist war der erste Lehrer in den Dörfern. Er sollte schreiben, le-sen und ein wenig Latein können. Das Lernziel war niedrig angesetzt. Handwerker waren laut Braunschweig-Wolfenbüttteler Schulordnung von 1651 nicht erwünscht. Aber manchmal wurden auch ausgediente Soldaten für das Amt des Lehrers eingesetzt. 1751 gründete ein Privatmann in Hannover das erste Lehrerseminar. Damit wurde für Calenberg eine einiger-maßen qualifizierte Lehrerausbildung möglich, zu der auch das Orgelspiel gehörte, weil der Lehrer auf den Dörfern zugleich auch das Küsteramt innehatte.

Im Frühjahr 1543 wurde im Zuge einer Kirchenvisitation auch in Rössing die Reformation eingeführt. Die Calenberger Herzogin Elisabeth I war eine leidenschaftliche Anhängerin der Reformation und forderte zugleich mit der Einführung des lutherischen Glaubens eine um-fassende Verbesserung des Schulwesens, auch auf dem Lande. Jeder sollte die Bibel lesen können

In Rössing findet sich der erste sichere Hinweis auf das Vorhandensein einer Schule im Jah-re 1641. In diesem Jahre wurde Mattheus Lercerius durch den Superintendenten aus Jein-sen in sein Amt als Küster, Lehrer und Organist in Rössing introduziert. Er unterrichtete im Sommer (von Johannis bis Michaelis) von sechs bis neun Uhr und die übrige Zeit von sie-ben bis zehn und von zwölf bis fünfzehn Uhr, weil die Kinder im Sommer in der Landwirt-schaft helfen mußten. Die Eltern eines jeden Kindes mußten ihm dafür pro Vierteljahr sechs Groschen zahlen.

Sorgen der Lehre

Diese sehr detaillierten Angaben verdanken wir einem Nachfolger von Sercerius, dem Leh-rer und Küster Johann Valentin Fricke. Während seiner Amtszeit in Rössing (1721 – 1744) schrieb er lange Berichte und Beschwerdebriefe an den Superintendenten als Schulauf-sichtsbehörde. In ihnen berichtet er genau nach schriftlichen Unterlagen über genannten Mattheus Sercerius. Seine Briefe geben tiefe Einblicke in seine Sorgen und Nöte. Er beklagt die schlechte Zahlungsmoral der Rössinger, so daß er in tiefer Armut leben müsse.

Der Lehrer und Kirchendiener stand in der bäuerlichen Hierarchie ganz unten. Sein Ein-kommen entsprach etwa dem des Gemeindehirten und diese geringe soziale Stellung wies man ihm auch zu. Darüber beklagte er sich ebenso, wie über eine Privatschule in Lauen-stadt bei Schulenburg. Sie würde von einem Ausschuß-Sergeanten Götze geleitet und ziehe ihm die Kinder ab. Götze lehre diese zugleich die Kriegs-Exercitia und Lehrer Fricke verlangt die Abschaffung dieser Nebenschule. Fricke erhält ebenfalls sechs Groschen im Vierteljahr pro Kind. Wenn es schreiben lernt, kommen noch drei Groschen dazu, außerdem noch drei Groschen Holzgeld jährlich. Er klagt über die Zucht- und Respektlosigkeit der 52 Schulkinder, den schlechten Zustand und die Enge des Schulzimmers von 14 mal 17 Fuß, (1 Fuß Er fügt die Abschrift einer Schulverordnung des Herzogs Ernst August vom 9. Oktober 1681 bei, wonach die Schul-pflicht vom sechsten bis zwölften Jahr dauert. Die Calenberger Schulordnung von 1737 setzt die Schulpflicht dann vom sechsten bis zum vierzehnten Lebensjahr fest.

Schule im Küsterhaus

Das alte Rössinger Küsterhaus, in dem auch die Schule gehalten wurde, befindet sich in der Karlstraße Nr. 6 (alte Hausnummer 94, früher „Zwischen den Hütten“.)

Es liegt dicht bei der Kirche und direkt daneben liegt das Pfarrwitwenhaus, (Am Denkmal 2) und das Schulwitwenhaus, (Am Denkmal 3). Alle drei Häuser gehören zu den ältesten im Dorf. Das Haus „Am Denkmal 2“ wurde in den Jahren 1964 – 74 von den heutigen Eigentü-mern vollständig umgebaut und nichts mehr daran erinnert noch an das ehemalige Pfarrwit-wenhaus.

Das Haus „Am Denkmal 3“, das ehemalige Guts- und Schulwitwenhaus dagegen ist noch das alte, kleine Hüttchen von früher, In weihnachtlicher Beleuchtung sieht es aus wie ein romantisches, kleines Hexenhäuschen. Aber es wird noch bewohnt und erhielt 2013 sogar ein neues Dach und wurde 2014 von seinem Eigentümer, Alexander Frh. von Rössing verkauft.

Das Küsterhaus in der Karlstrasse wurde 1961 von der Kirche an Konrad Schiller verkauft. Als Baujahr nimmt man das Jahr 1781 an, denn diese Zahl ist zusammen mit folgendem Spruch in einen Torbalken eingeschnitzt Ihr Eltern sendet Eure Kinder zu der Gottesfurcht hier ein, Schon in ihrer frühen Jugend wird sie ihnen nützlich sein. Dieser befindet sich heute im Inneren des Hauses in einer Wand, die früher offensichtlich den Schuleingang von Norden her darstellte.

Das Schul- und Küsterhaus von 1781 in der Karlstraße Nr. 6

Unterrichtszwecken. Diese Knabenschule hatte im Küsterhaus ein großes Schulzimmer von 7 mal 7 Metern.“ Dies läßt sich heute trotz vieler Umbauten im Inneren immer noch erken-nen.

Im Jahre 1853/54 erfolgte eine Erweiterung der Wirtschaftsräume, wie man deutlich an der rechten Seite des Gebäudes erkennen kann. Dadurch verschwand der geschnitzte Balken im Inneren des Gebäudes. Der Anbau erhielt ebenfalls ein großes Scheunentor. Der alte, mit Stroh gedeckte Teil des Daches wurde nun ebenso wie der neue Anbau mit Ziegeln gedeckt. Dieser Umbau kostete damals 450 Taler, die von der Schulgemeinde aufzubringen waren. Die Hand- und Spanndienste mußten von den Bauern geleistet werden. Ein weiterer kleiner Anbau wurde im Jahre 1900 erstellt und außerdem wurde die Treppe verlegt.

Die Schule war eine einklassige Dorfschule gewesen, bis 1774 ein zweites Gebäude als Mädchenschule eingerichtet wurde. Ab 1866 wurden die Kinder dann endlich nicht mehr nach dem Geschlecht, sondern nach dem Alter und den Kenntnissen in zwei Klassen aufge-teilt.

Das blieb so, bis 1888 das neue Schulhaus in der Kirchstraße erbaut und kurz vorher eine dritte Lehrerstelle eingerichtet wurde. Außer der freien Wohnung sollte der dritte Lehrer min-destens 750 Mark jährlich erhalten. Das Küsterhaus blieb danach weiterhin Wohnhaus des ersten Lehrers.

Zur ersten Lehrerstelle gehörte das Lehrerwitwentum. Dies umfaßte das Wohnrecht im Lehrerwitwenhaus und anteilige Nutzungsrechte am Küstergarten. Jeder neue Lehrer mußte sich mit der Witwe seines Vorgängers vergleichen. Das führte oft zu Unstimmigkeiten. Das Haus „Am Denkmal 3“ muß in einem erbärmlichen Zustand gewesen sein. Es war im Besitz der Familie von Rössing und wurde kurz nach der französischen Revolution, zwischen 1793 und 1796, von den Eigentümern als Armenhaus neu erbaut. Dort wurden auch alte und nicht mehr arbeitsfähige Gutsleute untergebracht.

Lehrer Rokahr beschreibt 1910 in seiner Schulchronik: Das Haus hatte vier Zimmer und vier Witwen durften darin wohnen, aber nur, so weit sie keine Kinder hatten. Andernfalls mußten die Kinder ihre Mutter aufnehmen.

Auswahl der Lehrer

Da die Herren von Rössing das Kirchenpatronat innehatten, wurden Sie automatisch mit dem Entstehen der Küsterschulen auch Schulpatron. Somit hatten sie immer Einfluß auf die Auswahl des Schullehrers. Als im Jahre 1705 Herr von Rössing einen Guarde-Reuter als Lehrer vorschlug, wandte sich der Superintendent in Jeinsen an den Abt in Loccum um Rat. Von dort erhielt er den Bescheid, daß man „dem von Rössing als Patron“ nicht die Hände binden könne, es sei denn, der Präsentatus sei eines üblen Lebens und Wandels berüch-tigt. Leider steht kein Name in dem Schreiben,. So ist es nicht ersichtlich, ob es sich bei Stats Wilhelm Benninger, der 1705 die vakante Stelle erhielt, um den besagten Guarde-Reuter handelte. Aber nach der gestochenen Schrift, die Benningers Aktenstücke zeigen, scheint es sich doch nicht um einen ausgedienten Soldaten zu handeln.

Schulaufsicht und Visitationen führten Pastor und Amtmann durch und der Superintendent in Jeinsen war übergeordneter Schulinspektor, der mindestens einmal vierteljährlich visitieren sollte. Im 19. Jahrhundert gehörten dem Schulvorstand dann außer dem Pastor auch mehre-re Mitglieder des Gemeinderates an.

Die am besten dotierte erste Lehrerstelle war von jeher gekoppelt mit dem Amt des Küsters. Daher setzte sich auch die Lehrerbesoldung aus vielen Positionen kirchlicher und gemein-deseitiger Herkunft zusammen. Zunächst stand dem Lehrer das Schulgeld zu. Die sechs Groschen pro Vierteljahr und Kind, die Lehrer Sercerius im Jahr 1641 erhielt, steigerten sich bis 1852 auf 16 Groschen und wurden dann auf 18 Groschen erhöht. Aber durch alle Leh-rerberichte seit frühester Zeit zieht sich die Klage, dass das Schulgeld von den Eltern nicht einzutreiben sei. 1850 erwog man deshalb die Einstellung eines Sammlers zwecks administ-rativer Beitreibung. Im Jahre 1888 wurde dann die Schulgeldfreiheit eingeführt und die Leh-rerbesoldung von den Behörden übernommen.

Naturalleistungen

Lehrer Johann Valentin Fricke hinterließ genaue Angaben über seine Naturaleinkünfte im Jahr 1744. Zu Weihnachten standen ihm 13 Würste und 13 Brote zu, zu Ostern sechs Schock Eier (360 Stück). Bei dem alten, verfallenen und grundlosen Wohnhause ist ein Gar-ten von etwa einem halben Morgen, so zitiert Fricke 1744. Dazu kommen Holz- und Wie-senteilung, mehrere Morgen Ackerland und jeder Kirchendienst wie Taufgebühren (sechs Groschen), Brautmesse singen (27 Groschen) und Orgelspielen (5 Taler und 20 Groschen jährlich) wurden genau berechnet. Die Bauern mußten von ihrem Land für den Küster die Glockengarben für das Läuten der Kirchenglocken liefern. Diese wurden dann zum Teil bei der Agrarreform Mitte des 19. Jahrhunderts nach der Verkoppelung mit dem 25fachen ihres Wertes abgelöst. Auch schon vorher wurden die Naturalleistungen teilweise in Geld umge-wandelt. Die Verzahnung von Kirchen- und Schulgemeinde fand ihren Abschluß erst mit der sich über Jahrzehnte hinziehenden vermögensrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Kirche und Schule im Jahre 1932.

Schulgeld

Da viele arme Eltern das Schulgeld für ihre Kinder wirklich nicht zahlen konnten, erhielt der Lehrer für diese das Geld aus dem Armenkasten, oder aus dem Osterwaldtschen Legat. Der Rössinger Amtmann Osterwaldt, der schon 1699 in der Kopfsteuerliste angeführt wurde, gründete eine Stiftung, aus deren Erträgen diese Freistellen finanziert wurden. Für die Jahre 1830 bis 1868 gab es ausführliche Unterlagen, nach welchen Kriterien die Kinder dafür aus-gesucht wurden. Vor allem mußten sie artig und fleißige Kirchgänger sein.

Das Grellesche Legat und die Mädchenschule

Im Jahre 1731 stiftete die Witwe des Pastors Grelle ebenfalls ein Legat von 1000 Talern, aus dessen jährlichem Zinsertrag von 40 Talern eine Mädchenschule und eine zweite Schulstelle eingerichtet werden sollten.

Der Amtsnachfolger des Johann Valentin Fricke, sein Neffe Adolph Burchard Sander (1745-1760), opponierte heftig dagegen. Er befürchtete, daß die Einkünfte seiner, der ersten Leh-rerstelle, damit geschmälert würden. Er schreibt:“—-daß wir mit dem uns zum Fallstrick ge-legten Grelleschen Legat uns nicht dazu verstehen wollen, zwei oder mehrere Schulmeister zu haben, oder mit schweren Kosten viele Schulhäuser zu bauen, und zur ewigen Belastung unserer Nachkommen, als sie unsere Gebeine im Grabe verfluchen würden, im Stande zu erhalten. Aber nach seiner Amtszeit wurde dann doch noch eine zweite Schule für Mädchen mit Lehrerstelle eingerichtet.

Verschiedene Privatpersonen unterstützten die Schule durch Spenden, und der von 1753 bis 1798 amtierende Pastor Hefenhausen stiftete ein Legat von 50 Talern für Schulbücher.

1819 verdiente ein Lehrer 145 Taler

1774 wurde auf der von Kirche und Schulgemeinde angekauften Rodenbergschen Brinksit-zerstelle, Karlstraße 14 (Hausnr. 78), eine Mädchenschule und eine zweite Lehrerstelle ein-gerichtet. Das Haus enthielt außer der Schulstube eine Wohnstube und fünf Kammern, wo-von zwei aber nur kleine Dachkammern waren. Anfallende Reparaturen mußte der Lehrer selbst ausführen lassen. Das führte in der Folge zu einem Reparaturstau, so dass die Ge-meinde später doch beispringen mußte.

Die zweite Lehrerstelle wurde bezahlt aus den Zinsen des Grelleschen Legates und war ge-ringer dotiert als die erste. Die Einnahmen aus kirchlichen Diensten fielen bei der zweiten Lehrerstelle fort, ebenso die Glockengarben von den Bauern. Im Jahre 1819 errechnete sich das Einkommen wie folgt: Aus den Zinsen des Grelleschen Legates 87 Taler, an Schulgel-dern von 60 Kindern 44 Taler und 16 Groschen, von 15 Kindern Schreibgeld fünf Taler. Für Wohnhaus, Obst- und Gemüsegarten sowie eine geringe Holzteilung wurden ihm 9 Taler und 3 Groschen angerechnet, so dass er auf ein Salär von 145 Talern und 19 Groschen kam. Bei der zweiten Stelle war auch kein Witwentum.

Die Spinnschule

Zwischen 1834 und 1850 gab es in Rössing eine Spinnschule. Initiator war der amtierende Pastor Müller. Er stellte ein Gesuch an die Königliche Hoheit um finanzielle Unterstützung, die auch gewährt wurde. Der Gutsherr stellte einen Raum zur Verfügung und die Frau des Obristleutnants Louis von Rössing, geb. Freiin von Dincklage, die selbst eine große Töchter-schar hatte, nahm sich der Sache tatkräftig an. Sie übernahm die Erstausstattung der Schule mit 12 Spinnrädern und stiftete auch noch einen Haspel. Die Mädchen sollten Flachs spin-nen, und zwar nicht nur für grobes Bauernleinen, sondern sie sollten auch Feinspinnen ler-nen. Aber es machte Mühe, all das gesponnene Garn abzusetzen. So wurde gern eine Auf-tragsarbeit für die Gräfin Hardenberg angenommen, die für die Aussteuer einer Tochter fei-nes Leinengarn benötigte.

Man beteiligte sich auch an der ersten Ausstellung des Gewerbevereins. Die Erzeugnisse der Rössinger Spinnschule wurde günstig beurteilt und mit Schreiben vom 1.6.1835 erfolgte die Aufforderung, auch im nächsten Jahr wieder an der Ausstellung teilzunehmen.

Die Schule hatte zwischen 10 und 20 Schülerinnen und 1837 waren es sogar 26. Das Amt Calenberg gab jährlich 75 Reichstaler Unterstützung.

Frau Alpers erhielt für Aufsicht und Unterricht an der Spinnschule jährlich 8 Taler. 1850 wur-de die Spinnschule aber wieder aufgelöst und das Kapital an Kirchen- und Schulvorstand überwiesen. Die industrielle Entwicklung der Spinnereien und Webereien lieferte wahr-scheinlich feinere und gleichmäßigere Garne als die Handspinnerei, die dadurch nicht mehr konkurrenzfähig war.

Die Industrieschule

Die von der Obrigkeitt um etwa 1800 für das Land propagierte Industrieschule sollte den Kindern über den normalen Lehrstoff hinaus einige einfache Handfertigkeiten vermitteln. Da-zu gehören einfache Grundkenntnisse in Landwirtschaft, Obst- und Gartenbau und in der Viehzucht. Der von 1799 bis 1815 in Rössing amtierende Pastor Göcking pflanzte im Pfarr-garten neue, ertragreichere Obstsorten an und gab die Kenntnisse an seine Pfarrkinder wei-ter.

Während für die handwerklichen Zünfte und Innungen seit dem Mittelalter eine fest umrisse-ne Berufsausbildung mit Lehrling, Geselle und Meister Vorschrift war, war es in der Land-wirtschaft nur üblich, daß die Kenntnisse vom Vater auf den Sohn übertragen wurden, was dem Fortschritt nicht gerade dienlich war. Albrecht Thaer (1752 – 1828), Arzt und Gutsbesit-zer, gebührt das Verdienst der Anwendung der Naturwissenschaften auf die Landwirtschaft. Er gründete auf seinem Gut Möglin bei Celle eine landwirtschaftliche Lehranstalt mit Ver-suchsgut und schrieb Bücher über die Grundsätze der rationellen Landwirtschaft. Pastor Göcking war also mit seinen Bemühungen durchaus auf der Höhe seiner Zeit.

Der Name „Industrieschule“ sollte aber nicht irritieren, er hatte nichts mit der in den Städten aufkommenden Industrie zu tun. Die Mädchen sollten in häuslichen Tätigkeiten unterrichtet werden, was aber in den meisten Fällen nicht über Strümpfestricken und Spinnen hinaus-ging.

So war auch die Spinnschule eine „Industrieschule“. Versuche, sie auch auf weitere haus-frauliche Arbeiten wie Waschen, Bügeln oder Weben auszudehnen, scheiterten an den Kos-ten. Übrig blieb der weibliche Handarbeitsunterricht, dem das Schulkapital der Spinnschule zufloß. Dafür gab es keine besonders ausgebildeten Lehrkräfte, eine geschickte Frau mit gutem Leumund konnte den Posten als Handarbeitslehrerin übernehmen.

1817 hieß Unterricht vor allem Bibellehre

Interessant sind die alten Stundenpläne. Der älteste stammt aus dem Jahr 1817. Von 30 Unterrichtsstunden in der Woche, die sich auf vormittags und nachmittags erstreckten, aber schon um 7 Uhr begannen, waren 8 Stunden Religion und Bibellehre, 14 Stunden Schrei-ben, Lesen, Buchstabieren, Aufsatz und Diktat, vier Stunden Kopf- und Tafelrechnen, eine Stunde Geografie, eine Stunde Naturgeschichte und zwei Stunden Lesen fremder Hand-schriften, der Landesgesetze oder sonst etwas Nützliches und Merkwürdiges. 1841 waren es sogar 12 Stunden religiöse Fächer, dazu zwei Stunden Gesang lesen. Der Leseunterricht beschäftigte sich vorwiegend mit der Bibel.

1884 war die dritte Lehrerstelle schon eingerichtet und die Schule hatte drei Stufen, in denen natürlich jeweils mindestens zwei Jahrgänge zusammengefaßt waren. Am Ende des 19. Jahrhunderts kamen Fächer wie Zeichnen, Turnen, Geschichte und Handarbeiten dazu. Aber die morgendliche Religionsstunde war immer noch obligatorisch.

Eine Vorschule für blinde Kinder

Eine Besonderheit in Rössing war das Vorhandensein einer Blindenschule. 1867 wurde hier die erste Vorschule für blinde Kinder zwischen sechs und zehn Jahren ins Leben gerufen. Zehn Kinder sollten für die größere Anstalt in Hannover vorbereitet werden. Sie wurden be-treut von der Familie des Webers August Bohne und einigen Hilfspersonen im Schäferhaus

Bode in der Parkstraße 78. Es lag zwischen Schloßteich und Mühlengraben und war durch hohes Lattenwerk abgesperrt.

Der Aufenthalt pro Kind kostete 144 Mark pro Jahr. Am 1. Oktober 1880 wurde die Vorschu-le in Rössing als nicht mehr zeitgemäß aufgehoben und die Kinder ins Stephansstift in Han-nover überführt. Das Grundstück wurde später von Herrn von Rössing gekauft und das bau-fällige Haus in den 1920er Jahren abgerissen.

Die dritte Rössinger Schule

Als in den 1880er Jahren die Zahl der Schulkinder auf 250 angewachsen war, wurden ein Schulneubau und die Einrichtung einer dritten Lehrerstelle unbedingt erforderlich. Die Pla-nungsarbeiten erstreckten sich über mehrere Jahre. Maurermeister Rose aus Schulenburg erhielt für 22 000 Mark den Zuschlag, nachdem sechs Angebote vorlagen.

Mit dem Einzug in die neue Schule in der Kirchstraße am 1. April 1888 wurde von Lehrer und Kantor Rohne pflichtgemäß mit der Niederschrift einer Schul- und Gemeindechronik be-gonnen, die das Leben der Schuljugend und das gemeindliche Leben in der Kaiserzeit und auch später lebensnah widerspiegeln.

Die erste und die zweite Schule wurden geschlossen. Sie waren Fachwerkgebäude, wäh-rend die neue Schule aus rotem Backstein erbaut wurde. Das I. Schulhaus blieb weiterhin Lehrerwohnung und das II. Schulhaus wurde verkauft. Große Teile der Gärten des zweiten Schulhauses und der Küsterei wurden als Bauplatz für die neue Schule benötigt. Die beiden Lehrer wurden für die Abtretung ihrer Gärten aus dem Verkauf des II. Schulhauses entschä-digt. Die neue Schule enthielt vier Klassenräume und zwei Lehrerwohnungen. Zunächst wurde aber nur in drei Räumen unterrichtet. Die Klassenstärke betrug aber immer noch 70 bis 80 Kinder.

Beim Bau der Schule wurde in der nach Süden gerichteten Grundmauer an der westlichen Ecke in der Höhe von zwei Backsteinen ein Behältnis mit Urkunden eingemauert, sie müsste heute noch vorhanden sein.

Die Schule in der Kirchstrasse

Am 10. November 1895 wurde in dem vierten Klassenzimmer eine Privatschule eingerichtet, die nur 18 Kinder hatte. Die gut gestellten Bauernfamilien konnten es sich leisten, zwischen 80 und 100 Mark pro Jahr und Kind für die Privatschule zu zahlen. Die adeligen Gutskinder wurden allerdings, wie schon seit Jahrhunderten, in den Grundschuljahren privat vom Pastor und Hauslehrern unterrichtet. Erst im nachfolgenden 20.Jahrhundert besuchten sie die öffentliche Grundschule.

Ländliche Fortbildungsschule

Am 25. Januar 1909 wurde ein Gesetz erlassen, daß alle nicht mehr volksschulpflichtigen männlichen Personen unter 18 Jahren vier Stunden wöchentlich eine Fortbildungsschule besuchen müssen. Schon bald wurde diese Schulpflicht auch auf die weiblichen Jugendli-chen ausgedehnt. Auch in Rössing gab es eine solche Schule. Dabei handelte es sich um einen Vorläufer der heutigen Berufsschule.

Vom königlichen Gewerbe- und Regierungsschulrat wurden dem hiesigen Pastor Bücher zum Ausleihen an die Schüler zugeschickt. Der Unterricht wurde von den Schullehrern erteilt und umfaßte außer Rechnen, Deutsch, Staatsbürgerkunde und landwirtschaftlicher Natur-kunde auch schriftliche Übungen wie Bewerbungsschreiben und kaufmännischen Schriftver-kehr.

Erster Weltkrieg 1914-18

Der zweite Band der Schulchronik wurde am 1. April 1910 von dem sehr geschätzten und beliebten Lehrer und Kantor Karl Rokahr begonnen, der von 1888 bis 1929 an der Schule wirkte und dessen Grabstein noch heute auf dem Rössinger Friedhof zu sehen ist.

Die Aufzeichnungen aus dem Ersten Weltkrieg zeigen viel Opferbereitschaft und Patriotis-mus und eine Welle der Liebesgabentätigkeit von Seiten der Bevölkerung. Die Kinder wur-den zum Stricken für die Soldaten angehalten und die größeren sollten für Erntearbeiten vom Unterricht befreit werden. Schulfeiern waren selten.

Als der Krieg 1918 verloren war, wurden die große Enttäuschung darüber und die Verbitte-rung über den Versailler Vertrag deutlich. Die Kaiser- und sonstigen Hohenzollernbilder wur-den aus der Schule entfernt. Die Zeit der großen Arbeitslosigkeit mit ihrem sozialen Elend in den 30er Jahr fand ebenfalls ihren Niederschlag in den Aufzeichnungen.

1921 umfaßte die Schule 168 Kinder, davon 166 evangelische, ein katholisches, und ein jüdisches Kind. Mittlerweile war die Schule vierklassig, aber immer noch mit nur drei Lehrern besetzt. Die vierte Klasse, war der jüngste Jahrgang, er hatte 48 Kinder. Die dritte Klasse bestand aus 31 Kindern und umfaßte den zweiten und dritten Jahrgang, der vierte . und fünf-te Jahrgang bildete mit 38 Kindern die 2. Klasse und in der 1., der obersten Klasse, waren der 6., 7., und 8. Jahrgang zusammengefaßt.

Im Dritten Reich

Nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 war die Rössinger Schulchronik Nr. II jahrelang verschol-len. Sie galt als vernichtet, um mit ihren stark nationalsozialistisch geprägten Aufzeichnun-gen niemand zu kompromittieren. In den 1980er Jahren tauchte sie wieder auf. Auch für diese Zeit nach dem 30. Januar 1933 bildet sie eine ergiebige Quelle. Es gab häu-figer schulfrei, oder Feiern aus politischen Gründen. Hitler hielt eine Rede, die im Radio ge-meinsam angehört wurde, statt Kaisers Geburtstag wurde jetzt der 20. April, Führers Ge-burtstag gefeiert, zum Reichsparteitag in Nürnberg gab es einen zusätzlicher Wandertag, 24. Juni, Tag der deutschen Jugend, Sonnenwendfeier, schulfrei, 30. Januar, Hitler an der Macht, Gedenkfeier usw.

Im Sommer 1933 wurde Baldur von Schirach zum Reichsjugendführer der NSDAP, der nati-onalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei, ernannt. Er verfügte sofort die Auflösung aller Jugendverbände der politischen Parteien und der sonstigen Jugendbünde wie Wandervögel, Pfadfinder, Naturfreunde, der Bündischen Jugend, und auch die Dachverbände sämtlicher Sportvereine wurden der NSDAP unterstellt. Die Jugend ab 10 Jahre wurde in der Hitlerju-gend zusammengefaßt, wo sie „geistig und sittlich Im Sinne des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft“ erzogen werden sollte. Es gehörte zum Wesen dieser Diktatur, daß sich niemand, vor allem die Jugend nicht, dem nationalsozialistischen Gedankengut entziehen konnte. Leitgedanken zur Schulordnung Erlaß vom 2o. Januar 1934, (Hitler war noch kein ganzes Jahr an der Macht), vom Preußi-schen Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung

Oberste Aufgabe der Schule ist die Erziehung der Jugend zum Dienst am Volkstum und Staat im nationalsozialistischen Geist. Die Hitlerjugend ergänzt diese Arbeit durch Stäh-lung des Charakters, Förderung der Selbstzucht und körperliche Schulung. Schüler, die der Hitlerjugend angehören, dürfen in Uniform in der Schule und bei Schulveranstaltungen erscheinen. Das Tragen sonstiger Abzeichen und Uniformen in der Schule und deren Veranstaltungen ist verboten. Lehrer und Schüler erweisen innerhalb und außerhalb der Schule den deutschen Gruß (Hitlergruß).

Lehrer Christfried Meyn war ein ganz besonders begeisterter Anhänger der NSDAP. Jeden Morgen begrüßte er seine Klasse mit einem zackigen Heil Hitler, was diese ebenso zackig erwidern mußte. Dann wurde das Lied gesungen: Nimmer wird das Reich zerstöret, wenn ihr einig seid und treu, jeden Morgen, und das als Kanon.

Er gehörte auch zur SA, den Braunhemden, und wenn ihm eins der Schulkinder im Dorf be-gegnete erwartete er, daß ihm schon von weitem der Arm zu einem schneidigen Hitlergruß entgegen gereckt wurde. Andernfalls machte er, wie andere Lehrer auch, vom Rohrstock Gebrauch.

Jüdische Kinder durften ab 1936 nicht mehr an Schulsportfesten teilnehmen und ab 1937 wurde ihnen der Besuch der deutschen Schulen ganz verboten. In Rössing lebte damals eine jüdische Familie mit zwei schulpflichtigen Kindern, Hanna Blumenthal, Jahrgang 1928 und Hans-Jürgen, Jahrgang 1931. Hanna hatte noch drei Jahre die Rössinger Schule besu-chen dürfen, dann durfte sie nicht mehr am Unterricht teilnehmen. Die jüdische Kultusge-meinde in Hannover versuchte, durch kulturelle Massnahmen die weitere Schulbildung der Kinder zu übernehmen und Hanna wurde am 12. April 1937 nach Hannover abgemeldet, wo sie vorübergehend am Emmerberg Nr. 31 wohnhaft war. Sie wurde dann am 28. März 1942 mit ihrem jüngeren Bruder und den Eltern zusammen mit vielen anderen Juden aus dem Kreis Springe nach Polen deportiert, wo sie dem Holocaust zum Opfer fielen.

Systematische Kriegsvorbereitung

Aber es kam auch etwas Neues ins Spiel, die schleichende Vorbereitung auf den Krieg, die von der Bevölkerung gar nicht als solche wahrgenommen wurde.

Schon am 29. März 1933 wurde der Reichsluftschutzbund gegründet und bereits im März 1934, also ein Jahr später, wurden die Kinder in der Schule über Luftschutz belehrt. Ein Leh-rer wurde zum Schulluftschutzwart ernannt, Boden und Keller der Schule wurden entrümpelt, eine Kiste mit trockenem Sand, mit Schaufeln und einer Axt auf dem Boden aufgestellt, um gegebenenfalls Brandbomben zu bekämpfen. Die Hauptabsperrstellen für Gas Wasser und Elektrizität sollten gekennzeichnet und die Wege dorthin mit Pfeilen versehen werden. Die Unterweisung im Luftschutz und Fliegerprobealarm wurden intensiviert.

Zweiter Weltkrieg 1939 – 45

Dem Kriegsbeginn selbst wurden in der Schulchronik nur zwei Zeilen gewidmet:

Am 1. September 1939 (Kriegsbeginn) wurde der Unterricht auf behördliche Anordnung geschlossen und am 9. September wieder aufgenommen.

Im Oktober 1939 trat eine Diphterie- und Scharlachepedemie auf, die eine dreiwöchige Schließung der Schule zur Folge hatte.

In dem sehr strengen Winter 1939/40 gab, es wie in allen folgenden Kriegswintern, wegen Brennstoffmangel Kohleferien. Am schlimmsten war es 1942, da war vom 2. Februar bis zum 11. März kein Unterricht in der Schule, sondern jede Woche erhielten die Kinder nur neue Hausaufgaben.

Am 25. Juni 1940 gab es schulfrei, weil der Frankreichfeldzug siegreich beendet war.

Die Schuljugend wurde nicht nur regelmäßig zum Heilkräutersammeln herangezogen, son-dern von Juni bis September gab es den Suchdienst zur Bekämpfung des Kartoffelkäfers, außerdem mußte sie Geldsammlungen für das Winterhilfswerk und andere NS-Organisationen durchführen und Ernteeinsatz leisten.

Ab 1941 wurde die bisher gebräuchliche Sütterlin- oder Deutsche Schrift nicht mehr in der Schule gelehrt, sondern nur die sogenannte Deutsche Normalschrift, die sich aus der La-teinschrift ableitete und vorher nur beim Erlernen von Fremdsprachen nötig war.

Das war eine sehr bedeutende Entscheidung, schnitt sie doch die nachfolgenden Generatio-nen vom gesamten handschriftlichen Kulturgut der vergangenen Jahrhunderte ab. Die Ju-gend konnte die Briefe ihrer Großeltern nicht mehr lesen, nur wenige machten sich die Mü-he, die alte Schrift zu erlernen.

Kriegsbedingte Erhöhung der Schülerzahlen

Als sich im Sommer 1943 die alliierten Luftangriffe verschärft mit Flächenangriffen und Bom-benteppichen auf die Städte und Wohngebiete richteten, wurden viele Kinder, teilweise mit ihren Angehörigen zu Verwandten aufs Land geschickt. Seit dem 17. August 1943 besuch-ten 14 Gastschüler aus dem Ruhrgebiet, dem Rheinland und Hannover die Rössinger Grundschule.

Ein paar Wochen später, am 09. Oktober 1943, kamen nach dem verheerenden Bombenan-griff auf Hannover, der etwa 50 % der Häuser zerstörte, über 100 Bombengeschädigte nach Rössing und die Zahl der Gastschüler erhöhte sich auf 19.

Nach der Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 rückte die Front im Wes-ten immer näher. Am 20. Oktober kamen 350 wegen der Kampfhandlungen Umquartierte aus Aachen, Stolberg und Eschweiler nach Rössing.

Darunter befand sich auch die Lehrerin Fräulein Elisabeth Flüggen, die hier gleich in den Schuldienst übernommen wurde, denn 73 Kinder mußten zusätzlich in der Schule aufge-nommen werden.

Die Schülerzahl hatte sich von 130 Schülern im Jahr 1942 mit 243 Schülern im Jahr 1944, noch vor Kriegsende, fast verdoppelt. Diese wurden von drei (!) Lehrkräften unterrichtet. Un-terricht war von 8 bis 16.30 Uhr in Schichten. Zur Einsparung von Kohlen wurden nur zwei Klassenräume benutzt. Deshalb wurden auch die Weihnachtsferien bis zum 01. Februar 1945 verlängert. Zweimal in der Woche kamen die Kinder zur Durchsicht, Abgabe und Emp-fang von Hausaufgaben in die Schule.

Im Dezember 1944 hatte Rössing mehrere Wochen Wehrmachtseinquartierung, da in dieser Gegend eine neue Einheit zusammengestellt wurde. Damals wurde noch ein weiterer Schul-raum für den Unterricht der Soldaten requiriert.

Kriegsende

In den Monaten Februar und März 1945 wurde der feindliche Luftkrieg weiter verschärft, je-den Tag vier bis fünf Stunden Fliegeralarm, im ganzen Februar und März gab es nur zwei Tage ohne Alarm, bei dem immer die Luftschutzräume aufgesucht werden mußten. Dabei war natürlich kein effektiver Schulunterricht möglich.

Als am 22. März 1945 der schwere Tagesangriff auf Hildesheim die ganze Innenstadt zer-störte, hatte Rössing fast 5 Stunden Fliegeralarm. Die Bomber waren schon über Hildesheim hinweg und es gab Entwarnung. Da drehten sie wieder ab und luden ihre Tod und Verder-ben bringende Last über der Stadt ab. Das stundenlange Dröhnen der schweren Bomben-flugzeuge versetzte Kinder und Erwachsene auch hier in Angst und Schrecken.

Der letzte Eintrag in die Schulchronik am 7.April 1945 lautete:

Vormittags besetzten amerikanische Truppen unser Dorf.

Für Rössing war der Krieg zu Ende.

Neubeginn

Am 18. Oktober 1945 wurde der Schulbetrieb wieder aufgenommen. Hauptlehrer war Herr Fritz Bliedtner, der mit der dritten Schulchronik begann. Den Aufzeichnungen der Lehrer verdanken wir sehr wichtige Mitteilungen über den Wiederaufbau und die soziologische Struktur der Bevölkerung. Die Eintragungen erfolgten nun nicht mehr handschriftlich in ei-nem dicken Buch, sondern mit der Schreibmaschine geschrieben als „Lose Blatt-Chronik“

Frl. Elfriede Ewert und Frl. Elisabeth Flüggen aus dem Rheinland standen Herrn Bliedtner als Lehrkräfte zur Seite. Die Schule war in ziemlich desolatem Zustand und zum Teil ge-plündert. Zuerst lagen Amerikaner darin und ein Raum war bei Unterrichtsbeginn im Oktober 1945 noch mit Flüchtlingen belegt, die auf Stroh kampierten. Zuerst erfolgte Kurzunterricht in zwei Klassenräumen.

Die Flüchtlinge, die wegen der Kämpfe im Osten vor den Russen geflohen waren, mußten untergebracht werden, damit die Klassenräume wieder frei wurden.

Sie waren die ersten von dem immer weiter anschwellenden Strom von Vertriebenen aus den Ostgebieten Schlesien, Ostpreussen und Pommern. Ihre Heimat wurde polnisch bzw. russisch, so war es von den Siegermächten im Februar 1945 in Jalta auf der Krim beschlos-sen worden.

Schulraumnot

Am 15. September 1947 zählte der Ort insgesamt 2390 Einwohner, davon waren 1070 = 45% Alteingesessene und 1320 = 55% zwangsweise Zugezogene, die alle untergebracht werden mußten. Das Wohnungsproblem war einfach nicht zu lösen und diese Schwierigkei-ten wirkten sich natürlich auch auf die Schulkinder aus.

Am 1. Febr. 1946 kam Ludwig Kuckuck als vierter Lehrer dazu und am 1. Aug.1947 Herr Max Kattner als fünfter, da waren es 359 Schüler aller Jahrgänge, die in vier Klassenräumen im Erdgeschoß unterrichtet wurden. Für weitere, dringend benötigte Lehrer mußte unbedingt Wohnraum geschaffen werden. Herr Georg Stein war am 18. April 1950 als sechster Lehrer eingestellt worden, denn die Anzahl der Schüler stieg ständig weiter an und erreichte im Sommer 1950 die Re-kordhöhe von 385. Ursprünglich gab es zwei Lehrerwohnungen in der ersten Etage der Schule. 1947 war aber dort ein weiteres, fünftes Klassenzimmer eingerichtet und dafür auf dem Dachboden eine Lehrerwohnung ausgebaut worden. Die Toiletten waren nach althergebrachter Sitte soge-nannte Plumsklos in der kleinen Schulscheune auf dem Hof, denn Wasserleitung wurde erst zwischen 1951 und 1953 in Rössing verlegt.

Es geht aufwärts

Nach der Währungsreform 1948, als für Geld wieder Baumaterial zu haben war, entschloß man sich, auf dem zur Schule gehörigen Gartenland an der Maschstraße ein Lehrerfamili-enwohnhaus mit 6 Wohnungen zu bauen. Am 1. Dez. 1951 wurde das Wohnhaus von den Lehrern bezogen. Die Wohnungsnot der Lehrer war behoben.

Außerdem plante man die Einrichtung von 6 Klassenräumen im Schulhaus und die Anlage einer Dampfheizung. Den Plan, die alte Schulscheune mit ordentlichen Toiletten auszustat-ten ließ man fallen. Es sollte nun ein neues Bade- und Toilettenhaus gebaut werden, das mit seinen Dusch- und Badeanlagen den Bürgern und Neubürgern zur Verfügung gestellt wer-den sollte, denn die Wohnungen verfügten in den seltensten Fällen über eigene Badezim-mer. Oben sollte ein Jugendraum eingerichtet werden, der aber später als Klassenzimmer genutzt wurde.

Am 27. Januar 1956 wurde das Badehaus in Betrieb genommen und fand regen Zuspruch. Die alten Toiletten wurden zugeschüttet und dienten nun als Unterstellräume.

Bis 1991 tat das Badehaus seinen Dienst, dann bestand kein Bedarf mehr, es wurde abge-rissen und ein neues Feuerwehrhaus an seiner Stelle errichtet.

Kulturelles Leben

Da kulturelle Leben im Ort war immer ein Faktor, an dem die Schule führend mit beteiligt war. Unmittelbar nach dem Krieg waren die Menschen noch zu sehr mit sich selbst beschäf-tigt. Aber schon im November 1945 ergriffen einige ehemalige Sangesbrüder die Initiative zur Neu- oder Wiedergründung eines Chores. Dazu mußte von der englischen Besatzungs-macht eine Lizenz eingeholt werden. Lehrer und Chorleiter Bliedtner übernahm die musikali-sche Leitung des neuen Volkschores Rössing und führte diesen zu beachtlichen Erfolgen. Schon Weihnachten 1945 trat er mit einigen Liedern an die Öffentlichkeit und die Menschen strömten ihm zu, so daß an den Gesangsabenden bis zu 100 Sänger anwesend waren. Mehrere große Chorwerke führte er mit einem musikalischen Apparat von 120 Sängern und einem Orchester von 25, ja sogar 40 Musikern durch. Nach der Währungsreform 1948 lief aber das Gesangsleben, wie auch das übrige Vereinsleben wieder in ruhigeren Bahnen.

Erwachsenenbildung

Für die etwa 1200 Flüchtlinge und Vertriebene war die kulturelle Lage in Rössing trostlos. Um kulturelle Veranstaltungen in der Stadt zu besuchen, fehlte ihnen das Geld und die Klei-dung. Außerdem führte die Trostlosigkeit ihres Schicksals und die fehlende Perspektive in der neuen Umgebung dazu, daß sie in Lethargie zu versinken drohten. Um dem entgegen zu wirken entschloß sich Lehrer Bliedtner, in Rössing eine Volkshochschule ins Leben zu rufen, die aber nur im Winter arbeitete und vom Landkreis Springe bald mit Geldzuwendun-gen unterstützt wurde. In zwei oder dreiwöchigem Turnus wurden Vorträge angeboten, alle Wissens- und Unterhaltungsgebiete kamen zu Wort mit Lichtbildern, Schallplatten und künst-lerischen Darbietungen. Im Winterhalbjahr 1952/53 lag die Besucherzahl immer zwischen 50 und 60.

1953/54 wurden ein Deutsch- und zwei Stenografiekurse durchgeführt, ebenso im folgenden Winter.

1953 kam Lehrer Otto Ernst nach Rössing, der mit großer Sachkenntnis Fotolehrgänge an-bot. Herr Flöter rief den Bund der Naturfreunde ins Leben, der laufend Wanderungen und Fahrten in die nähere und weitere Umgebung durchführte, die sich großer Beliebtheit erfreu-ten.

Einige Neuerungen in der Schule

1946 gründete Lehrer Bliedtner einen Schulchor, dessen musikalischer Höhepunkt immer die Weihnachtsfeiern waren und der auch bei vielen anderen Veranstaltungen mitwirkte.

1953 wurden zum ersten Mal neben den Elternversammlungen auch Elternsprechtage durchgeführt, bei denen sich sämtliche Lehrkräfte zu Einzelbesprechungen mit den Eltern der Schüler bereit hielten, was sich sehr positiv auswirkte.

Seit 1956 stand das Freibad in Nordstemmen für den Schwimmunterricht der oberen Klas-sen zur Verfügung, so daß eine große Anzahl Kinder das Freischwimmer- und Fahrten-schwimmerzeugnis erhielten.

Seit 1956 fand der Sportunterricht auf dem neuen Sportplatz am heutigen Standort statt.

Neue Probleme und eine neue Schule in Barnten

Im Mai 1946 betrug die Anzahl der Schüler 231, ein Jahr später 361 und stieg bis auf den Höchststand von 385 Schülern im Jahr 1949 an. Danach begann die Schülerzahl wieder langsam durch Abwanderung zu sinken bis auf 225 im Mai 1954, sogar bis auf 177 im Mai 1956. Dann begann sie wieder langsam anzusteigen und erreichte am 1.4.1960 praktisch wieder den Stand von 1954 , nämlich 228 Schüler.

Da nun geburtenstarke Jahrgänge nachrückten war abzusehen, dass die Schule zu klein würde, zumal die Einführung des neunten Pflichtschuljahres bevorstand. Dafür reichten die vorhandenen Räume nicht aus und eine Erweiterung des alten Schulgebäudes schied aus. Nach vielen Überlegungen entschied man sich für den Neubau einer Dorfgemeinschafts-schule für Rössing und Barnten, gegenüber vom Bahnhof Barnten. Die Planungen schritten zügig voran und 1962 wurde die neue Mittelpunktschule in Barnten eröffnet. Sie wurde aller-dings nur von den fünf oberen Jahrgängen besucht.

Ein pragmatischer Grund, dass die Schule nicht in Rössing sondern in Barnten errichtet wurde war die Tatsache, dass Barnten damals, im Gegensatz zu Rössing, zum Kreis Hil-desheim gehörte. Dieser zählte zu den damaligen sogenannten Zonenrandgebieten, die durch die Grenze zur DDR wirtschaftliche Nachteile erlitten und darum von der Regierung besondere finanzielle Fördermittel erhielten, die man dadurch in Anspruch nehmen konnte. So entstand eine moderne Schule mit entsprechenden Einrichtungen für vielseitigen Unter-richt. Die neue Schule erhielt eine Sporthalle, eine Aula, eine Lehrküche und gesonderte Räume für Musik und Handarbeiten- sowie einen Bastel- und Werkraum und einen Raum für Physik- und Chemieunterricht.

Erster Schulleiter 1962 wurde Lehrer Teggenthien aus Barnten. Sein Nachfolger wurde Otto Ernst, der sich außerdienstlich gern als Reiseleiter betätigte. Diese Reisen führten in die ganze Welt und wurden von Herrn Ernst hervorragend vorbereitet. Die Lichtbildvorträge hin-terher liessen die Reisen zu unvergeßlichen Erlebnissen werden. Noch nach seiner Pensio-nierung übte er sein Hobby weiter aus und verstarb 2013.

Mit der Gründung der Mittelpunktschule in Barnten 1962 endet auch die Rössinger Schulchronik.

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Die alte Rössinger Grundschule wird zum Dorfgemeinschaftshaus

Bis zum Februar 1987 konnten die vier unteren Jahrgänge noch die Grundschule in Rössing besuchen, dann mussten auch sie mit dem Schulbus nach Barnten fahren und die Rössinger Schule wurde geschlossen. Es ist ein großer Einschnitt ins dörfliche Leben, dass nun auch schon die kleinen ABC-Schützen morgens früh zum Bus hetzen müssen und die neuen Schulfreunde nachmittags nicht mehr alle erreichbar sind, weil sie in anderen Dörfern woh-nen.

Mit viel Eigenarbeit wurde die alte Schule zum Dorfgemeinschaftshaus umfunktioniert und dient seit 1991 den Rössinger Vereinen als Veranstaltungsstätte und Treffpunkt.

Es beherbergt das Dorfarchiv, der Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr hält seine Übungs-abende dort ab und viele dörfliche Aktivitäten haben dort Platz gefunden. Auch der alte Schulhof wurde neu gestaltet. Für die Veranstaltungen der Rössinger Vereine wurden Schautafeln aufgestellt und auf der linken Seite ein Kleinkinderspielplatz eingerichtet. Aber auch die Schulgeschichte geht weiter.

Aus der Mittelpunktschule wird eine Grundschule

Gleichzeitig mit den Grundschülern wurden 1987 die oberen Klassen der Mittelpunktschule umgesiedelt. Diese wurden der Haupt- und Realschule für den Sekundarbereich I in Nord-stemmen, der Marienbergschule angegliedert.

1990 bekam die Grundschule einen neuen Schulleiter, Ernst Baumgarten aus Rössing.

Mit großem Engagement widmete er sich neuen Projekten. Der Schulhof wurde neu gestal-tet und mit Spielgeräten ausgestattet. Das Maislabyrinth, ein Irrgarten im Maisfeld, war im Sommer ein Riesenspaß und ein Anziehungspunkt für die ganze Umgebung. Ein Förderkreis für die Schule wurde gegründet und im Jahr 2008 wurde der Chemie- und Physikraum zu einem für Grundschüler geeigneten Schullabor umgewandelt.

Dies war ein gemeinsames Projekt der Fa. Dr. U. Noak-Laboratorien in Sarstedt, die die Ausstattung des Labors finanzierte, von der Stiftungs-Universität Hildesheim, die das Perso-nal für den Unterricht stellt und von der Bürgerstiftung in Rössing, die das Unterrichtsperso-nal bezahlt. Auch die Fa. Dr. U. Noak-Laboratorien unterstützt das Projekt laufend.

Mit dem Ende des Schuljahrs 2012/13 endete auch die Dienstzeit von Schulleiter Ernst Baumgarten, ein Abschied, der dem Lehrer und „seinen Kindern“ sichtlich schwer fiel.

Eine neue Aera bricht an. Inklusion ist das neue Schlagwort, Haupt- und Realschule werden zur Oberschule zusammengelegt, dazu die Einrichtung der Ganztagsschulen. Ob alles bes-ser wird? Über der Zukunft steht ein großes Fragezeichen!

Quellen:

1. Die Stammtafeln des Geschlechts derer von Rössing, August Frh. von Rössing, Hildesheim, Verlag Gerstenberg 1900

2. Prof. Hans Patze: Geschichte Niedersachsens Band 1, 2 und 3, 1983/85

3. Schulakten im Dorfarchiv, Karton 1 – 5

4. Dorfarchiv:Schulchronik Band 1 von 1888 – 1910

5. Dorfarchiv Schulchronik Band 2 von 1910 – 1945

6. Dorfarchiv Schulchronik Band 3 von 1945 – 1962

Die Lehrer in Rössing

Die Namen der Lehrer für die Grundschule wurden für die früheste Zeit an Hand von alten Schulakten ermittelt, die beim Umzug 1962 in die neue Dorfgemeinschaftsschule in Barnten auf dem Dachboden in Rössing zurückgeblieben waren. Eine genaue Auflistung, von wann bis wann diese Lehrer hier beschäftigt waren, liess sich aus diesen Angaben nicht erstellen. Erst im Jahre 1887 begann der Hauptlehrer Heinrich Rohne mit der Führung einer Schulchronik Nr. I, in der er alle Schulereignisse festhielt und alle Lehrer und ihre Beschäftigungsdauer (ab S. 152) aufzeichnete.

vor bzw. bis 1641 war lt. Kirchenbuch Christophorus Fabricius Lehrer in Rössing

1641 – 1689 folgte ihm Matthäus Schneider für 48 Jahre als Küster und Organist, er starb am 3 Febr. 1689. Er hatte seinen Namen lateinisiert und nannte sich Sercerius ( fälschlicher Weise Lercerius gelesen) von lateinisch: secare ab, schnei-den.

1689 – 1700 folgte ihm sein Sohn, wieder als Christoph Schneider, dieser .starb . schon nach 11Jahren am 19. Januar 1700, 38 ½ Jahre alt, verh. mit Marie . Sophie geb. Becker

1700 – 1705 Justus Johannes Ohrtmann, er heiratet noch im November des .Jahres . . 1700 die Wittwe seines verstorbenen Vorgängers. Er war zugleich Licent-. . ein-nehmer und hat als solcher Gelder unterschlagen. Er wird zur Prügelstrafe . verurteilt (mit Ruthen gehauen) und auf ewig des Landes verwiesen

1705 – 1721 Stats Wilhelm Benniger, verh. am 16. Jan. 1706 mit Sophie Katharina Ulrich 1721 – 1744 Johann Valentin Fricke

1743 – 1759 Adolph Burchard Sander (Neffe von J.V. Fricke)

1760 – 1782 Kantor Warneke –

1782 – 1784 Justus Christoph Sanders

1808 Seminarist, Kantor und Lehrer Kramer

1793 Lehrer Schütz

1808 Seminarist Friedrich Samuel Hasselbrink

1835 – 1841 Mädchenschullehrer Alpers

1841 Lehrer Fricke

1852 Lehrer Bösenberg

1865 Lehrer Becker

1854 – 1900 Karl Tönnies

1866 – 1906 Heinrich Rohne

Luise Oeynhausen

1888 – 1929 Karl Rokahr

1901 – 1933 Albert Eicke

1906 – 1908 Heinrich Brandes

1909 – 1914 Paul Deike

1914 – 1915 Karl Henne

1914 – 1950 Lina Weber

1917 – 1959 Elfriede Ewert

1930 – 1933 Felix Paul

1933 – 1942 Otto Feddeler

1933 – 1936 Otto Bullmann

1936 – 1945 Christfried Meyn

1944 – 1953 Elisabeth Flüggen

1945 – 1953 Fritz Bliedtner

1946 – 1950 Ludwig Kuckuck

1947 – 1962 Max Kattner

1949 – 1952 Herr Brinkmann

1951 – 1972 Margarete Winkler

1952 – 1956 Hans Sitter

1953 – 1960 Ortwin Moldenhauer

1953 – 1975 Otto Ernst

1956 – 1962 Max Kurth

1956 – Georg Stein

1958 – 1959 Peter Dehn

1960 – 1963 Irmtrud Forthaus, geb. Gossel

1960 – 1961 Erika Lenz, geb. Flohr

Frau Weidlich

1962 – 1972 Horst Rehfeldt

1962 – 1980 Ingeborg Stappenbeck

1962 – 1987 Hiltrud Kreipe

1963 – 1970 Rosemarie Ebigt

1964 – 1970 Sigrid Schöppe

1964 – 1966 Bettina Elmdust

1966 – 1968 Insa Würdemann

1967 – 1987 Klemens Rüth

1970 – 1978 Margareta Hoenig

1971 – 1975 Heike Spindler

1972 – 1985 Wolf – Ulrich Müller

Fr. v.d. Lanken, geb. Baeseler

1973 – 1987 Helga Schultheiß geb. Alten

1975 – 1982 Gustav Ullrich

1978 – 1981 Anke Gansel

* Eveline Plum

1982 – 1987 Erwin Mallohn

1984 – 1987 Elisabeth Paetow

1985 – 1986 Jutta Unterberger