Der gemeine Kasten

Helga Fredebold Rössing, den 01.01.2018

Schon zur Lutherzeit gab es den gemeinen Kasten, so wurde er genannt. Dabei wurde das Wort gemein nicht im Sinne von niederträchtig gebraucht wie heute, sondern es stand für allgemein, der Gemeinde- oder Allgemeinheit gehörig.

In diesem Kasten wurde das Geld für die Versorgung der Armen und Kranken in der Gemeinde gesammelt, denn es gab noch keine Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Jede Gemeinde musste für ihre Armen selbst aufkommen, für die Menschen, die alters- oder krankheitshalber nicht arbeiten konnten. Betteln in den Nachbargemeinden war verboten. Aber wo das Geld aufbewahren? Man hatte ja noch kein Bankschließfach. Als der sicherste Ort erschien die Kirche.

Diese Armenkästen hatten je nach Größe der Gemeinde drei oder vier Schlösser. Der Rössinger Armenkasten hatte drei. Der stabile hölzerne Kasten auf vier Beinen hat am Deckel zwei eiserne Riegel für Vorhangschlösser und vorn in der Mitte ein weiteres normales Schloß. Für jedes Schloß dieser Armenkästen gab es nur einen Schlüssel. Damit kein Unbefugter den Kasten öffnen und sich den Inhalt aneignen konnte, wurden sie an unterschiedlichen Orten aufbewahrt. Einen Schlüssel hatten die Altar- oder Altermänner, das war der Kirchenvorstand. Einen weiteren hatte der Gemeinderat und den dritten die Bauerschaft und nur gemeinschaftlich konnte man den Kasten öffnen und über das Geld verfügen.

Im Jahre 2016 wurde der Rössinger Armenkasten auf Kosten der Kirchenstiftung schön restauriert und der schäbig gewordene weiße Anstrich entfernt. Er steht nun wieder in unserer Kirche und wartet auf Spenden. Das Geld muß nicht mehr ausschließlich für das tägliche Brot unserer Alten und Kranken verwendet werden, sondern kann auch für andere Bedürftige und sonstige diakonische Projekte der Kirchengemeinde eingesetzt werden. Auf jeden Fall bleibt es in Rössing und wird nicht abgeführt wie das Geld aus dem Klingelbeutel, das für überörtliche Zwecke der Diakonie verwendet wird. Und drei Schlüssel brauchen wir auch nicht mehr.

Über das Alter unseres Armenstocks geben die Inventarbücher unserer Kirchengemeinde Auskunft.

In dem Inventarbuch von 1896 wird ein Armenstock ohne jede weitere Anmerkung aufgelistet. Dagegen findet sich im Inventarbuch von 1902 auf Seite 13 unter der Nummer 50 die Eintragung:”Ein Armenstock mit 2 Vorhangschlössern.” Daneben steht unter der Spalte Bemerkungen die Notiz: “alt, schon 1734 erwähnt.” Und das ist natürlich ein ganz wichtiger Hinweis. Denn dann ist der Armenkasten jetzt, im Jahre 2018, schon 284 Jahre alt, und damit schon 34 Jahre älter als unsere Kirche, die erst 1750 erbaut wurde. Das bedeutet, dass dieser Kasten bereits in dem alten Vorgängerbau unserer Peter- und Paulskirche Dienst getan hat und sicher 300 Jahre und wahrscheinlich noch viel älter ist.

Kirche St. Peter und Paul

St. Peter und Paul Kirche Rössing
Die Rössinger Kirche St. Peter und Paul

Helga Fredebold

Die Schutzheiligen der Rössinger Kirche sind St. Peter und Paul. Kirchen mit diesen Heiligennamen sind in der Regel sehr alt. Auch diese wurde nach Überlieferung schon zwischen 1282 und 1297 von den Herren von Rössing gestiftet. Sie wurde erbaut auf ihrem eigenen Grund und Boden, (nach anderen Quellen auf allerdings auf bischöflichem Lehnsbesitz) und der erste Kirchenbau war wahrscheinlich eine aus Holz gebaute Kapelle. Rösssing gehörte damals zum Kirchensprengel Hildesheim.

Die Herren von Rössing waren ein Rittergeschlecht und die Familie ist auch heute noch in Rössing ansässig.. Es ist eine große Seltenheit, dass nach fast 1000 Jahren eine alte Adelsfamilie noch im Besitz ihres Stammgutes ist, nach dem sie sich nennt und das sie auch heute noch bewohnt.

Von jeher hatten die Herren von Rössing das Kirchenpatronat inne, und damit waren sie zur Unterstützung der Kirche verpflichtet. Sie hatten großen Einfluß, entsprechend der Stellung, die sie als adelige Grund- und Lehnsherren früher im Dorfleben hatten. Unter anderem unterstand ihnen die Auswahl der Pastoren und auch der Lehrer. Denn die ersten Schulen auf dem Lande, die nach der Reformation entstanden, wurden von der Kirche unterhalten und die ersten Lehrer waren die Küster, die neben ihrem kirchlichen Dienst den Schuldienst versahen.

1543 führte Herzogin Elisabeth von Calenberg die Reformation in Rössing ein

Seit dem Ende der Hildesheimer Stiftsfehde 1523 gehörte Rössing nicht mehr zum Fürstbistum Hildesheim sondern stand unter welfischer Landeshoheit. Elisabeth von Calenberg war die Witwe von Herzog Erich I von Calenberg und führte die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Erich II und war sehr dem Protestantismus zugeneigt. Anläßlich einer Kirchenvisitation führte sie 1543 in Rössing die Reformation ein. Rössing verblieb auch nach der Restitution des Stiftes 1643 beim Fürstentum Calenberg und wurde auch nie rekatholisiert. Erst bei der großen Gebietsreform 1974, nach 450 Jahren, kam Rössing in den Landkreis Hildesheim zurück.. .

Seit der Kirchenkreisreform 1999 gehört Rössing nicht mehr zum Kirchenkreis Laatzen- Pattensen, sondern wurde dem neu entstandenen Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt zugeordnet.

Der Turm

Der älteste Teil der heutigen Kirche ist der spätgotische Turm. Seine doppelwandigen Bruchsteinmauern sind mit Schutt gefüllt und in der Südostecke des quadratischen Turms ist eine steinerne Wendeltreppe eingebaut. Demnach müsste er im 14. Jahrhundert entstanden sein. Das große Fenster war ursprünglich nicht im Turm vorhanden, sondern wurde erst später hineingebrochen und die schmalen, rechteckigen Fensteröffnungen sind keine Schalllöcher sondern Lichtschlitze. Er ist mit Schiefer gedeckt und hat eine Grundfläche von 8×8 m. Die Turmspitze ziert ein goldener Knauf mit Kreuz.

Solche Türme dienten in den mittelalterlichen Fehden auch als Wehrturm, und wenn die Dörfer überfallen und abgebrannt wurden, suchten die Bauern darin Schutz vor den Feinden.

Um 1319 war zwischen dem Hildesheimer Bischof und den Welfenherzögen ein Vertrag ausgehandelt worden, dass Friedhof und Kirche der Bevölkerung in den zahlreichen Fehden unverletzlich sein sollten. Aber es wurde sich nicht lange daran gehalten. Schon in der Weihnachtsnacht des Jahres 1333 überfielen die Söldner des Rates der Stadt Hildesheim die flämischen Tuchweber, die vor den Nordseesturmfluten ihrer Heimat geflohen waren und sich in der Dammstadt vor Hildesheim angesiedelt hatten. Sie metzelten in der weihnachtlichen Kirche nicht nur die erwachsenen Gottesdienstbesucher nieder, sondern auch die Kinder und den Pfarrer und richteten im Gotteshaus ein entsetzliches Blutbad an. Es war der schwärzeste Tag der Hildesheimer Stadtgeschichte.

Auch Rössing wurde im Jahr 1486 niedergebrannt. Im sogenannten Bierkrieg hatte der Bischof in Hildesheim die Steuer für das Hildesheimer Bier erhöht, was die Stadt-Hildesheimer sehr erboste. Aus Rache am Bischof liess der Rat der Stadt von seinen Söldnern das dem Stift gehörige Dorf Rössing am 9. August 1486 niederbrennen. Ob allerdings der Rössinger Kirchturm bei dieser oder einer anderen Gelegenheit auch mal abgefackelt wurde, wissen wir nicht.

Das Kirchenschiff

Ursprünglich war das Kirchenschiff schmaler, wie ein alter Dachanschnitt an der Ostseite des Turms deutlich zeigte. Erst um das Jahr 2000 anläßlich einer Dachsanierung wurden die schwarzen Streifen am Turm beseitigt.

Im Jahre 1941 wurde im Selbstverlag von der Provinzialverwaltung Band 29 des Denkmalwerks das Buch „Die Kunstdenkmale der Provinz Hannover“ herausgegeben, in dem das Rössinger Kirchengebäude ausführlich beschrieben wird.

Demnach wurde dem Turm im 15. Jahrhundert, unter Einbeziehung alter Fundamente, ein neues Kirchenschiff vorgebaut, die Nordseite bündig mit dem Turm, die Südseite bedeutend herausgerückt. Als 1755 die Kirche vergrößert und zur Hallenkirche umgebaut wurde, wurden ihre Mauern um 60 cm erhöht. Sie wurde verlängert und ein Chor angebaut. Das lässt sich anhand der Fundamente und den unterschiedlichen Steinmetzzeichen nachweisen.

Einziger äußerer Schmuck der schlichten Bruchsteinkirche, die mit roten Ziegeln gedeckt ist, ist ein Wappenstein an ihrer Südwestecke. Er erinnert an die Brüder Lippold und Dietrich von Rössing.. Unter einem gotischen Helm trägt die Westseite das ältere Rosenwappen, während auf der Südseite der Hohenbüchener Löwe das Wappenschild ziert, den die Herren von Rössing noch heute in ihrem Wappen führen. Außerdem ist dort eine ganz einfache Sonnenuhr angebracht.

Die Krypta

Unter dem Chor befand sich eine Krypta. Während die Dorfbevölkerung auf dem Kirchhof begraben wurde, wurde die Stifterfamilie von Rössing in der Krypta beigesetzt. 1847 stürzte diese während eines Gottesdienstes ein und der ganze Altar mußte neu aufgebaut werden. Als der neue Friedhof um 1860 angelegt wurde, bekamen die Herren von Rössing einen eigenen Edelmannsfriedhof durch bereitstellung einer größeren Ackerfläche von Seiten des Gutes im Zuge des Flurbereinigungsververfahrens bei der großen Agrarreform Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals wurden die Hand- und Spanndienste der Bauern abgelöst und diese konnten endlich Eigentum an dem Land erwerben, das sie bewirtschafteten.

Die Priechen und der Innenausbau

Bei dem großen Umbau zur Hallenkirche 1755 erhielt die Kirche ihre heutige Form und Größe und wurde damit der wachsenden Bevölkerungszahl angepasst. Sie wurde mit einer hölzernen Inneneinrichtung im sogenannten Bauernbarock ausgestattet. Die Altarwand mit dem Kanzelaltar und dem fünfseitigen Schalldeckel ist typisch Barockstil. und nimmt die ganze Breite zwischen den Emporen ein. Bauernbarock heißt es darum, weil es einfacher und nicht mit so viel Schnitzwerk, Gold und bunten Farben versehen ist wie das höfische Barock. Der Chor war um eine Stufe erhöht.

Durch die Stützsäulen der Emporen hatte sich die dreiteilige Anordnung der Sitzbänke im Kirchenschiff ergeben Rechts und links unter den Emporen standen kurze, schmale Bänke. Die gleichen Bänke, nur länger, standen im Mittelschiff, durch einen Gang von den Seitenbänken getrennt. Es waren sehr schmale Kirchenbänke mit unbequemen, steilen Rückenlehnen. An der Rückseite hatten sie schräge Ablagen für die Gesangbücher. Einige dieser schmalen Originalbänke sind auch heute noch auf den seitlichen Emporen vorhanden.

Rechts und links von der Altarwand wurden auf den verbreiterten Emporen umbaute Kirchenstühle für den Patronatsherrren und die Gutsherrschaft eingebaut, die dadurch fast in Augenhöhe mit dem Pastor auf dem Kanzelaltar saßen. Sie wurden Priechen genannt und waren nach oben offene Kabinette mit flachbogigen Fensteröffnungen, die sogar noch rotsamtene Vorhänge hatten, die allerdings nie zugezogen waren. Sie sind durch eine extra Treppe hinter der Altarwand zu erreichen. Von dort führt eine Tür auf die sogenannte Gatze, das ist eine schmale, autofreie Gasse, die direkt in den Schlosspark führt und den Schlossbewohnern bequemen Zugang zur Kirche ermöglicht.

In die Wand der nördlichen Prieche ist ein 0,83 m hoher und 0,58 m breiter Epitaph für Eva Catharina von Rössing eingelassen. Sie war eine Tochter von Ludolph von Rössing und verstarb 1647 im Alter von wenigen Wochen. Außerdem befindet sich dort ein Bildnis der Madonna della Sedia nach Raffael, gestiftet aus dem Nachlaß des 1886 verstorbenen Schatzrates Alexander von Rössing.

Im Jahr 1907 erhielt die Kirche eine Zentralheizung modernster Bauart, sie kostete 2900 Mark. Allerdings trockneten dadurch die hölzernen Verbindungen etwas aus und einige Zeit später stürzte während eines Gottesdienstes der Pastor mit dem Kanzelkorb herunter, den man dann mit Eisenbändern sichern mußte, damit so etwas nicht wieder passierte.

Bei der Kirchenrenovierung von 1970 wurden an den Priechen die Oberteile der Kirchenstühle als nicht mehr zeitgemäß entfernt.

Die Orgel

Gegenüber der Altarwand ist die Orgelempore. Die erste Orgel hatte Friedrich von Rössing 1588 der Kirche gestiftet und war mehr eine Art Harmonium. Als 1755 der Ausbau des Kirchenschiffs zur Hallenkirche erfolgte, wurde eine Orgel ausgebaut und im Pfarrhaus zwischengelagert. Dann wurde sie in der neuen Kirche wieder eingebaut. Die jetzige Orgel auf der Westempore stammt aus dem Jahre 1875 und wurde von der Firma Furtwängler in Elze hergestellt. Sie wurde 1972 gründlich überholt und fast alle Pfeifen erneuert. Im Jahr 2002 erfolgte eine erneute Restaurierung. Der Klang und Zustand der restaurierten Orgel erntete höchstes Lob von Fachleuten. Der schöne Orgelprospekt, der Umbau, wurde immer erhalten.

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Die sonstige Ausstattung

Im Chor befindet sich ein massiver, ca. 1,10m hoher Taufständer, der 1777von der Familie Hanekopen gestiftet wurde und der heute noch bei jeder Taufe gebraucht wird.

Es sind silberne Geräte für die Abendmahlsfeier und Paramente in 5 liturgischen Farben vorhanden.

Im Jahr 1842 hatten Louis von Rössing und seine Ehefrau Levine von Dincklage anlässlich ihrer Silberhochzeit der Kirche zwei sehr schöne 16armige Kerzenleuchter aus Messing gestiftet. 2014 wurden sie restauriert und strahlen nun an Feiertagen wieder in festlichem Glanze. Ein weiterer, kleinerer Messingleuchter wurde bei der Restaurierung der Glocke im Turm wieder entdeckt und 2016 ebenfalls restauriert und im Turm aufgehängt.

1961 wurden der Kirche vier sehr schöne, schlichte, säulenförmige Kerzenleuchter aus goldglänzendem Messing von der Familie des Oberbaurates Rasch gestiftet, die als erste nach dem Kriege am bis dahin unbebauten Leinkamp ein Haus gebaut hatte. Jeder der vier Leuchter trägt eine Gravur. Die beiden kleineren Leuchter haben eine Höhe von 21 cm und tragen folgende Gravuren:

Dez. 1961 Heide Chr.Grinter, geb. Rasch

Dez. 1961 Christa Moser, geb. Rasch

Die größeren Leuchter sind 32,5 cm hoch

Dez. 1961 Elisabeth Rasch, geb. Fiesel

Dez.1961 Richard Rasch

Von 1974 bis 1997 war Elvira Finkeldey in Rössing als Pastorin tätig. Während dieser Zeit wurde für den Altartisch ein etwas moderner gestaltetes Altarbild angeschafft. Auf einem 59 cm hohen und 51cm breiten Kreuz aus wunderschönem Goldmosaik ist aus grau-weißem Mosaik ein segnender Christus mit ausgebreiteten Händen dargestellt. Das Ganze ruht auf einem 25 cm hohen Bronzeständer und ist ein wirklicher Schmuck für die schlichte kleine Kirche.

Damit wurde das hölzerne Altarkruzifix ersetzt, das von der Patronatsfamilie bei der Kirchenrenovierung von 1934 gleichzeitig mit den Fenstern gestiftet worden war.

2016 wurde von der „Kirchenstiftung“ der sogenannnte „Armenkasten“ restauriert. Der schäbige weiße Anstrich wurde entfernt und der Kasten aufgearbeitet. Die schwere Kastentruhe auf 4 Beinen, mit einem Schloß und 2 stabilen eisernen Riegeln versehen, nahm die Spenden für die Diakonie auf. und war schon im 19. Jahrhundert in der Gemeinde als Armenkasten in Gebrauch.

Zwei bleiverglaste Kirchenfenster

Im Jahr 1934 fand eine große Kirchenrenovierung statt. Das Ehepaar Louis Freiherr von Rössing und Irmgard von Stoltzenberg feierte in diesem Jahr Silberhochzeit und stiftete der Kirche die beiden großen Fenster. Sie reichen hinter den Priechen über zwei Stockwerke. Daher kann man sie leider nicht im Ganzen betrachten oder fotografieren. Gegen Zerstörung von außen mußten sie besonders geschützt werden.

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Inschriften und Darstellungen
Linkes Fenster

Anno 1934 die von Rössing/ patrones ecclesiae (Kirchenpatrone)

WAPPEN MIT DREI FÜNFBLÄTTERIGEN ROSEN WAPPEN MIT DEM GEKRÖNTEN LÖWEN.

2 Szenen aus der Bibel und Spruch:

Christi Geburt

Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Jesus Christus

Taufe Jesu

Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden.

Rechtes Fenster

Louis Freiherr von Rössing Irmgard von Stoltzenberg

Löwenwappen Wappen, gerüsteter Krieger mit Schild

TREU UND FEST

Heiliges Abendmahl

Das ist mein Blut, welches vergossen wird für viele zur Vergebung

Kreuzigung

Jesus Christus hat sich selbst gegeben für alle zur Erlösung

Anmerkung: Lippold von Rössing erheiratete im 14. Jahrhundert die Herrschaft Hohenbüchen bei Alfeld und übernahm den Hohenbüchenschen gekrönten Löwen in sein Wappen, das die Herren von Rössing noch heute führen. Um ihn rankt sich die Sage vom Räuber Lippold.

Die Kirchenglocken

Von dem dreistimmigen Geläut, das 1891 von der Firma Radler in Hildesheim für unsere Kirche gegossen wurde, mußten die beiden größeren Glocken im Zweiten Weltkrieg für Kriegszwecke abgeliefert werden. Die verbliebene Glocke trägt das Wappen des Kirchenpatrons von Rössing, der 500 Goldmark dafür gestiftet hatte. 1968 konnte aus Altbeständen eine andere Radlerglocke aus Bronze erworben werden.

Als dritte Glocke wurde 2014 eine alte Uhrschlagglocke restauriert. Sie stammte aus Rössing, und mußte ebenfalls 1942 abgeliefert werden. Aber sie überlebte den Krieg und wurde anhand einer Kennummer nach Rössing zurückgeführt. Nach Ansicht von Fachleuten wurde sie Mitte des 14. Jahrhunderts gegossen und dürfte damit ungefähr ebenso alt sein wie der Kirchturm, an dem sie früher draußen angebracht war.

Leider wurde eine historische Kostbarkeit unserer Kirche, eine Glocke von 1429, wohl in Unkenntnis ihres historischen Wertes, 1891 eingeschmolzen, weil sie beschädigt war. Sie trug als Glockenzier 4 kleinere Figuren, in Latein die Jahreszahl 1429 und eine Inschrift die besagte, dass diese Glocke gegossen wurde in den 8 Tagen vor oder nach dem 29. Juni 1429, dem Fest der Kirchenheiligen St. Peter und Paul, sie wurde also zu unserem Kirchweihtag gegossen.

Kirchenglocke Rössing

Feste Sitzplätze in der Kirche

Die Herren von Rössing hatten ihre Plätze in den Priechen auf der Emporen.

Die Bauern beanspruchten auch feste Sitzplätze mit Namensschildern in der Kirche, gesondert nach der Größe der Höfe. Die Vollmeier besaßen nach den Gütern die größten Höfe, mit etwa 100 Morgen, und die Halbmeierhöfe waren entsprechend kleiner. Sie saßen mit ihren Familien links vom Altar im Chor. Die Köthner und Halbköthner mit weniger als 30 Morgen saßen unten im mittleren Kirchenschiff. Sie hatten ebenfalls ihre festen Plätze mit Namensschildern und niemand anders durfte sich darauf setzen. Diese Plätze wurden sogar später noch beansprucht, lange nachdem die Schilder bei der Renovierung 1934 als nicht mehr zeitgemäß entfernt worden waren. Es geschah durchaus, daß Neubürger, die von den alten Gepflogenheiten nichts wußten und sich ahnungslos irgendwohin setzten, noch in den 1960er Jahren von diesen Plätzen vertrieben wurden.

Die Knechte des Adeligen Gutes und die Bauernknechte saßen gewohnheitsmäßig oben auf den seitlichen Emporen, auf der sogenannten Brügge, einen Fußbreit unterhalb der Priechen. Wenn die Kirche an den Festtagen wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten besonders voll war, gab es in den engen Gängen mit den schmalen Bänken zwischen den beiden Parteien oft Raufereien um die besten Plätze, die häufig draußen vor der Kirche als massive Schlägereien fortgesetzt wurden. Das führte manches Mal zu Gerichtsprozessen, von denen noch Protokolle in den Kirchenakten Zeugnis geben.

Kirchenrenovierungen

Neben der baulichen Instandhaltung wurden auch im Innern der Kirche in ziemlich regelmäßigen Abständen von etwa 30 Jahren Renovierungen mit den verschiedensten Farbgebungen durchgeführt.

Als 1934 eine Renovierung anstand, war noch das alte Kirchengestühl mit den schmalen Bänken vorhanden, das zwar sehr hübsch aussah, aber sehr unbequem war. Auf den Gesangbuchablagen an den Rückseiten der Sitzlehnen waren die 8,5 x 18 cm großen, weißgestrichenen Zinkblechschilder mit dem schwarzen Namenszug des Platzinhabers angebracht, die bei dieser Gelegenheit entfernt wurden.

Die hölzerne Inneneinrichtung wurde in milchgrün und grausilbernen Farbtönen gestrichen. An den mittleren Kassetten der Orgelempore wurden nach dem ersten Weltkrieg die Namen der gefallenen Soldaten auf Tafeln in Form eines Eisernen Kreuzes angebracht. Auch diese wurden restauriert. Die großen Bogendurchgänge rechts und links in der Altarwand waren durch Vorhänge verschlossen.

Als 1970 die Kirche wieder renoviert wurde, ersetzte man diese Vorhänge durch Türen. An den Gutspriechen wurden die Oberteile mit den Fenstern als nicht mehr zeitgemäß entfernt. Der Fußboden wurde mit roten Platten versehen und ein neues, bequemeres Gestühl angeschafft. An Feiertagen wird es durch hinzugestellte Stühle aufgestockt. Die grüne Farbe wurde durch die ursprünglichen Barockfarben Gelb und Weiß ersetzt. Das unbedingt dazugehörige Gold wurde dann allerdings aus Sparsamkeit nur sehr spärlich verwendet. Aber die Altarwand sah sehr viel besser aus als früher und die ganze Kirche gewann.durch die neue Farbgebung.

1959 waren auch die Namen der im 2. Weltkrieg gefallenen Männer in den Kassetten der Empore in gleicher Weise angebracht wie die von 1914-1918. Aber bei der Renovierung 1970 wurden sämtliche Tafeln entfernt. Doch man hat sie nicht zerstört, sondern aufgehoben und vor einiger Zeit im Turm, etwas versteckt, wieder aufgehängt.

Im Jahr 2000 erfolgte die letzte Renovierung. Sie hielt sich an die Farben der letzten Renovierung, ein gebrochenes Weiß-Gelb. Es wurde Blattgold verwendet und es fiel diesmal etwas reichlicher aus

und die Kirche erhielt ein wunderschönes helles, freundliches Aussehen.

Alte Grabsteine

Eine in der Wand der Sakristei eingelassene Sandsteinplatte ist die Grabplatte des von 1629 bis 1656 in Rössing amtierenden Pastors Johannes von Gehrden. Sie ist 3 m hoch und 1 m breit. Neben enem Abbild des Pastors zeigt sie eine fortlaufende Umschrift in lateinischer Sprache:

Annos/pastor vichantissim.nat

Est hannovera XVI apr. Anno 1597 denat

XXVDII Sept. anno 1654

Vic.reverend.ciarissim et

doctissim. m johannes a gehrden

ecclesiae. hujus. per XXIX ferme /

Im Mittelfeld steht: UND MEINER SÜND NICHT MEHR GEDENK

AUS GNADEN MIR DAS LEBEN SCHENK

Die Inschrift auf dem Grabstein direkt an der Außenwand der Kirche rechts neben dem Kirchturm lautet.

Der ehr v. (und) arbeitsamer Jung
Geselle Hans Heinrich Schuwardt
…anno 1679 den 22. September
in diese Welt geboren
und 1771 d. 1. Sep. in Gott
selig entschlafen /seines
Alters 22 Jahre
weniger 3 Wochen

Dieser Grabstein ist auf der Rückseite ebenfalls beschriftet. Aber da er direkt an der Wand aufgestellt wurde, konnte die Schrift nicht entziffert werden.

Im Jahr 2012 wurde ein weiterer alter Grabstein an der Kirche aufgestellt, der als Bodenplatte im Garten des Othmerschen Schmiedegrundstückes, Jägerweg 1 gelegen hatte. Nach dem Verkauf des Hauses wurde er an die Kirche umgesetzt. Er hat auf beiden Seiten einen sehr umfangreichen Text.

ALHIER RUHET DER EHRBAR UND WOL-

GEACHTER M. HEINRICH SCHUWARDT

IST AO 1653 DEN 22. MARTY AUF DIESE

WELT GEBOHREN: SEINE EHE FRAU IST

GEWESEN ANNA MARIA BARTELS

SELBIGE PERSONEN HABEN IN DEM H: (heiligen)

EHESTANDE GELEBET 28 JAHR WENI-

GER 8 WOCHEN UND MITEINANDER

GEZEUGET 7 KINDER – ALS 4 SÖHNE

UND 3 DOCHTER DAVON SIND —SÖHNE

UND 2 DOCHTER BEY GOTT DEM HERREN

AO 1704 DEN 8 FEBRUAR GESTORBEN

GOTT…………ENTSCHLAFFEN SEINES

ALTERS 51 JAHR WENIGER 1WOCHEN

Auf der vollbeschriebenen Rückseite dieses Grabsteins sind folgende Bibelsprüche aus dem Neuen Testament eingemeißelt:

LEICH TEXT

2 TIM 4 V 7.8

ALLEIN, SONDERN AUCH ALLEN

DIE SEINE ERSCHEINUNG

LIEB HABEN

AM BUCH DER WEISHEIT AM 4.CAP.7

ABER DER GERECHTE OB ER

GLEICH ZU ZEIITLICH STIRBT

IST ER DENNOCH

IN DER RUHE

PHILIPPI

CHRISTUS IST MEIN LEBEN

ABER STERBEN IST MEIN GEWINN

(Die Epistel Paulus an die Philipper Cap.1 Vers 24)

ICH HABE EINEN GUTEN KAMPF GEKÄMPFT

ICH HABE DEN LAUF VOLLENDET,

ICH HABE GLAUBEN GEHALTEN

  1. 9.2.5. 1.TIM.6.12.

+ PHIL. 3,14.

HINFORT IST MIR BEIGELEGT DIE

KRONE DER GERECHTIGKEIT;

WELCHE MIR DER HERR AN JENEM

TAGE, DER GERECHTE RICHTER

GEBEN WIRD, NICHT ABER MIR

Rund um den Kirchturm, alte Rössinger erzählen

Ostern war früher, viel mehr als heute, ein besonders wichtiger Termin für die Jugendlichen. Gleichzeitig erfolgten die Konfirmation, die Schulentlassung und der Eintritt ins Berufsleben mit dem Beginn der Lehre. Die Konfirmationen fanden jedes Jahr an Palmarum, am Sonntag vor Ostern statt. Dazu begann gleich nach Weihnachten die Pflege der “abgeplünderten” Weihnachtsbäume. Sie wurden wieder nach draußen gebracht, möglichst eingepflanzt und feucht gehalten, in der Hoffnung, daß sie ihre Nadeln bis zur Konfirmation behielten. Zu Palmsonntag, dem Sonntag vor Ostern, an dem die Konfirmationen stattfanden, wurden sie dann als Schmuck rechts und links neben dem Weg vom Pfarrhaus zur Kirche aufgestellt. In der Woche vor der Konfirmation trafen sich die Konfirmanden mit großen Körben zu einem fröhlichen Gemeinschaftsunternehmen, um auf dem Friedhof und auch in den Hausgärten Buchsbaum zu schneiden. Und wenn die Konfirmanden dann hinter dem Pastor her vom Pfarrhaus zur Kirche gingen, schritten sie zwischen den Tannen hindurch über den mit Buchsbaum bestreuten Weg. Dazu sangen sie:”Jesu geh voran auf der Lebensbahn”. In der Kirche wurde dann gesungen:”Bei Dir Jesu will ich bleiben”. Jedenfalls Pastor Hammerstein (1912-1930) hatte immer feste Rituale. Die Mädchen waren tiefschwarz gekleidet, Kleider, Schuhe und Strümpfe. Die Jungen bekamen zur Konfirmation ihren ersten dunklen Anzug mit langen Hosen, dazu nach Möglichkeit einen Hut und wer eine bunte Schülermütze hatte, bekam einen schwarzen Bezug darüber.

Pastor Hammerstein muß überhaupt ein gestrenger Herr gewesen sein. Eines Tages, es muss in den 1920er Jahren gewesen sein, hatte Fritz Othmer auf dem Namensschild von Heinrich Engelke in der Kirche den Namen durchgestrichen und mit Kreide dessen Spitznamen “Spatzenkopf” daraufgeschrieben. Denn Heinrich Engelke war Feldhüter und mußte die Spatzenköpfe annehmen und die Fangprämien auszahlen, 10 Pfennig pro Stück. Es gab ein fürchterliches Theater und Pastor Günter von Hammerstein weigerte sich konsequent, den Missetäter zu konfirmieren. Der Übeltäter und sein Vater mußten lange um Gutwetter bitten. Die Konfirmanden saßen übrigens beim Gottesdienst immer offenen Karrée um den Altarraum, alle genau im Blickfeld des Pastors.

Die Konfirmation wurde früher mit den Paten als besinnliches Familienfest gefeiert. Später lockerten sich die Bräuche. Und als Frau Finkeldey 1975 zu Ostern als Pastorin nach Rössing kam und ihre erste Konfirmation abhielt, wurden die Mädchen ganz in Weiß konfirmiert. Aber dann mußte sie erleben, daß am Nachmittag, als die Konfirmanden von Haus zu Haus zogen, die betrunkenen Konfirmanden vor dem Pfarrhaus herumtorkelten. Sie hat sich große Mühe gegeben, diese Unsitte abzuschaffen, die Halbwüchsigen an ihrem Konfirmationstag „so richtig abzufüllen”.

Als Überrest der „Tannenallee” zur Konfirmation hat sich der Brauch erhalten, an den Haustüren der Konfirmanden grüne Girlanden mit Kreppapierrosen anzubringen. Die Jugendlichen tragen heute meistens schwarz/weiße Kleidung.

Zum ersten Advent mußten die Konfirmanden früher Efeuranken aus dem Schloßpark holen.und zusammennähen, damit wurden dann die Säulen in der Kirche geschmückt.

Zu Weihnachten wurden zwei Tannenbäume in der Kirche aufgestellt, die ebenfalls mit Rosen und Lilien aus Papier geschmückt wurden, die die Konfirmanden selbst hergestellt hatten. Silberne Kugeln, Lametta oder Strohsterne waren noch nicht üblich.

Vor Ostern mußten die Konfirmanden Hecken- und Baumschnitt für das Osterfeuer sammeln, dessen Standort wechselte.

ANMERKUNG

Vom 1. April 1974 bis zum 1. Oktober 1997 war die letzte Pfarrstelle mit Pastorin Elvira Finkeldey besetzt. Seitdem war eine volle Pfarrstelle in Rössing nicht mehr finanzierbar.

Frau Griet Stallmann-Molkewehrum hat vom Jahr 2000 bis zum 1. Juli 2015 die Pfarrstellen Rössing und Barnten betreut und schied aus, um in den Ruhestand zu gehen.

Danach gestalteten zwei junge Pastorinnen mit je einer halben Stelle den Pfarrdienst in Rössing und Barnten, Frau Anne-Christin Ladwig und Frau Riikka Hinkelmann. Derzeit ist Pastorin Frau Juliane Hillebrecht im Amt.

Pfarrhaus Rössing

Zur Geschichte der Glocken Inschriftenkommision

Zur Geschichte der Rössinger Glocken

von Helga Fredebold

Vorwort

Als im Jahre 2008 eine alte Glocke im Rössinger Kirchturm von einem Glockensachverständigen stillgelegt wurde weil sie nicht mehr betriebssicher war, nahm ein Projekt seinen Anfang, das über vier Jahre viel Einsatz, Erfindungsgabe, technisches Können und nicht zuletzt viel Geld und Opferbereitschaft von den Rössingern und den aktiv Beteiligten erforderte. An dieser Stelle sei allen dafür herzlich gedankt. Herr Friedrich Kämpfer als Kirchenvorstandsmitglied war Koordinator und Organisator des ganzen Unternehmens und seiner Begeisterung für die Glocken und seinem unermüdlichen Einsatz ist es zu danken, dass unsere alte Glocke wieder an ihrem angestammten Platz im Kirchturm hängt.

Eine mittelalterliche Glocke sollte restauriert werden. Dadurch wurden unsere Glocken ins Blickfeld der Bevölkerung gerückt und es lag nahe, sich auch einmal mit der Geschichte des ganzen Geläuts zu befassen. Einiges aus der Vergangenheit war zwar bekannt, aber in Vergessenheit geraten. Doch auch überraschende Neuigkeiten traten zu Tage. Die Inschriften, so weit vorhanden, erzählen historische Begebenheiten.

Einige der alten Glocken waren verschollen, sie geisterten aber immer noch durch die Fachliteratur, man wußte nicht, wo sie geblieben waren. Im Zuge der Nachforschungen über unsere Glocken ist es gelungen, das Rätsel zu lösen. Es war leider kein erfreuliches Ergebnis. Aber lesen Sie selbst.

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Zwei vermisste Glocken

Das Geläut der Rössinger Kirchenglocken bestand bis zum Jahre 1890 aus zwei Glocken, von denen eine aus dem Jahre 1429 stammte. Die zweite stammte aus dem Jahr 1625 und war von Friedrich von Rössing gestiftet. Die jüngere Glocke bekam im Jahre 1890 bei einem Sonnabendabend – Läuten einen Sprung und war nicht zu reparieren. Da auch die andere, ältere Glocke nicht einwandfrei war und die Aufhängung und Lagerung beider Glocken schadhaft, zog man den Glockengießer Radler aus Hildesheim zu Rate. Dieser riet dazu, die beiden Glocken einzuschmelzen und daraus drei neue Glocken zu gießen, die auf einander abgestimmt und ein harmonisches Geläut ergeben würden.(1)

Der Kirchenvorstand entschloß sich zu diesem Schritt. Die beiden Glocken wurden1891nach Hildesheim transportiert und eingeschmolzen. Sicher haben finanzielle Überlegungen dazu geführt, denn der Materialwert der beiden eingeschmolzenen Glocken deckte den größten Teil der für das neue dreistimmige Geläut benötigten Bronze. (2)

Aber das war ein verhängnisvoller Fehler, denn die Glocke aus dem Jahr 1429 war eine unersetzliche Kostbarkeit, deren Wert weniger auf dem materiellen als auf ihrem historischen Wert beruhte.

Diese Glocke wurde beschrieben in dem Buch von Mithoff(1871): Kunstdenkmale des Fürstenthums Calenberg, Seite 160. Obwohl sie schon 1891 eingeschmolzen war, geisterte sie immer noch durch die Fachliteratur der Glockensachverständigen, und man wußte nichts über ihren Verbleib.

Als Glockenzier trug sie vier kleinere Figuren, darunter eine Pieta und zwei mit Gießerzeichen oder Hausmarken ausgefüllte Wappenschilde.

Eine umlaufende Inschrift trug die Jahreszahl 1429 in lateinischen Ziffern, nämlich

m . cccc . xxix

und dazu in gotischen Minuskeln folgende Inschrift::

im 1429 jar . in . den . achte . daghen . petri . et . pauli . dysser . kerken . patronen

Diese Inschrift besagt, dass die Glocke gegossen wurde in den acht Tagen (in der Octav), vor oder nach dem 29. Juni 1429, dem Fest der Kirchenheiligen St. Peter und Paul, den Patronen dieser Kirche. Das Gußdatum orientiert sich am Patrozinium unserer Kirche, dem 29. Juni des Jahres 1429, unserem Kirchweihtag.

Es ist ein großer Verlust für unsere Gemeinde, dass diese Glocke 1891 zerstört wurde, nachdem sie über 450 Jahre die Gläubigen begleitet hat. Es liegt die Vermutung nahe, dass zu diesem Zeitpunkt, als die Glocke gegossen wurde, unsere Kirche an diesem 29. Juni des Jahres 1429 den Kirchenheiligen Peter und Paul geweiht wurde und ihren Namen erhalten hat. Welch ein denkwürdiges Datum.

Auch von der zweiten Glocke, gegossen 1625, die in Hannover von dem Glockengießer Joachim Schrader stammte, wußte man nicht, wo sie geblieben war.

Frau Dr. Christine Wulff, die Vorsitzende der Inschriftenkommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, erkundigte sich anlässlich einer Heimatpflegertagung in Alfeld im November des Jahres 2012 nach dem Verbleib der mittelalterlichen Glocke von 1429 in Rössing. Darauf konnte ich ihr keine Antwort geben. Aber kurz darauf fand ich im Pfarrrarchiv schriftliche Unterlagen über das Ende der beiden vermissten Glocken und schickte ihr Kopien der entsprechenden Schriftstücke aus dem Pfarrarchiv (4). Sie hatte nun Gewissheit über deren Schicksal und konnte dies Kapitel abschliessen. Sie sandte mir die Beschreibung der Glocke mit der Inschrift.(3) Das Ende dieser beiden alten Glocken ist nun geklärt, sie wurden 1891 eingeschmolzen, es gibt sie nicht mehr.

Das dreistimmige Geläut von 1891

Am 22. Juli 1891 trafen drei neue Glocken unterschiedlicher Größe in Rössing ein. Sie wurden in einem großen, neuen eisernen Glockenstuhl aufgehängt und am 28. Juli feierlich eingeweiht. Das Geläut bestand aus einer Legierung von 25 % Kupfer und 25 % Zinn und hatte einen wunderschönen, harmonischen Klang.

Aber schon 25 Jahre später, im ersten Weltkrieg 1914-18, war das Geläut vom Einschmelzen für Kriegszwecke bedroht, denn Bronze war eine kriegswichtige Metalllegierung. Doch wegen seines besonderen melodischen Wohlklanges wurde es auf Intervention des Superintendenten von der Beschlagnahme verschont.(4)

Die Aufforderung zur Ablieferung der Glocken im ersten Weltkrieg erfolgte auf eine bemerkenswert brutale Art und Weise. Man sollte die Glocken schon im Turm zerschlagen, weil sie sich besser abtransportieren ließen, der Transport sei auf diese Weise billiger und sie würden ja sowie zerstört, aber es sei darauf zu achten, dass alle Bruchstücke vollständig abzuliefern seien. Wenn man das nicht wolle, könnte man sie von oben auf Reisighaufen hinunter werfen, dann blieben sie vielleicht heil. (4)

Der Zweite Weltkrieg

Im Zweiten Weltkrieg wurden unsere Kirchenglocken am 4. April 1940 erfasst und registriert. In dem entsprechenden Schriftstück wurde extra darauf hingewiesen, daß das Werfen vom Turm auf jeden Fall zu vermeiden sei, damit die Gefühle der Menschen nicht verletzt würden. Außerdem dürfte jede Gemeinde eine Glocke behalten, allerdings nur die kleinste. Dieser Vorgang zeigt einmal wieder überraschend deutlich, wie geschickt und wenn nötig auch subtil, Hitler die Menschen zu manipulieren verstand.(4)

In Hildesheim wurden die Glocken aus dem Dom, der Andreas-, der Jacobi-, der Bernward-, der Elisabeth- und der Godehardikirche bis auf jeweils die kleinste, abgenommen und für Kriegsbedarf beschlagnahmt.(5)

Diesmal nützte den Rössingern ein Gesuch um Verschonung von der Beschlagnahme nichts. Auch sie mußten ihre beiden größten Glocken abliefern. Als sie Im Februar 1942 abmontiert waren, stellten sich die Schulkinder zu einem Erinnerungsfoto auf, wie in unserm Bildband von 1987: Rössing, unser Dorf im Wandel auf Seite 68 zu sehen ist.(6)

Der damalige Pastor Hahne hat vor der Ablieferung 1942 die Schmuckelemente und Inschriften der Glocken genau beschrieben und wann sie jeweils geläutet wurden.(4)

Die Radler-Glocke von 1891

Die kleinste der drei Radler-Glocken blieb uns erhalten. Diese Tatsache war aber im Laufe der Jahrzehnte in Vergessenheit geraten. Als Herr Friedrich Kämpfer, Koordinator für das Glockenprojekt, 2008 mit seiner Aktion begann, denn eine kleinere, sehr alte Glocke sollte restauriert werden, stellte er schon bei der ersten Besichtigung der Glocken im Turm fest, daß eine, heute unsere größte Glocke, auf dem äußeren Kranz die Inschrift: FREIHERR VON RÖSSING trug. Dieser war Kirchenpatron gewesen und hatte 1891 zur Schaffung des Dreiergeläuts 500 Mark gestiftet.(2)

Die vollständige Inschrift im oberen Textfeld lautet:

GOTTES WORT UND LUTHER LEHR

VERGEHEN NUN UND NIMMERMEHR

Auf dem unteren Feld, dem Schlagkranz steht:

ALEXANDER FREIHERR VON ROESSING; KIRCHPATRON

GEGOSSEN VON J:J:RADLER U: SOEHNE IN HILDESHEIM 1891

Auf dem langen Feld, über dem Namen des Patrons, ist eine siebenzackige Krone zu sehen und darunter das Wappen der Herren von Rössing mit dem gekrönten, aufrecht schreitenden, doppelschwänzigen Löwen, der sichere Beweis dafür, dass dies wirklich die alte Glocke von 1891 ist. Sie ist heute mit 350 kg unsere größte Glocke und schlägt u.a. den Stundenschlag.

Die zweite Radler – Glocke

Nach dem Krieg 1945 hatten wir nur noch eine Glocke, die kleinste des Dreiergeläuts. 1968 gelang es Pastor Ujma, eine weitere Radler-Glocke aus alten Beständen zu erwerben. Sie stammt aus Eddigehausen, Kirchenkreis Reyershausen bei Göttingen. Die Radler-Glocken haben alle einen ähnlichen, vollen Klang und klingen harmonischer zusammen als Glocken unterschiedlicher Herkunft, weil sie die gleiche Zusammensetzung haben. So war es ein Glückszufall, daß unsere Gemeinde für 1.800 DM eine passende Glocke kaufen konnte. Sie stammt nicht nur aus derselben Glockengießerei wie die vorhandene von 1891, sondern auch etwa aus derselben Zeit, aus dem Jahr 1898, und trägt ebenfalls Inschriften.

Im oberen Textfeld steht

DIENET DEM HERRN MIT FREUDEN;

KOMMT VOR SEIN ANGESICHT MIT FROHLOCKEN

Auf dem breiten unteren Glockenrand, dem Tragring steht:

GEGOSSEN VON J:J:RADLER U: SOEHNE IN HILDESHEIM 1898

Inschrift auf dem Schlagring:

PASTOR LIC. THEOL: FR:W: CUNO.

LEHRER: O. STEINEBACH

GEM.-VORST: W. VOLLBRECHT.

KIRCHENÄLTESTE W. AUE, A. KURRE, L. SCHNELLE

Die Aufzählung der Honoratioren besagt nicht, dass diese die Glocke gestiftet haben, sondern ihre Namen stehen stellvertretend für die ganze Gemeinde, die das Geld dafür aufgebracht hat. (7)

Der Pastor Fr. W. Cuno war von 1887 bis 1904 Pfarrrer in Eddigehausen bei Göttingen, das zum Kirchenkreis Reyershausen gehört, und während seiner Amtszeit wurde die Glocke angeschafft. Die dortige Kirchengemeinde wollte sich aber 1968 ein zweistimmiges Geläut zulegen und so kam Rössing zu dem günstigen Kauf. Dazu kamen natürlich noch weitere Kosten für Transport und Aufhängung, Armatur u.s.w. Damals war das Glockenläuten aber schon auf elektrische Läutemaschinen umgestellt.

Diese Glocke läutet als Totenglocke. Mit 250 kg ist sie die leichteste der drei Glocken, die wir heute besitzen. Die 2012 restaurierte mittelalterliche Glocke hat 300 kg, die Glocke aus dem Dreiergeläut von 1891 wiegt 350 kg.

Die „mittelalterliche Glocke“

Schon bevor Pastor Uijma 1968 die Radler-Glocke aus Eddigehausen 1968 kaufen konnte, war es s Herrn Pastor Bernd Moderegger 1950 gelungen, eine zweite Glocke zu unserer einzig verbliebenen Radler-Glocke von 1891 dazu zu erwerben. Dabei handelte es um eine Glocke, die nach Meinung der Glockensachverständigen um 1350 gegossen worden ist. Sie war stark beschädigt, aber sie ist definitiv eine mittelalterliche Glocke und hat einen hohen Denkmalswert, deswegen wurde sie jetzt so aufwendig restauriert.

Sie stammte aus alten Beständen, aber man wusste nicht, wo sie früher gehangen hatte. Doch das konnte jetzt aufgeklärt werden, mit einem überraschenden Ergebnis. Diese Glocke stammte nämlich aus Rössing, denn sie ist unsere alte Uhrschlag-Glocke.

Sie trägt keine Inschrift, die uns Auskunft gibt, wo sie gegossen wurde. Auf der Mitte des langen Feldes ist nur ein grafisches Zeichen zu erkennen, ähnlich wie die Steinmetzzeichen der mittelalterlichen Bauhütten. Sicherlich war es früher ein Hinweis auf den Glockengießer, leider ist uns die Deutung dieser Zeichen nicht überliefert. Sie ist mit 300 kg leichter als die Rös- singer Radler-Glocke von 1891 mit 350 kg. Deshalb war sie für die Menschen hier immer die „Kleine Glocke“ und sie lag als mittelalterliche Glocke allen besonders am Herzen.

Wenn sie um 1350 gegossen wurde, dann ist sie über 650 Jahre alt und mit großer Wahrscheinlichkeit ist diese Glocke ebenso lange hier in Rössing und mit unserer Kirche verbunden, denn Ihre Spur ist lange zurück zu verfolgen.

Fest gemauert in der Erden

Früher war die Glockengießerei ein Wandergewerbe. Die Glocken wurden in der Regel an Ort und Stelle gegossen, weil man gar nicht die Möglichkeit hatte, eine schwere Glocke über weite Strecken zu transportieren.

Schiller beschreibt so einen Glockenguss sehr anschaulich in seinem „Lied von der Glocke“: Festgemauert in der Erden, steht die Form aus Lehm gebrannt

Und so drängt sich der Gedanke auf, dass diese Glocke von Anbeginn zu unserer Kirche gehört hat.

Im letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts, zwischen 1290 und 1300 ist unsere Kirche nach Überlieferung gestiftet worden. War es eine hölzerne Kapelle? Gehörte schon ein Turm dazu? Wir wissen es nicht. Der Kirchturm, mit Sicherheit niedriger als heute, könnte um 1350 entstanden sein und wahrscheinlich ist diese alte Glocke schon ebenso lange bei uns und hier an Ort und Stelle gegossen.

In den Pfarrakten(4), so weit ich sie durchstudieren konnte, wird diese Glocke immer nur ganz kurz erwähnt. Sie war eine Uhrschlag-Glocke und zeigte die Zeit an, die einzige Zeitangabe, die die Leute früher auf dem Lande hatten. Sie ist eine Schlag – Glocke, das heißt, sie war fest montiert, sie wurde nicht mit einem Klöppel geläutet, sondern von außen angeschlagen.

Ein unscheinbares Dasein

In einem Auszug aus dem leider undatierten von Rössingschen Hauptbuche wird über die Kirche und ihre Glocken berichtet. Der Eintrag muß nach 1755 und vor 1830 entstanden sein. Die beiden Vorgängerglocken des Dreifach-Geläuts von 1891 werden ausführlich beschrieben. Sie wogen beim Einschmelzen 1891 zusammen 36 Zentner = 1.800 kg. (4) und waren durch ihre Jahreszahlen 1429 und 1625 genau zu identifizieren.

Von einer dritten Glocke ist an dieser Stelle nicht die Rede.

Aber eine dritte Glocke, eine kleinere. leichtere, nämlich eine Uhr-Schlag-Glocke muss vorhanden gewesen sein, denn an anderer Stelle heißt es von ihr:

Die kleinste Glocke ist geborsten und stehet noch im Thurm; die Schlage-Uhr und Glocke, woher selbige ihren Uhrsprung hat, ist ungewiß.

Im Pfarrarchiv erfahren wir immer nur bruchstückhafte Einzelheiten über diese UhrschlagGlocke, aber viele Hinweise, dass sie existierte. Anno 17 ? (die beiden letzten Ziffern fehlen bei der Jahreszahl), wurde diese Schlage-Uhr auf Kosten der Kirche repariert. (4)

Wir wissen nicht, wo sie hing, wo war ihre Uhrkammer? Sie war mit 300 kg kleiner und leichter als die beiden andern, wie wir heute wissen. 1786 ging es um die Kosten für Glocken- und Uhrschmier, die von der Kirche getragen wurden. Die „Turm – Uhr“, also ein Uhrwerk, war im Jahre 1853 von der Kirchengemeinde angeschafft worden. Im Jahr 1860 mußte eine umfangreiche Turmreparatur durchgeführt werden und der Turm wurde nicht mehr mit Ziegeln sondern mit Goslarschem Schiefer gedeckt, doch die Glocken wurden mit keinem Wort erwähnt. 1875 mussten die Schalllöcher repariert werden, sie sollten mit einem Bleidach verbessert werden, und das obere Fach der Fenster der Uhrkammer hatte eine Reparatur nötig, wieder ein Hinweis auf die Uhrschlag-Glocke.

Als 1891 die neuen Glocken montiert wurden, will man auch ein Zifferblatt am Turm anbringen. Aber für die vorhandene alte Schlage-Uhr müßte das Zeigerwerk umgearbeitet werden, so läßt man den Plan aus Kostengründen fallen. Immer wieder finden sich Hinweise auf die kleine alte Uhrschlag–Glocke.(4)

Unsere Glocke hat Glück

Als im Ersten Weltkrieg die Glocken zuerst gemeldet und dann abgeliefert werden mussten, wurde im Juni 1917 moniert, dass die Kirchengemeinden nicht alle Glocken, vor allem die Uhrschlag-Glocken nicht gemeldet und abgeliefert, sondern als Andenken zurückbehaltenhätten. Aktenvermerke darüber wurden von den Behörden vermisst und waren nicht aufzufinden, und irgendwie ist unsere kleine alte Glocke auf diese Weise auch der Beschlagnahme 1917 entgangen, wie aus den Akten hervorgeht.

Im Zweiten Weltkrieg wiederholte sich dies Spiel. Zuerst wurden nur die drei großen Glocken gemeldet und zwei davon beschlagnahmt. Eine Nachmeldung der Uhrschlagglocke wurde angefordert und in sehr ungenauer Form nachgeholt. Ihr Gewicht wurde nur mit 65 kg angegeben. Das war viel zu wenig, denn sie wog 300 kg. Man hoffte wohl, auf Grund des geringen Gewichtes der Beschlagnahme zu entgehen. Aber diesmal kam unsere kleine alte Glocke nicht davon. Sie erhielt die Kennziffer

5/20/76,

wurde beschlagnahmt und eingezogen. Im Harburger Hüttenwerk erlebte sie das Kriegsende 1945. Doch sie hatte Glück, der Krieg war zu Ende, bevor sie eingeschmolzen wurde.

Eine „kleine Glocke“ kehrt heim

Schon 1946 nahm der „Auschuss für die Rückführung der deutschen Kirchenglocken“ seine Arbeit auf und führte die Identifizierung der Glocken, die dem Einschmelzen entgangen waren und ihre Rückführung in die alten Kirchengemeinden durch. An Hand der Kennziffer, die sie bei der Ablieferung erhalten hatte, wurde unsere Glocke in Harburg, auf dem „Glockenfriedhof“ identifiziert, und so kehrte unsere kleine mittelalterliche Glocke 1948 nach Rössing zurück, wo sie schon viele hundert Jahre ihren Dienst als Uhr-schlag – Glocke versehen hatte.

Die Restaurierung

Zuerst wurde die heimgekehrte Glocke mit einer Aufhängevorrichtung versehen und von 1950 bis 2008 hing sie wieder bei uns im Turm, aber 2008 musste sie aus Sicherheitsgründen stillgelegt werden.

Noch in demselben Jahr gingen erste Spenden für ihre Restaurierung ein und Herr Kämpfer ging ans Werk.

Am 20.Okt. 2011 wurden in einer Kirchenvorstandssitzung der Planungsentwurf und die Finanzierung verabschiedet.

Der Ausbau der Glocke erfolgte durch das Technische Hilfswerk am 26. November 2011.

Am 29. November 2011 wurde sie im Gottesdienst verabschiedet, und dann ging unsere Glocke auf Reisen.

Zuerst nach Nördlingen. Die Kronenbügel für die Aufhängung waren abgebrochen und mittels der Fragmente wurde von der Firma Lachenmeyer in Nördlingen eine neue Krone gegossen und in die alte Glocke eingeschweißt.

Nach Fertigstellung der Glocke in Nördlingen am 11. April, erfolgte ihr Transport nach Herford am 16. April 2012. In den Herforder Elektro-Motorenwerken wurde sie vermessen und gewogen und das Holzjoch für die Glocken und die Aufhängung, sowie die Armatur hergestellt. Sie hatte einen neuen Klöppel bekommen und ging dann auf die Heimreise. Insgesamt hatte sie 1.400 km zurückgelegt, als die am 20. April 2012 wieder in Rössing eintraf.

Am 28. Juli wurde die Glocke auf den Turm gehievt und der Einbau und das Einläuten erfolgten am 30. Juli 2012. Am Erntedanktag im Oktober wurde sie offiziell der Gemeinde wieder übergeben. (8)

Mit dem zweiten mittelalterlichen, restaurierten Glockenschatz werden die Rössinger in Zukunft sicher behutsamer umgehen und ihn nicht einschmelzen wie es im Jahr 1891 mit der wertvollen historischen Glocke geschehen ist, die 1429 gegossen wurde und die Namen unserer Kirchenheiligen St. Peter und Paul trug.

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Quellen

1 Unbekanntes entdecken, Kirchen in der Gemeinde Schellerten, 2010, ISBN 978-3-938385-38-8 von Heike Klapprott, Annegret von Loeben, Gerda Mayer, Hans-Georg Schrader, S. 56

2 Aus der Geschichte von Rössing, von Malermeister Hermann Kasten 1983, S. 68

3 Mithoff(1871): Kunstdenkmale im Fürstenthum Calenberg S. 160, Nachricht v. Dr. Christine Wulff,

Vorsitzende der Inschriftenkommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, 4. Dez. 2012

4 Pfarrarchiv Rössing, Sign. Rep 18 A 500 – 512 und Rep 19 A 5130151304

5 Der Raum Hildesheim im Luftkrieg 1939-1945, Zielpunkt 52092 N / 9571 O von Hermann Meyer-Hartmann, Schriftenreihe des Stadtarchivs und der Stadtbibliothek Hildesheim, Bd. 14 S.27

6 Rössing – unser Dorf im Wandel, Bildband, S. 68, 1987 ISBN 3-89264-103-X

Hrsg. Verein Dorfpflege Rössing

7 Philipp Meyer, Die Pastoren der Landeskirche Hannover seit der Reformation

Pfarrarchiv Rösssing , Sign. Rep 19. A 513 o1 – 513o4

8 Arbeitsunterlagen des Projektes von Friedrich Kämpfer, Rössing, KV-Miglied

Nachtrag

Quelle: Pfarrarchiv Rössing, Sign Rep 19 A 51301 – 51304

Ergänzende Nachrichten über Glocken aus den verlorenen Ostgebieten

Am 27. Dezember 1950 stellte der damalige Rössinger Pastor Moderegger an das Landeskirchenamt in Hannover einen Antrag auf leihweise Überlassung einer Bronzeglocke. Solche lagerten noch auf dem „Glockenfriedhof“ in Harburg und stammten aus den verlorenen Ostgebieten jenseits der Oder-Neisse-Linie. Er selber hatte dort seine Heimat verloren und es wäre eine große Freude für die zahlreichen Ostvertriebenen, die die Hälfte der Bevölkerung Rössings und bei weitem den größten Teil der Kirchenbesucher stellten, wenn sie von einer Glocke aus ihrer Heimat ins Gotteshaus gerufen würden. Dies Ersuchen wurde aber abgelehnt.

Kirchenglocken aus Wolhynien

1942 wird darauf hingewiesen, dass die Glocken der Wolhyniendeutschen, die 1939 als Folge des Nichtangriffspaktes von Hitler mit der Sowjetunion aus Russland nach Deutschland umgesiedelt wurden, ihre mitgebrachten Glocken behalten dürften, dass sie nicht für Kriegszwecke beschlagnahmt werden sollten, ein eindrucksvolles Beispiel für den hohen Sinngehalt von Kirchenglocken, sogar im Dritten Reich.

Abschiedsfeier für die Glocken der Kirchengemeinde Rössing am 8. März 1942 .

Der damalige Pastor Hahne hat vor der Ablieferung die Schmuckelemente und Inschriften der Glocken beschrieben und uns genau überliefert, wann sie jeweils geläutet wurden.

Die große Glocke:

Oberer Schmuckrand: Eichenlaub

Auf dem langen Felde: Der segnende Christus mit ausgebreiteten Armen.

Auf der Gegenseite: Der aufrecht stehende Luther mit der Bibel in der Hand.

Inschrift: EHRE SEI GOTT IN DER HÖHE – FRIEDE SEI MIT EUCH

Am unteren Rande:GEGOSSEN VON J.J.RADLER UND SÖHNE IN HILDESHEIM 1891

PASTOR WOLFF, K..KOENNEKE, H.MARTENS,H.BAUMGARTEN. K.TIEMANN U.. G.HOFFMANN

Gewicht: 1079,5 kg = 21 Zntr, 59 Pfd. Durchmesser unterer Glockenrand 128 cm, Ton D

Die mittlere Glocke

Oberer Schmuckrand: Weinlaubranken

Auf dem langen Felde: Ein Kreuz mit der Inschrift I.N.R.I. Auf der Gegenseite: Ein Abendmahlskelch.

Inschrift: KOMMET, DENN IST ALLES BEREIT! WACHET UND BETET!

Am unteren Rande: GEGOSSEN VON J.J.RADLER und SÖHNE, HILDESHEIM 1891

ORTSVORSTEHER H.PLÖTZE, LEHRER K.TÖNNIES, H.ROHNE, K.ROKAHR

Gewicht: 648 kg = 12 Zntr. 96 Pfd. Durchmesser unterer Glockenrand: 127 cm, Ton F

Die kleine Glocke

Oberer Schmuckrand:Blumenranken

Auf dem langen Feld: Das Wappen der Herren von Rössing

Der springende Löwe, darüber die siebenzackige Krone

Inschrift: GOTTES WORT UND LUTHERS LEHR

VERGEHEN NUN UND NIMMERMEHR

Am unteren Rande: GEGOSSEN VON J.J.RADLER UND SÖHNE HILDESHEIM 1891

ALEXANDER FRH. VON RÖSSING, KICHENPATRON

Gewicht: 317 kg = 6 Zntr., 34 Pfd, Durchmesser unterer Glockenrand 86 cm, Ton A

Verwendung der Glocken:

Alle drei Glocken zusammen:

Beim Einläuten der hohen kirchlichen Festtage und an diesen selbst.

An hohen politischen und vaterländischen Festtagen und Siegesfeiern.

Die große Glocke allein:

Bei dem Brautschauer von 1-2 Uhr vor der Trauung,

beim Betglockenschlag

als Sturm- und Feuerglocke, schnell und pausenlos angeschlagen

Die mittlere Glocke allein

Als Abendmahlsglocke freitags zu den Abendmahlsfeiern

Die mittlere und die kleine Glocke zusammen:

Am Sonnabendabend zur Anmeldung des Sonntags,

Sonntags früh zum Einläuten des Sonntags, in Friedenszeiten im Sommer um

6 Uhr, im Winter um 8 Uhr,

zum Ausläuten und zu den Beerdigungen von Kindern

Die kleine Glocke allein, als Feuerglocke geläutet